Beim größten Arbeitgeber Hausachs, Neumayer Tekfor hat vorerst ein Gläubiger das Sagen. Ein wenig klingt es nach einem komplizierten Sorgerechtsfall: Die Adoptivmutter wohnt in Indien und kümmert sich nicht gut um ihr erwachsenes Kind, das in Deutschland lebt.
Von Philipp Peters
Der Vater lebt auch nicht in Deutschland, zahlt aber fleißig Unterhalt. Aber zu sagen hat er nichts. Bis es ihm eines Tages zu bunt wird und er die Mutter per Gerichtsbeschluss entmündigen lässt. So ähnlich ist es jetzt bei Amtek Tekfor gelaufen, dem größten Arbeitgeber von Hausach.
Was ist passiert? 1942 gründet Erich Neumayer eine Dreherei. Sein Name prägt auch den Aufstieg des Unternehmens, das zu einem mittelständischen Industrieunternehmen heranwächst. Heute erlöst Tekfor als Autozulieferer mit Präzisionsbauteilen für Motor und Getriebe in Hausach mit 700 Mitarbeitern einen Umsatz von 125 Millionen Euro. Weltweit hat das Unternehmen sogar 3300 Beschäftigte. Doch auf die behütete Jugend folgt die Krise. 2012 geht das Unternehmen in eine Schutzschirminsolvenz. Im März 2013 wird es an die indische Amtek-Gruppe verkauft.
Doch mit der neuen Mutter wird es nicht besser. Immer wieder gibt es finanzielle und strukturelle Schwierigkeiten. Insider sagen: Die Inder hätten sich nicht gut um ihr Adoptivkind gekümmert. Zuletzt waren Sonderzahlungen an die Mitarbeiter, etwa Weihnachts- und Urlaubsgeld, mehrfach verschoben worden. Bis es im April schließlich frisches Geld gab.
An dieser Stelle wird das Bild vom Sorgerecht unscharf. Denn der Geldgeber ist nicht der geistige Vater des Unternehmens oder einer seiner Nachfahren, sondern ein großer, amerikanischer Finanzinvestor: KKR. Assets über 40 Milliarden US-Dollar haben die New Yorker in ihren Büchern. Sie sind Investoren. Und die produzieren keine Bauteile für Autos. Sie machen Geld.
Bei Tekfor hat KKR bereits einiges investiert. Und nicht nur dort. Die Werksleitung in Hausach bestätigt, dass KKR ein langjähriger „Finanzierungspartner“ sei. KKR hat der Amtek Gruppe nicht einen, sondern mehrere Kredite gegeben. Es geht ohne Frage um Millionenbeträge. Weil Amtek seine deutsche Tochter immer mehr an den Rand des Abgrunds treibt, ist KKR nun in Singapur vor Gericht gezogen. Dort wurde ein sogenanntes Receivership-Verfahren eingeleitet. Es hat den Zweck, die Einlagen von Investoren oder Gläubigern zu schützen. Ein sehr anlegerfreundliches Verfahren, wie es im deutschen Recht nicht vorgesehen ist. Wohl aber in der Bankenmetropolregion Singapur.
De facto gehört Tekfor immer noch Amtek. Die Inder haben quasi auch noch das Sorgerecht. Sie sind nicht von ihren Pflichten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten entbunden. Sie dürfen nur nichts mehr entscheiden. Das Sagen hat jetzt KKR, weil es wohl um zu viel Geld geht. Der genaue Betrag ist ein gut gehütetes Geheimnis.
Fest steht aber auch: Tekfor will öffentlich nicht mehr mit Amtek in Verbindung gebracht werden, betont immer wieder seine Unabhängigkeit. Den Namen hat man bereits abgelegt. E-Mail-Signaturen wurden geändert, Anrufbeantworter neu besprochen. Es mag auch zynisch klingen, aber die Scheidung ist ein Glücksfall für Hausach. Denn von anderer Stelle gab es keine Hilfe. Mindestens drei deutsche Töchter von Amtek sind zahlungsunfähig: die Amtek Küpper Group aus dem Bergischen Land, Rege Motorenteile aus Thüringen und auch die Amtek Technologies GmbH aus Frankfurt. Im Kinzigtal kommt man wohl mit dem Schrecken davon.
„Ich bin erleichtert“, sagt denn auch Betriebsratschef Wolfgang Breig. Auch weil er großes Vertrauen zu dem Mann hat, dem in Hausach die Zukunft gehört. Der bisherige Chief Sales Officer Manfred Vogel ist zum Geschäftsführer aufgestiegen. An seiner Seite waltet noch ein von KKR geholter Interimsmanager. KKR besteht darauf, dass es aktuell nur Kreditgeber von Tekfor ist – nicht Gesellschafter.
Ob es bei der Rolle bleibt, ist offen. Wahrscheinlich ist zwar, dass KKR in naher Zukunft vom Kreditgeber zum Eigentümer von Tekfor wird. Endgültig entschieden ist jedoch noch nicht, wer das Kind bekommt.