Ute Schiffmann war Zahntechnikerin. Heute bearbeitet sie noch immer Oberflächen, die sind jedoch großflächiger, aber noch immer geht es um feinste Politur.
Von Katharina Müller
Sie ist eine Ausnahme in mehreren Hinsichten: Ute Schiffmann hat nicht nur mit 53 Jahren ihr eigenes Unternehmen gegründet, sondern damit auch eine Nische gefunden. Und sie bewegt sich in einem Bereich, der nicht nur verstärkt von Männern besetzt ist, sondern in dem es auch schon einige Betriebe zu geben scheint: Professionelle Autopflege, insbesondere für teure Schlitten wie Maserati, Ferrari, aber auch Oldtimer.
Manchmal spiele sie mit dem Klischee und scherzt darüber. Sie sagt dann, sie sei zuständig für „Lack und Leder“. Dann fügt sie ernsthaft hinzu, dass diese beiden Bereiche völlig unterschätzt seien.
„Viele wissen das nicht, sehen das ganze eher technisch. Aber Autolack kann man vergleichen mit menschlicher Haut, mit Poren oder mit Haaren.“ Auch hier seien es beispielsweise die Silikone, die keine positiven Auswirkungen haben. Es gebe unzählige Pflegeprodukte, aber auf viele könne man sich nicht verlassen. Auch wenn sie als silikonfrei deklariert seien, könne das keine Garantie sein. Die Hersteller zeichneten nur ab einem bestimmten Wert aus. Das Auge sehe das nicht, aber der Rost bilde sich so schneller. Während sie spricht, erinnert die Situation an einen Frisörbesuch, bei dem man erstmals über die Probleme herkömmlicher Haarshampoos aufgeklärt wird.
Ute Schiffmann ist vermutlich mehr vom Fach als viele Autolackierer von sich behaupten können. Sie ist nicht nur Expertin in Sachen Polieren, sagt sie, sie sei auch Spezialistin in Sachen Oberflächenbearbeitung: Polieren, Versiegeln, Pflegen. Kein Wunder, denn 25 Jahre lang hat sie als Zahntechnikerin Unebenheiten im Mikro-Bereich beseitigt, verschiedenste Ober-flächen akribisch bearbeitet, ausgebessert und feinste Poren beachtet – Polieren auf Quadratzentimetern. Autos liebte sie schon immer, und auch mit dem Wissen rund um die Lacke sowie mit der Pflege von Innenräumen beschäftigte sich die dreifache Mutter schon vor der Unternehmensgründung von V8, der Name ihrer Pflegewerkstatt.
Letztlich, so betont sie, habe sich auch nach dem Jobwechsel nicht viel verändert: Die Flächen seien eben größer geworden, aber auch hier könne jede Neigung, jeder Gradwinkel durch die Rotationsmaschine zu viel sein. Ein falscher Druck und schon gebe es Fehler in der Flächenstruktur. Eine perfektionistische Ader muss man offenbar schon mitbringen. Ute Schiffmann sitzt auf einem Bürostuhl, der aus rotem Leder besteht und von einem silberglänzenden Rahmen eingefasst ist. Nebenan in der Garage am neuen Firmensitz in March steht derzeit ein hochglänzender Ferrari, schneeweiß und ebenfalls mit einer Lederausstattung in Rot. Import aus Dubai. Am rechten Seitenspiegel, blitzblank geputzt, sind arabische Schriftzeichen zu erkennen.
Um keine Fingerabdrücke oder gar einen dünnen Fettfilm zu hinterlassen, fährt sie mit dem Handrücken über den Lack, die Fingerspitzen hat sie in die Handfläche gekehrt, die Nägel sind behutsam abgewendet von der edlen Oberfläche. Schmuck trägt sie aus diesen Gründen sowieso nie. Weich, fast samtig ist die Außenhaut des Superschlittens, sogar die hellste und feinste Eierschale muss sich dagegen anfühlen wie Schmirgelpapier.
Mit ihrem alten Job machte sie 2014 „einen Cut“, weil es im Bereich Zahntechnik schwieriger geworden war. Sie sagt „ausländische Märkte drückten zu sehr rein“, die Ansprüche an die Qualität der Materialien sank, ebenso die Bereitschaft, für gute Arbeit auch einen angemessenen Lohn zu bezahlen. Der Zufall wollte es, dass sie innerhalb von drei Monaten ein eigenes Unternehmen gründete: Das Inventar übernahm sie von einem gerade geschlossenen Lackierbetrieb, alles andere stemmte sie aus eigenen Mitteln. Angesprochen wurde sie vom damaligen Inhaber, weil ihr eigenes Auto auf einem Parkplatz so sehr leuchtete, dass er sie als Mann vom Fach direkt darauf ansprach. Heute hat sie einen eigenen vielseitigen Kundenstamm.
Oldtimerbesitzer schätzen ihren Service, bei dem nur Handwäsche erlaubt ist, ebenso der ein- oder andere Maserati-Fahrer der neuesten Modellgeneration. Aber auch das Familienauto wie ein VW-Bus wird nach dem Urlaub zu ihr gebracht, „wenn Kinder zum Beispiel allen Sand im Auto und das Eis auf der Rückbank verteilt haben“, sagt sie. Es spreche sich recht schnell herum, wenn jemand seinen Job gut mache. Erst recht, wenn es eine solche Nische sei mit Liebhaberstücken. Je nach zusätzlichen Leistungen und Absprachen, was zu pflegen ist, bezahlen Kunden ganz unterschiedliche Beträge. Abhängig von der Größe des Autos. Angefangen bei rund 50 Euro Stundenlohn für Lederpflege und Motorwä-sche bis hin zum Grundpacket, das 200 oder 300 Euro kosten kann, wenn es an aufwendigere Arbeiten wie Tiefenreinigung oder Versiegelung geht.
Ihr Anspruch sei, die Kunden zu begleiten, sie bestmöglich zu beraten. Und sie gebe Laien oder Auto-Neukäufern ohne solch ein spezielles Wissen stets Ratschläge. Gerade bei sehr hochklassigen Neuwagen beispielsweise sollte man die Widerstandsfähigkeit der Außenhaut gegen Schmutz und Rost stärken, jedenfalls, wenn man das Auto lange behalte wolle. Autos, die vom Werk kommen, seien extrem anfällig, „da sollte man dann gleich ran“, betont sie. „Das Fahrzeug ist einer der kleinsten, persönlichsten und am häufigsten genutzten Räume. Jeder hat da seine Werte und Vorstellungen und darauf muss die Pflege angepasst sein. Es ist meine Aufgabe, das heraus zu finden“. Ob der Kunde nur alle drei Jahre lackiert haben wolle, nur innen geputzt, oder auch außen und mit Felgen und Rohren. Ein anderer kann das dann schon wieder übertrieben finden.