In der stillgelegten Traditionskneipe „Grünhof“ werden am Freiburger Innenstadtrand die jungen Gründer der Region seit vier Jahren mit Rat und Tat vernetzt. So erfolgreich, dass gemeinsam mit der städtischen Wirtschaftsförderung und Geldern vom Land jetzt der nächste Schritt gegangen wird – der Kreativpark in einer alten Güterbahnhofshalle startet im kommenden April.
Von Rudi Raschke
Die Anfänge illustriert am besten vielleicht die schlichte Zeichnung auf der Website von einem der frühen Projekte: Eine Rakete mit der Aufschrift „Grünhof – Gründungskultur“ trifft im Weltall auf einen Astronauten, der mit lachendem Gesicht sagt: „Houston, wir haben eine Lösung!“ Die Idee damals: Mit dem Programm „Ökonauten“ sollte Ideen aus dem Nachhaltigkeitsbereich die Möglichkeit eines erfolgreichen Startups gegeben werden. Mit Stipendien, Sponsoren, Trainern und Mentoren.
Vor der Eröffnung der Raketenbasis an der Belfortstraße standen die beiden Betreiber Martina Knittel und Hagen Krohn eigentlich selbst vor der Gründung eines Startups. Beide waren in der Schweiz sowohl bei entsprechenden Gründungen als auch in Gründungszentren aktiv gewesen und wollten in Freiburg neue Ideen verwirklichen, bei Martina Knittel ging es um einen Cider, also Apfelwein, aus Fallobst.
Worum es dann aber viel mehr ging: Es war schwer, hierfür einen Platz zu finden. „Es gab keinen Ort, wie wir ihn selbst gebraucht hätten“, erinnert sich Knittel. Das Glück brachte sie an den Vermieter des „Grünhofs“. Das Haus war jahrzehntelang eine Schnitzel-Institution in der Stadt gewesen, der Wirt namens „Schreiber-Fritz“ brachte sowohl das Bürgertum wie die ausgehfreudige Szene der Nachbarschaft unter einem Dach zusammen, selbst Starkoch Paul Bocuse und Winzer wie der alte Franz Keller schauten auf robuste Platten mit Paniertem vorbei, wenn sie in der Stadt waren.
Nach der Aufgabe von Schreiber scheiterten sowohl der Versuch einer unauffälligen Fortführung als auch der einer Renaissance im Neo-Schwarzwald-Stil, weshalb das ganze Ecklokal samt Nebenzimmer leer stand. Das Glück wollte es, dass der Vermieter keine weiteren Kneipenexperimente, sondern etwas Innovation unterstützen wollte.
Worauf die Gründung von Knittel und Krohn nicht zu einem eigenen Unternehmen, sondern zu einer Meta-Gründung wurde: Ein Raum für Freischaffende auf der Suche nach günstiger Infrastruktur und ein Ort, an dem Leute gut gründen können, um erfolgreich weiterziehen zu können.
Der „Grünhof“ war als Gründerzentrum von Beginn an auch ein sozialer und kultureller Ort. Kein abgedunkelter Schauplatz für Programmierer, aber auch keiner, in dem wie andernorts in der Stadt die Macher eines Pharma-Clusters vor sich hin tüfteln. Stattdessen ein offenes Café, eine Theatergruppe, soziale Projekte, Tanzveranstaltungen.
Auf diese Weise wurden Firmen aus der Taufe gehoben, die zur Stadt passen: Modelabels, die mit visuellen Botschaften Gutes tun („Less to late“), Algorithmen, die Carsharing-Anbietern helfen („Geospin“), Anhänger für Lastenräder („Cala Cargo“) oder die Direktvermarktung von regionalem Fleisch an Online-Besteller („Cowfunding“, netzwerk südbaden berichtete).
Das sind möglicherweise nicht zwingend Startup-Themen, in denen Investoren für das nächste „Zalando“ Schlange stehen, aber darum geht es im Grünhof auch nicht. Der Laden ist in seinem inneren Aufbau und seiner äußeren Darstellung nach vier Jahren soweit, dass die wichtigen Netze Freiburg-like geknüpft sind: Mit Forschungseinrichtungen und Industrie-Unternehmen, die fördern und kooperieren, mit Stadt und Land. Im Übrigen auch mit der badenova, die ebenfalls Startup-Annehmlichkeiten in Breisach eröffnet hat.
Für etablierte Unternehmen sind Startup-Themen nicht nur ein Innovationstreiber, deutet Knittel an. Sie sind auch ein Impulsgeber für die Unternehmenskultur. Ähnlich wie die „Great place to work“-Erhebung liegt beispielsweise in der Einrichtung von Büros und Kreativzellen abseits des Hauptstandorts auch ein Attraktivitätsgewinn. Als Partner stellen Unternehmen gegenüber kleineren Neulingen so etwas wie ein Scharnier zum Markt dar, gerade Uni-nahe Gründungen kämen oft erst spät in Kontakt mit der Industrie, sagt Knittel.
Mit dem „Smart Green Accelerator“ können mit Landes- und städtischen Zuschüssen in Höhe von 750.000 Euro nunmehr nachhaltige Unternehmen aus zehn Bereichen, darunter Umwelttechnik, Ressourceneffizienz, Bauen, aber auch Mobilität und Ernährung sowie Tourismus und Lifestyle gefördert werden. Mit einem klar festgelegten Plan von der Aussaat- („Seed“) bis zur Wachstumsphase. Und mit viel Experten-Austausch, auch mit der Startup-Hochburg Tel Aviv. Damit sollen Gründer aus ganz Deutschland angelockt werden, sagt Martina Knittel, „Freiburg allein reicht da nicht aus.“
Stattliche 20 Unternehmen können dieses Jahr noch säen und bis 2019 ihr Marktreife erlangen. Dafür wird auch der „Grünhof“ ein weiteres Wachstum erleben: Im April wird er in Kooperation mit der FWTM die alte Lokhalle als Kreativpark in Betrieb nehmen.
Wie bei der einstigen Kneipe findet auch hier die Rettung einer schon länger nur teilgenutzten Immobilie statt: Die mehr als 100 Jahre alte Halle im Besitz der Freiburger Bauträger Lars Bargmann und Frank Böttinger findet nach über zwei Jahrzehnten sporadischer Bespielung nun eine neue industrielle Identität. Im Mittelschiff wird ein Park aus alten Übersee-Containern errichtet, in dem nicht nur die „Smart-Green“-Gründer ihre standesgemäße Heimat finden. Auch für das gemeinschaftliche Arbeiten im Coworkingspace steht Platz zur Verfügung, denkbar für jene freien Kreativen, die sich in den „Grünhof“-Jahren nun eine agenturähnliche Struktur gegeben haben. In weiteren Bereichen finden sich Gemeinschaftseinrichtungen und auch Platz für Unternehmen, die abseits des Firmensitzes andere Strukturen erproben können.
Aktuell werden die Preise für die Mieten finalisiert. Martina Knittel wünscht sich, dass ein professionelles Netzwerk zu erschwinglichen, aber nicht Billigst-Konditionen, Einzug hält. Mit Blick auf ihre eigene Schweiz-Erfahrung wissen sie und Hagen Krohn, dass Startups hier mit weniger Geld und längeren Anlaufzeiten rechnen müssen.
Der „Grünhof“ am angestammten Ort wird sich durch die Lokhallen-Nutzung ebenfalls runderneuern, neue Mieter werden zu der Gemeinschaft stoßen, die bereits vorgemacht hat, was die Lokhalle hoffentlich noch vor sich hat: ein Ort der Entwicklung, der in der Stadt legitimiert und vernetzt ist – mit kreativem Flair hinter offenen Türen.