über industrielle Umwälzungen, den Mittelstand und wie weit die Digitalisierung inzwischen hierzulande gekommen ist.
Vomstein: Wenn es um potenzielle Mitarbeiter geht, haben wir alle einen klaren Standortnachteil. Leute, die hierher zum Arbeiten kommen, müssen wissen, dass sie Alternativen finden. Das wissen sie in Hamburg, in München, in Berlin. Wer hier in einer Firma anheuert, muss sich dagegen sicher sein, dass es auch funktioniert. Das hat zwar auch mit der Randlage zwischen Elsass, Schweiz und Schwarzwald und der Größe hier zu tun.
Vomstein: Es wäre ein Punkt, diese Anzahl transparenter zu machen: Jeder von uns stolpert immer noch aufs Neue über die Namen von Firmen, die eine stattliche Anzahl an Mitarbeitern haben und hier sitzen. Vorgestern habe ich von einer Bausoftware aus Freiburg erfahren, die auch immerhin 80 bis 90 Mitarbeiter am Standort beschäftigt. Solche Beispiele fallen mir immer wieder auf. Aus meiner Perspektive ganz extrem das Smashing Magazin, eine der weltweit bedeutendsten Plattformen für Webdesign. Sitzen in Freiburg und kein Mensch kennt sie. Es wäre schon hilfreich, den Standort insgesamt attraktiver darzustellen und zu zeigen, wieviele tolle Firmen es hier gibt.
Fesenmayr: Unternehmen wie Inxmail, Lexware, Jedox, United Planet oder wir bei OXID haben keinen regionalen Kundenschwerpunkt hier im Südwesten. Regional geht es um den Wettbewerb um Talente. Deshalb ist es wichtig, Fachkräfte nach Freiburg zu ziehen. Die Soft Facts, allen voran die Lebensqualität im Südwesten, ziehen, aber das genügt nicht. Wichtig ist, dass überregional bekannt ist, dass es hier ein schönes Cluster von Unternehmen gibt. Das auch entsprechend zu kommunizieren, halte ich für eine wichtige Aufgabe von Wirtschaftsförderung im Sinne von Standortmarketing, sei es verbandsgetrieben oder durch Städte und Kommunen. Im Software-Bereich haben wir ein starkes Cluster. Die Unternehmen sind teilweise sogar Marktführer in ihrem Bereich. Der zweite Punkt, um Mitarbeiter zu gewinnen, ist der Dauerbrenner Ausbildung.
netzwerk südbaden: Wie schaut es mit der Ausbildung hier aus?
Fesenmayr: Ich finde, dass wir in der Region grundsätzlich nicht schlecht dastehen: Mit der FH Furtwangen, der FH Offenburg und der BA Lörrach. Die Uni Freiburg hat bei der praxisnahen Ausbildung im IT-Bereich allerdings Nachholbedarf…
Albiez: Mit den Hochschulen in Furtwangen und Offenburg stehen wir auch in engem Austausch, sind aber beispielsweise beim Recruiting in Freiburg nicht mehr aktiv, weil hier keine angewandte Informatik oder Softwareentwicklung gelehrt wird. Bei uns arbeiten auch viele Quereinsteiger aus den Kommunikationswissenschaften oder der Soziologie, aber Entwickler rekrutieren wir kaum aus der Region.
Fesenmayr: Man ist darauf angewiesen, dass man Quereinsteiger findet. Wichtig ist die Frage, welche Mitarbeiter wir brauchen: Wenn wir eine Stelle im Vertrieb, im Projektmanagement oder in der Buchhaltung ausschreiben, haben wir teilweise 50 oder mehr Bewerber. Wenn wir Softwareentwickler besetzen wollen, gibt es oft nur einen Bewerber auf 5 oder 10 offene Positionen.
Albiez: Ich kann für unseren Standort München sagen, dass wir dort eine deutlich höhere Fluktuation haben, die Mitarbeiter wechseln ca. alle zwei Jahre, da es deutlich mehr Optionen gibt. In Freiburg arbeiten Mitarbeiter, die zehn bis zwölf Jahre hier sind.
Fesenmayr: Für uns ist es ebenfalls hart, sie nach Freiburg zu bewegen, aber wenn sich jemand mal entschieden hat hierher zu ziehen, dann hat er oder sie sich das gut überlegt und bleibt auch in der Region. Dann punktet die hohe Lebensqualität.
Vomstein: Zum Ausbildungsthema noch eine Bemerkung: Die Ausbildung in den umliegenden Hochschulen ist gut, aber wenn der Austausch außerhalb von klassischen Institutionen vorankommen würde, wäre das gut. Das muss auch von uns Unternehmen kommen.
Fesenmayr: Jeder Mathematiker oder Physiker hier weiß, dass er sehr gute Chancen auf dem Markt hat. Dass man ihm unsere Anwendungsbranche nahe bringt, hat großes Potenzial. Das Thema Weiterbildung und Unterstützung von Quereinsteigern ist deshalb ein großes Thema. Und die Unterstützung von Familie und Beruf. In den 90ern war für jeden Absolventen klar, dass er für eine 40-Stunden-Woche unterschreibt. Heute gibt es kein Vorstellungsgespräch mehr, wo jemand nicht sagt, dass er sich maximal 80 Prozent vorstellen kann. Weil die Work-Life-Balance stimmen muss.
Fesenmayr: Wenn Eltern nach einer Geburt wieder einsteigen wollen, müssen wir das unterstützen. Das betrifft heute beide Geschlechter.
Albiez: Es sind aber nicht nur Leute mit Familie. Mit der Generation Y begegnen uns immer häufiger auch 28-Jährige oder Direkteinsteiger nach dem Studium, die reduzierte Arbeitsmodelle wünschen. Wir müssen uns auf andere Prioritäten, ein anderes Lebensmodell einstellen – was nicht heißt, dass die Leute nicht alles an Motivation in ihre Arbeit legen.
Albiez: Wir betreuen hier am Standort Freiburg gerade im Business-to-Business-Bereich einige Kunden aus der Region, vor allem aus dem Schwarzwald. Das sind etwa 30 Prozent unserer Kunden, zum Beispiel Sto oder Badenova. Konzernkunden wie Roche oder Union Investment kommen bei uns eher aus der Schweiz oder von weiter nördlich, ab Mannheim oder Frankfurt dann. Insgesamt, wenn man die Standorte Wien und München dazu nimmt, sind es allerdings unter 10 Prozent regionale Kunden aus Südbaden.
Fesenmayr: Bei uns ist es statistisch im Bundesgebiet gleich verteilt. Wir haben keinen Schwerpunkt im Südwesten. Es kommen sicher weniger als 10 Prozent der Kunden von hier. Der Vertrieb läuft bei uns vor allem indirekt über Agenturen und Systemintegratoren. Aktuell haben wir über 100 unter Vertrag, davon 20 Partner auf die wir uns im Enterprise Geschäft konzentrieren. Diese sitzen vor allem in den Metropolregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet, München, Hamburg, Berlin oder der Ecke Köln/Düsseldorf.
Vomstein: Unsere Kunden stammen zu 20 Prozent aus der Region, aber wir sind hier nicht repräsentativ für Agenturen unserer Größe. Unser Hauptkunde, die Antidopingagentur NADA, sitzt in Bonn, wir haben ein Vertriebsbüro in München, von dem aus wir jederzeit für Termine dort erreichbar sind. Und wir arbeiten dort mit einem Riesen-Netzwerk an Freien, die auf einem sehr hohen Niveau spezialisiert sind. Die meisten unserer Kunden kommen aus dem Raum Frankfurt, Rheinland oder München.
Fesenmayr: Es gibt sicher noch den kleinen Shopbetreiber, der nebenberuflich Artikel vertreibt, oder den Einzelhändler, der seinen stationären Umsatz online etwas aufbessert. Aber der Markt konsolidiert sich. Wir haben uns in den letzten Jahren sukzessive, aber ganz konsequent, beim gehobenen Mittelstand positioniert. Unser typischer Kunde macht zwischen 50 und 800 Millionen Euro Unternehmensumsatz oder zwischen 5 und 300 Millionen Onlineumsatz. Von den 600 Mittelstandskunden, die wir haben, sind 95 Prozent in diesem Bereich. Und wir sind fokussiert auf Unternehmen, die vor der Herausforderung der Digitalen Transformation stehen. Also Unternehmen, die oft seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit Generationen im Geschäft sind. Firmen, die nicht vorhaben, sich vom Wettbewerb aus der digitalen Welt überrollen zu lassen, sondern bereit sind, ihr Geschäft Schritt für Schrtitt weiterzuentwickeln und an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das sind Kunden mit gewachsener IT-Infrastruktur, die es zu integrieren gilt. Und es sind Unternehmen, die E-Commerce nicht in Ihrer DNA haben, sondern diese Transformation mit Dienstleistungspartnern anpacken. Bei ihnen gilt es, ein gewachsenes Geschäftsmodell vorsichtig, aber konsequent zu digitalisieren.
Eine weitere Veränderung im Markt, die wir beobachten, ist das starke Wachstum im Business-to-Business Geschäft. Während in der Anfangszeit des E-Commerce noch der Handel an Endkunden dominiert hat, macht der Online-Handel zwischen Unternehmen bei uns mittlerweile mehr als 50% aus. Das geht vom Maschinenbau, über den Elektrogrosshandel bis hin zum Vertrieb von Stahl. Spannend ist, dass es gerade in diesen Branchen nicht nur um zusätzliche Umsätze geht, sondern häufig die effizientere Abwicklung von Einkaufsprozessen und damit Kostensenkungen im Vordergrund stehen.
Vomstein: Unser Brot-und-Butter-Geschäft ist weiterhin das Entwickeln von klassischen Websites. Nur verändern sich Websites und was man dort tut. Es ist viel ideenreicher geworden, viele sehen die Anwendungen im privaten Leben, wo sie Servicelevels gewohnt sind, die sie auch auf ihre Firma anwenden wollen. Zum Beispiel die Visualisierung von Leistungsdaten und Perfomances, wie einer unserer Kunden sie von Fitness-Apps kennt und jetzt auch für sein Geschäft nutzen will. Es ist immer noch eine Website, aber kein Schema F, wie es vor zehn Jahren war.
Albiez: Was unseren Kundenstamm eher umtreibt, ist nicht, wie sie in das Thema Digitaler Wandel und Transformation reinkommen, die Kunden haben den Grundstock. Sie brauchen keine Websites aufsetzen oder Mobile Apps, da geht es eher darum, Kommunikationsmaßnahmen, seien sie intern oder extern, so zu entwickeln, dass sie nützlichen Service für den Nutzer bieten. Also sich zu fragen, welche Informationen oder Hilfestellungen unterschiedliche Zielgruppen brauchen. Nicht mehr eine Website für alle, sondern spezifische Lösungen für jeden einzelnen.
“Es findet eine Loslösung vom alten Print-Denken statt.”
Albiez: Genau. Im Grunde zielgerichtetes Content Marketing, das sich am Nutzwert für die Zielgruppe orientiert und nicht dem, was das Unternehmen senden möchte.
Vomstein: Es findet eine Loslösung vom alten Print-Denken statt. Nicht mehr die Übertragung der Unternehmens-Broschüre ins Internet, sondern hin zu ‚Was braucht wer‘ und ‚wie verhält sich wer‘ auf der Website. Das hängt mit dem Reifegrad der Nutzer zusammen, aber auch mit Entwicklungen auf der Agenturseite. Natürlich verändert es die Entwicklungen webbasierter Anwendungen komplett.
Fesenmayr: Den maßgeschneiderten Service für einzelne Kunden sehen wir gerade sukzessive auch in der Produktion. Beim Stichwort Industrie 4.0, also der Digitalen Transformation in der Industrie, beobachten wir aber, dass Unternehmen wie Bosch, Daimler und Co die Klaviatur bereits von oben nach unten spielen, der Mittelstand aber noch gnadenlos abgehängt ist und enormen Nachholbedarf hat, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Fesenmayr: Für uns als E-Commerce Spezialisten steht natürlich im Vordergrund die produktionsbezogenen Fragestellungen mit der Marktansprache und neuen Vertriebskonzepten zu vernetzen. Wir haben bereits einige spannende Szenarien bei unseren Kunden herausgearbeitet und wollen das Thema auch weiter vorantreiben, weil es unheimlich vielversprechende neue Geschäftsmodelle gibt: Eine der Möglichkeiten von Industrie 4.0, dass zukünftig Losgröße 1, also die Produktion von genau einem auf einen einzelnen Kunden zugeschnittenes Produkt, in industrieller Skalierbarkeit herstellbar ist. Was wir von Fotobüchern oder einem mit einem lustigen Spruch bedruckten T-Shirt kennen, wird in Zukunft auch bei Maschinen oder Autos oder Fahrrädern angeboten werden. Aber ohne, dass es teurer ist: Ein Einzelstück kann vollautomatisiert und genauso effizient produziert und natürlich vertrieben werden wie heute ein Massenprodukt. Genau da entwickelt sich die Industrie gerade hin. Zweites Megathema in der Industrie 4.0 ist die sogenannte Servicitation. Man produziert und vertreibt nicht nur ein Stück Hardware, sondern schafft darum noch einen Online Service mit Mehrwert. Zum Beispiel können Maschinen heute schon automatisch ihr Ersatzteil online bestellen, bevor es kaputtgeht. Nehmen wir das Beispiel Shared Economy: Ich kenne in Berlin kaum noch Leute mit eigenem Auto. Dafür jede Menge, deren Smartphone gleichzeitig der Schlüssel zu zwei oder drei Car-Sharing Anbietern ist. Nicht nur die Automobilhersteller stellen sich schon längst darauf ein, dass sie zukünftig nicht mehr nur mit Blech ihr Geld verdienen, sondern mit komplett neuen, online getriebenen Geschäftsmodellen. Die Möglichkeiten, aber auch die Notwendigkeit, sich darauf einzustellen hat auch ein Mittelständler aus dem Rheintal oder von der Alb. Also ganz neue Umsätze zu generieren, wenn er seine Produktionskompetenz mit Services verknüpft, die auf den einzelnen Kunden zugeschnitten sind.
netzwerk südbaden: Hat beispielsweise die Einführung des iphones das alles noch mehr beschleunigt? Was ist für Sie der wichtigste technologische Treiber dieser Entwicklung?
Alle gleichzeitig: Das Internet.
Vomstein: Ein bestimmtes Gerät gibt es da nicht.
Albiez: Meiner Meinung nach sind neue Technologien und Endgeräte aber tatsächlich immer Treiber für Innvoation in der digitalen Kommunikation.Wenn ich an Wearables denke, also das Tragen von Computern jedweder Art am Körper, nicht nur zu Zwecken der Unternehmenskommunikation, sondern auch für den Einsatz in der Produktion. Beispielsweise: Wie können wir die Apple Watch nutzen, um die Mitarbeiter in der Herstellung und bei Arbeitsabläufen zu unterstützen. Gleichermaßen das Thema Virtual Reality, zum Beispiel beim Einsatz auf Messen.
Vomstein: Am Ende ist es neben dem Internet die Steigerung von Rechnerleistungen, die zwangläufig zu solchen Themen führt.
Fesenmayr: Bandbreite ist ein zentrales Thema. Für die Mehrheit der Bevölkerung gibt es hier ein deutliches Gefälle zwischen Südeuropa und den „Emerging Countries“ wie im Baltikum. Das hat nicht nur einen großen Einfluss auf die Wirtschaft, sondern auch auf die Bildung und die Frage, wie sich eine Gesellschaft entwickelt. Deutschland bewegt sich hier noch im Mittelfeld.
Fesenmayr: Das Thema ist angekommen, der Begriff hat sich den vergangenen 12 Monaten extrem präzisiert. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass Industrie-Unternehmen heute an dem Punkt sind, an dem der Handel vor 10, 15 Jahren war.
Vomstein: Es sind noch einige Hausaufgaben zu machen, ehe die Kür beginnt, zum Beispiel mit Virtual Reality. Davor arbeiten wir eher noch an den Produktionsprozessen und anderen Themen.
Fesenmayr: Zum Beispiel an vermeintlich ganz simplen Themen wir der Einführung eines Produktinformtionssystems (PIM), also einem System, das alle Produktdaten zusammenführt, von der Artikelnummer bis zu Texten in allen Sprachen und Bildern und in einer Quelle aus der man alles speisen kann. Vom Katalog bis zum Onlineshop. Die Großen haben das vor 10 oder 20 Jahren erledigt, der Mittelstand hat solch zentrale Themen oft noch vor sich.
Albiez: Wenn Kunden diesen Schritt dann hinter sich haben, hängt es ganz stark davon ab, wie die Unternehmenskultur hinsichtlich Innovation aussieht, wer in Entscheiderpositionen sitzt und wie das vorgelebt wird. Unsere Agentur versteht sich hier oft als Impulsgeber und Prozessbegleiter, auch wenn beim Kunden selbst der Blick noch nicht so fokussiert ist.
Albiez: Tatsächlich unterstützen wir auch oft bei der Organisationsentwicklung.
Fesenmayr: Im besten Fall, wenn alles vorliegt, schaffen wir ein Shop-Projekt in drei bis sechs Monaten, es können aber auch zwei Jahre sein, wenn die internen Prozesse und Systeme beim Kunden noch nicht bereit sind.
Vomstein: Es hängt von der Komplexität ab, auch bei uns dauern Projekte bis zu eineinhalb Jahren, aber die normale Laufzeit liegt auch bei uns bei drei bis sechs Monaten.
Albiez: Bei uns hängt es stark davon ab, wie nachhaltig die Lösung sein muss. Ob es für ein einzelnes Event entwickelt wird oder ob es sich um mehrere Kommunikationsmaßnahmen für eine Kampagne handelt. Dann kann es auch einmal zwei Jahre dauern. Wir haben aber auch gelernt, dass es davon abhängt, ob zwei Leute über die Inhalte entscheiden oder ob es fünfzig sind, weil es mehrere Produktverantwortliche gibt.
Vomstein: Solche Abstimmungen können durchaus länger gehen als die eigentliche produktive Arbeit.
Vomstein: Das Thema Content wird häufig unterschätzt. Oft ist es ein Ressourcenthema, dass Mitarbeiter Dinge nicht so lösen können, damit die nächsthöhere Ebene damit zufrieden ist.
Fesenmayr: Mittlerweile hat sich im Selbstverständnis einiges gewandelt in den Unternehmen und in unserer Branche. Auch durch die Arbeit von Verbänden wie der bwcon. Anfangs ging es nur darum, das IT-Fähnchen hochzuhalten. Mittlerweile hat man erkannt, dass die IT als Querschnittsbranche die zentrale Bedeutung für die Entwicklung der gesellschaftlich relevanten Wirtschaftszweige Mobilität, Energie, Healthcare und Industrie ist. Es geht darum die Unternehmen für das Thema zu sensibilisieren, sie mit den Dienstleistern von Agentur über Software bis Hardware zu vernetzen und gemeinsam einen Weg aufzuzeigen, wie die Digitale Transformation angepackt werden kann. Eine ganz wichtige Aufgabe ist es dabei, auch kleineren Unternehmen die Angst zu nehmen und sie zu unterstützen einen Einstieg zu finden. Auch mit Förderprogrammen.
Albiez: Wir erleben bei Mittelständlern oft, dass sie natürlich wissen, dass wir für größere Konzerne wie Siemens arbeiten. Und dass wir dort bereits Schritte gemacht haben, die sie vielleicht noch vor sich haben und dabei auf die Erfahrung von uns setzen.
Vomstein: Die Firmen sind inzwischen sensiblisiert, es herrscht nur eine große Unsicherheit am Markt, was sie tun müssen, mit wem sie sprechen und wie sie dabei vorgehen.
Vomstein: Diese Firmen müssen ihn nicht nur verfolgen, sie müssen ihn leben und vorantreiben, sie SIND der Diskurs. Sie sind die Hauptdarsteller. Die Welt verändert sich, die Industrie verändert sich. Wir sehen es ja an unserem Umgang mit den Endgeräten, wie die Elektronik zuhause sich verändert und das macht vor der Industrie nicht halt. Natürlich kann eine Person, die es verantwortet, nicht alles wissen.
Fesenmayr: Digitale Transformation ist der Überbegriff dafür, dass sich ein Unternehmen fit machen muss für die digitale Zukunft. Ich glaube, man muss das von oben nach unten ‚herunter brechen‘. Das Thema muss Chefsache sein. ‚Herr Müller macht jetzt den Online-Shop‘, das funktioniert heute nicht mehr. Denn Herr Müller hat äußerste Probleme, an Daten aus der IT zu kommen, Ängste aus dem Vertrieb abzuwehren, das Marketing für Online-Massnahmen zu bekommen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass jemand mit mindestens Stabsfunktion im Unternehmen so einen Prozess abteilungsübergreifend komplett durchdeklinieren kann. Dann entsteht eine ‚Landkarte‘, aus der sich einzelne Teilbereiche und operative Maßnahmen ableiten. Man wird dabei auch immer wieder einmal Dinge falsch anpacken, das gehört dazu. Eine Katastrophe aber ist, wenn man glaubt der Digitalisierung aus dem Weg gehen zu können.
Fesenmayr: Ein Beispiel: Als wir klein waren, mussten wir um 14 Uhr am Dorfbrunnen sein, das war der Treffpunkt. Wer eine Viertelstunde zu spät war, für den war der Nachmittag gelaufen, weil schon alle im Wald waren. Später gab es Wählscheibentelefone, mit denen man sich vorher verabredete. Dann kamen die Handys, jetzt gibt es Facebook dafür, die ganz Jungen sind wieder ein paar Social Networks weiter. Was ich damit sagen will: Es funktioniert nicht, wenn man den Kindern heute sagt, dass sie kein Smartphone bekommen. Die Gesellschaft, wie sie in unserer Jugend funktioniert hat, können wir nicht mehr zurückholen. Deshalb ist es immer die Frage, wie ich so einen Wandel verantwortungsvoll mitgestalten kann. Natürlich braucht es Spielregeln, aber wir müssen am Wandel teilhaben.
Fesenmayr: Durch die Digitalisierung fallen Arbeitsplätze weg. Andere, anspruchsvollere entstehen gleichzeitig. Im Moment sagen die Prognosen auch, daß viele einfachere, manuelle Tätigeiten ziemlich bald von Maschinen, also Robotern übernommen werden können. Das wird von der Gastronomie über die Pflege und Medizin viele Bereiche betreffen. Gegen die Welle, die dabei auf uns zurollt, war das, was wir an Veränderung durch den Onlinehandel erfahren haben noch nichts.
Vomstein: Ist das wirklich ein Problem, wenn Maschinen in Zukunft unsere Arbeit machen? Kommen wir mit der gewonnenen Zeit nicht zurecht? Oder ist es nicht vielmehr eine politische Diskussion, dass wir andere Gesellschaftsmodelle entwickeln müssen, wie wir in Zukunft mit Arbeit umgehen müssen? Das ist die zentrale Aufgabe, für die ein Bewusstsein da sein muss. Wir brauchen ein Chancen-Denken, kein Risiko-Denken. Es ist sicher gut, dass hier Fehlentwicklungen abgefedert werden, in dem man zweimal nachdenkt, bevor man Dinge tut, aber wir lassen uns in Deutschland davon oft bremsen.
Albiez: Es wird immer Menschen geben, die Entscheidungen treffen müssen, die man nicht Algorithmen überlassen kann. Und es wird sich weg verlagern von operativen Tätigkeiten, der Fließbandarbeit und dem, was man künftig automatisieren kann, hin zu mehr Kreativität, wo sich neue Arbeitsplätze auftun.
Fesenmayr: Da sind wir wieder beim Anfang und der Frage, was die Politik bewirken kann: Neben der Bildung, die wir diskutiert haben, muss sie für alle Schichten Zugang schaffen zu den Informationen und Technologien. Was die Politik auch positiv beeinflussen kann und mir am Herzen liegt, ist eine andere Wertschätzung für digitale Berufsbilder. In Deutschland ist es, anders als in Osteuropa, immer noch legitim, dass ein Politiker gegenüber einem Techniker die Nase rümpft. Ich würde mir wünschen, dass Ingenieurswissenschaften und Berufe in IT in der Erziehung und Bildung einen größeren gesellschaftlichen Rückhalt erfahren. Das sind zentrale Kompetenzfelder für die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland oder Europa.
Das Unternehmen wurde 1995 von drei Furtwangen-Absolventen gegründet, von ihnen leitet Ralf Heller weiter als Vorstand die Geschäfte. Virtual Identity beschäftigt in Freiburg, München und Wien ingesamt 180 Mitarbeiter und zählt mit den Adressen in Deutschland zu den Top 25 der deutschen Webagenturen. Zu den Kunden gehören Siemens, Roche und die Allianz, aber auch Rothaus, badenova und sto. Karoline Albiez ist Account Director bei VI.
Die Agentur kultwerk wurde 1998 von Stefan Vomstein und Jens Vogel gegründet, die beide als Inhaber die Geschäfte führen. Der Hauptsitz ist in der Freiburger Wiehre, ein weiterer Standort findet sich in München. Kultwerk zählt die NADA, Burda und Audi ebenso zu seinen Kunden wie den SC Freiburg, Schölly und die Haufe-Akademie. Kultwerk beschäftigt 15 Mitarbeiter und pflegt langjährige Beziehungen zu seinem Kundenstamm.
Fesenmayr ist Vorstandsvorsitzender der 2003 gegründeten OXID eSales AG. In seiner Position verantwortet er Strategie- und Business-Development des Freiburger Softwareunternehmens. Fesenmayr verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Online-Handel. 1995 war er Mitbegründer der Virtual Identity AG. Aktuell nimmt er Aufgaben als Vorstand des Verbands bwcon wahr und ist Mitglied des Beirates der Fakultät Digitale Medien an der University Furtwangen.