Was treibt Margot Selz um? Als Geschäftsführerin des familieneigenen Immobilienunternehmens übt sie zahllose Ämter aus, sie führt neben anderem den Aktionskreis des Walter-Eucken-Instituts an, ist unaufgeregte Trägerin der Wirtschaftsmedaille des Landes und beim Verband der Unternehmerinnen nicht nur engagiertes Mitglied seit 16 Jahren, sondern war sieben davon gleich für den Ausbau des Verbands in ganz Baden, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig.
Margot Selz
Aktuell führt sie die VdU-Wirtschaftskommission auf Bundesebene. Das alles nur, weil sie das nichtnein- Sagenkönnen so gut beherrscht, „meine große Schwäche“, wie sie das Gespräch in den Firmenräumlichkeiten einleitet? Vermutlich ist es das nicht, wird man denken, wenn man im weiteren Verlauf des Gesprächs ihre Begeisterungsfähigkeit erlebt fürs „lebenslange Lernen“ – und die Neugier auf wirtschaftliche Theorie und unternehmerische Praxis entlang ihrer Biografie kennen lernen darf.
Margot Selz hat Wirtschaftswissenschaften und Politik in Freiburg studiert und ist diesem Thema viele Jahrzehnte nach dem Abschluss treu geblieben: Sie selbst sagt, dass es den Brückenbau braucht zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft und dass sie seit der Studienzeit aufgeht im Thema Ordnungspolitik, also der Frage nach den Rahmenbedingungen für Wirtschaft. Als Unternehmerin sieht sie ihre Stärken und Vorlieben darin, interessensmäßig „breit angelegt“ zu sein, vor allem in der Entwicklung von Strukturen und wenn es darum geht, Prozesse in Gang zu setzen.
Ihrer Tätigkeit in der Entwicklung von Immobilien-Software („es gab einfach nichts Geeignetes für unser Büro“) verdankt sie den VdU-Eintritt: Angesichts der von Männern geprägten Programmierwelt wollte sie „wirtschaftsbezogene Frauen“ kennen lernen. Das Erweckungserlebnis fand dann beim Testbesuch auf der VdU-Jahresversammlung in Bremen statt: Eine bayrische Druckereibesitzerin las dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder die Leviten über die degressive Abschreibung, die sie in Schwierigkeiten bei Investitionen brachte. In einer Offenheit, die den Kanzler noch eine Stunde bei den VdU-Frauen weiter diskutieren ließ, obwohl er eigentlich auf dem Weg zum nächsten Termin war. Kann es sein, dass Unternehmerinnen offener sprechen als Unternehmer? Margot Selz ist sich da nicht sicher, denn natürlich beschäftigten auch die Firmenchefinnen die gleichen Themen wie die Vorstandsherren – von Mindestlohn über Zeitarbeit bis Freihandel. Was sie dank VdU-Umfragen sicher weiß: Frauen sehen die gleichen Nöte „in einer anderen Präferenz“, ganz oben stehe bei Ihnen der Zeitverlust durch bürokratische Hindernisse.
An zweiter Stelle kommt bereits die Sorge um eine qualitative Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Mit hohen Qualitätsansprüchen beschäftigt sich auch Margot Selz – in der Theorie, wenn beim Walter-Eucken-Institut das Thema Wirtschaftsethik auf dem Programm steht und die Frage, welche Wettbewerbsvorteile weniger nachhaltige Unternehmen gegenüber jenen haben, die nicht ressourcenschonend und ethisch handeln. Aber vor allem in der Praxis: Im gemeinsam mit ihrem Mann geführten Unternehmen, das Bauobjekte entwickelt, kauft, verkauft, saniert und verwaltet, habe sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, was es braucht, wenn man zufriedene Kunden betreuen möchte: eine auf lange Zeit sichtbare Qualität des Bauens, beim Material wie bei den handwerklichen Leistungen. „Wir nehmen uns das raus“ sagt sie über ihre Haltung, die gerade im heißen Immobilienmarkt der Region Freiburg nicht selbstverständlich ist.
„Unternehmerinnen haben gleiche Nöte wie Männer – aber andere Präferenzen“
Größte Freude habe sie, wenn Projekte wie die in einer alten Wäscherei Singler in einem Hinterhof der Rotlaubstraße in Freiburg- Herdern entstandene Kita übergeben und glückliche Betreiber und Nutzer einziehen können. Aber auch darüber, dass ihr Mann, der die Bautätigkeit im Unternehmen verantwortet, um 2004 als erstes in Freiburg auf energetische Sanierungen gesetzt habe und auch führend bei der Errichtung eines Blockheizkraftwerkes war. Was anfangs eher „nice-to-have“ war, zahlt sich jetzt in der Zufriedenheit von Mietern oder Käufern aus.
Und umgekehrt: Margot Selz weiß, dass mit Kunden, die auf Nachhaltigkeit achten, die wenigsten Konflikte entstehen. Insgesamt arbeiten 12 Angestellte für sie in Freiburg (eine Niederlassung in Florida gibt es ebenfalls), darunter fünf Frauen festangestellt im Büro. Nach einem durchaus modernen Verständnis, wonach die Leistung zu ganz unterschiedlichen Zeiten erbracht wird: „Eine hat Kinder, eine pflegt jemanden, wir regeln das flexibel“, sagt die Chefin über die hausinternen Qualitätsansprüche bei der Führung des Personals. Ihr geradliniger Weg als Unternehmerin ist übrigens nicht erst seit den Studiumstagen ausgeschildert, sondern vermutlich seit ihrer Geburt in Tuttlingen: im elterlichen Betrieb, der später in Pforzheim angesiedelt war, arbeiteten rund um eine Fahrschule, einen Taxi- und Busbetrieb 50 Mitarbeiter. Ihre Vorgesetzte war Margot Selz’ Mutter, die sich gemeinsam mit dem Vater auch um Steuer und Buchhaltung kümmerte.
Was die Tochter nicht nur früh an das Aufwachsen in einem Unternehmen gewöhnte („wir haben fürs Taschengeld immer etwas mitarbeiten müssen“) und an verschwimmende Grenzen zwischen Freizeit und Firma, sondern auch das Verständnis für weibliches Unternehmertum weckte. Dass Frauen erst seit 1969 in Deutschland rechtlich geschäftsfähig sind, hat Margot Selz kürzlich bei einer VdU-Tagung mitbekommen. Und den Sinn dieses Austauschs wohl einmal mehr zu schätzen gewusst.
Erschienen in der Ausgabe vom 03/16