Einen Namen hat sich Bahlingen am Kaiserstuhl in der Region unter anderem durch seinen Fußballverein gemacht. Es ist aber auch eine Gemeinde mit Erweiterungsbedarf für Familien und Unternehmen.
Von Daniela Frahm
Der Oberligist Bahlinger SC, der auch schon in der Regionalliga gespielt hat, lockt vor allem mit dem jährlichen Kaiserstuhl-Cup tausende Zuschauer an. Zugpferd ist dabei allerdings der SC Freiburg. Der Verein spielt auch eine wichtige Rolle, wenn es um die zukünftige Entwicklung der 4250-Einwohner-Gemeinde geht. Es gibt Überlegungen, die Sportanlage an den Ortsrand zu verlegen und das frei werdende Gelände für Wohnbebauung zu nutzen.
Der Druck auf dem Freiburger Wohnungsmarkt macht sich – wie im gesamten Umland – auch in Bahlingen bemerkbar. Durch den Halbstundentakt der Breisgau-S-Bahn ist der Kaiserstuhl-Ort unter anderem für Familien attraktiv, die aus Freiburg wegziehen wollen, weil sie ein Eigenheim suchen oder bauen wollen.
„Wir haben keine eigenen Bauplätze mehr“, sagt Bahlingens Bürgermeister Harald Lotis. Das brachte ihn und seine Verwaltung auf die Idee, über eine Verlegung des BSC-Sportplatzes nachzudenken. Rund um den Ort gibt es wegen der Naturschutz- und Vogelschutzgebiete ein Bau- und Planungsverbot für Wohnen und Gewerbe. Das ist in der Hochwassergefahrenkarte so ausgewiesen. Ein Sportplatz könnte auf der Überschwemmungsfläche hingegen gebaut werden.
Aus Sicht von Lotis hätte das sehr viele Vorteile. Zum einen liegt das Kaiserstuhlstadion inzwischen mitten im Ort und nicht mehr wie früher am Rand. Der Sportbetrieb habe sich deutlich erhöht und damit auch die Belastung der Anwohner durch Lärm und Verkehr. „Der Verein könnte ein modernes Sportgelände nördlich des Gewerbegebiets bekommen und wir könnten uns baulich gut entwickeln“, so Lotis.
Außerdem gehören die 4,3 Hektar des derzeitigen BSC-Geländes bereits der Gemeinde, was die Planungen und die Erschließung deutlich vereinfachen würde. Die ehemalige Bauschuttdeponie unter einem der Plätze wird derzeit schon untersucht, und die ersten Ergebnisse lassen darauf hoffen, dass dort keine gravierenden Altlasten lagern. In frühestens zwei Jahren könnte das Projekt laut Lotis begonnen werden, „wenn die Finanzierung klar ist“.
Deutlich schneller wird es im Südwesten von Bahlingen gehen, wo drei neue Baugebiete entwickelt werden. Nach dem Beschluss des Gemeinderats Anfang dieses Jahres werden in „Erlenmatten II“, „Speicher“ und „Unterriesen“ mehr als 70 Grundstücke erschlossen.
Der Bürgermeister ist „guter Dinge, dass wir in einem der Gebiete nächstes Jahr mit der Erschließung beginnen können“. Die Flächen sind teilweise in Privatbesitz und gehören zum anderen Teil der Gemeinde. Vorwiegend sollen Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser gebaut werden, es ist aber auch Geschosswohnungsbau durch Bauträger geplant. „Wir werden die Probleme mit diesen Gebieten aber nicht vollumfänglich lösen“, weiß Lotis. In den vergangenen Jahren ist die Einwohnerzahl in Bahlingen kontinuierlich gewachsen.
Im Gewerbebereich hat Bahlingen hingegen keine Möglichkeiten mehr, auf die Nachfrage und den Erweiterungsbedarf ansässiger Firmen zu reagieren. „Es stehen keine Gewerbebauplätze zur Verfügung“, heißt es auf der Webseite der Gemeinde. Firmen wie Braunform, Dinger Stone und Krumm Tec sind deshalb schon mit ihren Erweiterungen nach Endingen ausgewichen. „Das ist auf jeden Fall ein Problem“, gibt Lotis zu. Vor allem für die Mitarbeiter sei es aber positiv, dass sie wenigstens in der Nachbarschaft geblieben sind.
Rund 1500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt es in Bahlingen, der Großteil davon arbeitet im produzierenden Gewerbe. Die Männer Group und Braunform sind mit über 400, beziehungsweise über 300 Mitarbeitern die größten Arbeitgeber, danach folgt bereits die Gemeinde mit etwa 90 Mitarbeitern.
Die Braunform GmbH, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Firmenjubiläum feiert, gehört europaweit zu den führenden Herstellern für Spritzgießformen und Reinraumprodukte. 2012 wurde beschlossen, den Unternehmsbereich Kunststoff- und Pharmaproduktion nach Endingen zu verlagern. Durch die Tochter der Firmengründer, Pamela Braun, ist die Familie weiter in der Chefetage des Unternehmens vertreten, das sich mit seiner hohen Ausbildungsquote rühmt: 13 Prozent, doppelt so viel wie in der Branche üblich. Sie würden in acht verschiedenen Berufen für den eigenen Bedarf ausgebildet. 2014 und 2017 wurde Braunform mit dem „Top Job“-Award durch das Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen als einer der besten Arbeitgeber im deutschen Mittelstand ausgezeichnet.
Nicht mehr familiengeführt ist mittlerweile die Otto Männer GmbH, die 1965 von Otto und Christel Männer in Bahlingen gegründet wurde.
2013 wurde die Firma von der amerikanischen Barnes Group gekauft, sie heißt jetzt Männer Solutions for Plastic und hat weltweit 500 Mitarbeiter. Sie entwickelt und fertigt Produktionslösungen für Kunststoffteile im Spritzgießverfahren, unter anderem für Pharmafirmen. Beim Verkauf an Barnes habe es zunächst Bedenken gegeben, erinnert sich Lotis, „aber die Firma hat sich positiv entwickelt und mehr Mitarbeiter als früher“.
Auf eine gute Geschäftsentwicklung kann auch das Familienunternehmen Maier Küchen zurückblicken, das in der zweiten Generation von Martin und Mike Maier geführt wird und 60 Mitarbeiter beschäftigt. Nach eigenen Angaben produziert es im Jahr rund 1000 Küchen, macht damit mehrere Millionen Euro Umsatz und ist der größte Küchenhersteller mit Direktvertrieb am Südlichen Oberrhein.
Das Unternehmen feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen und ist dabei, sich national und international neue Märkte zu erschließen, zum Beispiel als Objekteinrichter. Deshalb werden in den Bereichen Schreinerei, Maschinenführung und Vertrieb auch Mitarbeiter gesucht.
Auch eine der größten Veranstaltungen in Bahlingen, der Wintermarkt, wurde zunächst bei Maier Küchen gestartet und später unter die Regie des Gewerbevereins gestellt, bei dem Mike Maier zweiter Vorsitzender ist. Die 20. Ausgabe in diesem November soll allerdings die vorerst letzte sein, weil kaum noch Betriebe aus dem Ort teilnehmen. Im vergangenen Jahr kamen von 30 Ausstellern nur noch sieben aus Bahlingen, der Rest aus Eichstetten, Teningen und Nimburg. Jetzt soll ein neues Konzept erarbeitet werden, außerdem will sich der Verein Handel & Gewerbe künftig am Hoselipsfest beteiligen, das alle zwei Jahre von den Bahlinger Vereinen ausgerichtet wird. In diesem Jahr wird vom 8. bis zum 10. September in den blumengeschmückten Höfen rund um das Rathaus gefeiert.
Mit dem Gewerbeverein ist der Bürgermeister im regelmäßigen Austausch und auch mit dem Gemeinderat gab es kürzlich ein Zusammentreffen, das wiederholt werden soll, damit die Gewerbetreibenden ihre Anliegen vortragen können. Dass es schwierig ist, den Wintermarkt in seiner bisherigen Form weiter zu führen, hat Lotis nicht überrascht. Dazu gebe es in Bahlingen zu wenig Einzelhandel. Er ist deshalb froh, dass der Edeka-Markt am Ortseingang weiter besteht und aufgrund einer Ausnahmeregelung erweitert werden durfte. Bei einem Ort in der Größe Bahlingens dürfte die Verkaufsfläche eigentlich höchstens 800 Quadratmeter betragen, die dem Vollsortimenter allerdings nicht ausgereicht haben. Da das Geschäft schon bestand, durfte es vor ein paar Jahren auf 1400 Quadratmeter erweitert werden.
Der Edeka ist der einzige Lebensmittelladen in Bahlingen. „Aber die Hofläden helfen uns da auch weiter“, sagt Lotis, „Lebensmittel direkt vom Produzenten sind gerade in der jetzigen Diskussion schließlich sehr gefragt.“ Außerdem gibt es noch einen Fleisch- und Wurstverkauf am Schlachthof Ernst.
Für den Textilhandel ist Bahlingen hingegen ein schwieriges Pflaster, weil die Laufkundschaft fehlt. Es gibt vor allem einige Spezialgeschäfte wie Céleste Brautmoden. Hochzeitspaare fahren auch längere Strecken, um sich für ihren besonderen Tag auszustatten. Ein weiteres Textilgeschäft lebt vor allem von seiner treuen Stammkundschaft. Ansonsten fahren die Bahlinger nach Freiburg, Emmendingen und Endingen, wenn sie shoppen gehen wollen.
Wer Wein einkaufen will, hat hingegen mehrere Möglichkeiten. Neben den Winzern vom Silberberg, die seit 2011 zur Ersten Markgräfler Winzergenossenschaft Schliengen-Müllheim gehören, gibt es zehn weitere Weingüter. In der Genossenschaft kriselt es allerdings heftig. Weil die Auszahlungspreise stark zurückgegangen sind, haben sich einige Winzer von der Genossenschaft abgewendet und gekündigt. Das sind aber nicht die einzigen Probleme im Weinbau. „Leider haben wir einen Rückgang an Rebfläche“, berichtet Lotis. Die meisten Flächen würden im Nebenerwerb bewirtschaftet, deshalb würde sich das für immer mehr Winzer nicht mehr rechnen. Außerdem seine einige Flächen wegen ihrer Lage nur schwer zu bewirtschaften. Die Gemeinde will deshalb bessere Bedingungen schaffen, beispielsweise durch Flurbereinigungen, die auch vom Land Baden-Württemberg bezuschusst werden.
Für den Bürgermeister ist das nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, sondern es trage auch zum Erholungswert der Landschaft bei. Und diese ist ein Hauptgrund für Wanderer und Radfahrer, an den Kaiserstuhl zu kommen.
Eine klassische Tourismus-Gemeinde ist Bahlingen allerdings nicht. Es gibt mit dem Landgasthöfen „Zum Lamm“ (34 Zimmer) und „Zum Hecht“ (9 Zimmer) nur zwei Hotels, der Rest sind Ferienwohnungen und Privatunterkünfte. Trotzdem zählte die Gemeinde im vergangenen Jahr 16.300 Übernachtungen. Der Verein Touristik Bahlingen, der nur die Ferienwohnungen und Privatzimmer auswertet, berichtet von einer leicht sinkenden Zahl an Gästeankünften (minus 1,4 Prozent), dafür aber einer steigenden Zahl an Übernachtungen (plus fünf Prozent). Die Gäste bleiben also länger im Ort, in Ferienwohnungen durchschnittlich knapp sieben Tage, in Privatzimmern 2,2 Tage.
Ein Zuwachs an Gästebetten ist in nächster Zeit nicht zu erwarten. „Wir haben zwar stabile Gästezahlen, aber sie sind nicht wachsend“, erklärt Lotis. Unter diesen Voraussetzungen sei es schwer für Investoren aus dem Gastro- oder Hotelbereich an Geld zu kommen. Auch aus einer Feriensiedlung beim ehemaligen Gasthaus Silberbrunnen oberhalb von Bahlingen wird erst mal nichts. Leonhardt-Immobilien aus Riegel hat die Grundstücke an Christian Schnürle von der CDS Dienstleistungsgruppe verkauft und der neue Eigentümer hat bereits angekündigt, dass in den kommenden Jahren dort nichts gebaut wird, zumal das Gelände abwassertechnisch noch gar nicht erschlossen ist. Derzeit gibt es nur einen kleinen Biergartenbetrieb neben dem baufälligen ehemaligen Hotel. „Es wäre super, wenn an dieser schönen Stelle etwas Neues entstehen würde“, sagt Lotis. Zu viele Hoffnungen darauf macht er sich derzeit aber nicht.