Seit Anfang Oktober ist es bekannt: Die beste neue Bar Deutschlands, Österreichs und der Schweiz kommt aus Freiburg. Aber nicht nur diesen Titel konnte die Bar „One Trick Pony“ (OTP) bei den diesjährigen Mixology Bar Award in Berlin einheimsen.
Der beste Mixologe, Jan Jehli, steht hier ebenfalls hinter dem Tresen und auch die Barkarte darf offiziell den Titel „Barkarte des Jahres“ tragen. Nicht nur deren Aufmachung ist Grund dafür, sondern auch der Inhalt. Ein Blick in die Karte verrät: es hat sich einiges getan in der Cocktailschule.
Alte Traditionen und neue Innovationen machen Brände aus Baden-Württemberg zu echten Geschmacksverstärkern: Wer hier nach einem süßen Fruchtlikör-Cocktail mit 50 Prozent Saftanteil und Schirmchen-Deko sucht, der kann das lange tun. Stattdessen finden sich aufwändige, eigens kreierte Cocktailkreationen. Darunter auch einige, die mit hochwertigen Bränden aus der Region gemixt werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen Obstbränden ein angestaubtes Absacker- oder Verreißerle-Image anhaftete.
In angesagten Gastronomiebetrieben stehen Branntweine aus Baden-Württemberg längst nicht mehr nur auf der letzten Seite der Getränkekarte. „Mit einem intensiven Obstbrand kann man bei einem Cocktail eine neue Fruchtigkeit erzeugen, mit der man viel variabler arbeiten kann als nur mit Saft“, erklärt Andreas Schöler, der neben Boris Gröner einer der Geschäftsführer des One Trick Pony ist.
Die angesagte Barszene brennt für gute Brände. Baden-Württemberg hat hier ganz schön was zu bieten. Domenico Termine setzt sich mit der Schwarzwald Bar Brigade schon seit 2011 dafür ein, regionale Spirituosen bekannt zu machen und ihnen durch angesagte Drink- Kreationen ein neues, sogar internationales Image zu verpassen. Im Oktober erschien jüngst das erste Buch, das der 43-Jährige zusammen mit Roman Koffer, Inhaber der Bar „Der Kofferraum“ in Karlsruhe, und dem Ulmer-Verlag herausgebracht hat. „Brand neu gemixt“ heißt das Werk, das sich ausschließlich mit Cocktails beschäftigt, die mit Likören und Bränden aus Baden-Württemberg gemixt werden.
Ausgewählte Brenner und Brennereien, aber auch Faller-Konfitüren, Craft-Biere und Schwarzwalds berühmtester Gin, der Monkey 47, werden in dem Buch vorgestellt – immer mit der passenden Kreation. „Die Barszene ist ein wichtiges Sprachrohr für Brände und Liköre“, so Termine.
„Hier wird der Gast oftmals auf ein Produkt aufmerksam, das er später kauft, sich zu Hause in die Bar stellt und seinen Freunden weiterempfiehlt.“ Auch Philipp Schladerer, der die Alfred Schladerer Hausbrennerei in Staufen in sechster Generation betreibt, empfindet das Zusammenspiel mit der Barszene und seinen Produkten als gewinnbringendes Doppel: „Es ist einfach so, dass die handwerkliche Tiefe und die Reinheit den Obstbrand für den Einsatz im Longdrink und Cocktail geradezu prädestinieren. Die Barszene ist für uns aber auch relevanter Gradmesser für Trends in der Gastronomie.“ Und der Trend geht vermehrt zu dem Wunsch nach einem regionalen Absender, bewahrter Tradition und der Verwendung von natürlichen, qualitativ hochwertigen Rohstoffen.
Dass die Brände aus unserer Region etwas auf dem Kessel haben, zeigen daher nicht nur die gold-, silber- oder bronzefarbenen Prämierungen, die sie schmücken, sondern das verrät auch die lange Geschichte, die hinter diesem Handwerk steckt. Das Brennen in kleinen Brennereien hat in Süddeutschland eine über 200-jährige Tradition. Bei Schladerer, die wohl mit zu den bekanntesten Hausbrennereien unserer Region zählt, werden seit 1844 die Brennkessel befeuert.
Aber auch die besagten hochwertigen Rohstoffe, die für einen guten Edelbrand benötigt werden, wachsen bei uns direkt vor der Haustüre. Das hat nicht nur Qualitäts- und Handelsvorteile. Die Klein- und Obstbrenner verarbeiten überwiegend Obst von Streuobstwiesen und ermöglichen somit den Erhalt einer uralten Kulturlandschaft. Allein in Baden- Württemberg gibt es etwa 180.000 Hektar Streuobstwiese. „Wir haben hier im Ländle ein riesiges Füllhorn an Früchten. Nirgendwo anders in der Republik gibt es so eine Vielfalt. Dieses Potential muss man voll ausschöpfen und nach außen transportieren“, sagt Florian Faude.
Mit „Faude feine Brände“ hat sich der junge Brenner aus Bötzingen in elf Jahren national einen Namen gemacht und seine Produkte stehen in Szenebars und der Spitzengastronomie. Nicht nur die Tradition schafft Gutes, sondern es sind gerade die Jungen, die den Markt stark vorantreiben. „Brände bekommen mehr und mehr ein größeres Ansehen. Davon profitieren alle Obstbrennereien, ob klein oder groß“, so Faude. „Was hinzukommt, ist das Wissen, das sich stark geändert hat. Jüngere Brenner gehen zur Schule und lernen das Obstbrennen. Die Qualität wurde so im Durchschnitt deutlich besser.“ Und Qualität zahlt sich am Ende aus.
Ein neuer Wind aus alter Tradition, ambitionierten Brennern, kreativen Gastronomen und wachsendem Bewusstsein an regionalen Produkten verschafft den Bränden aus Baden-Württemberg gerade ordentlichen Aufrieb. Das hat unter anderem zur Folge, dass eine Verjüngung des Produktes im Allgemeinen stattfindet und neue, innovative Erzeugnisse entstehen. Florian Faude beweist das mit seinem Gurken-, Rote-Beete- oder Fichtensprossen- Geist. Und auch das Traditionshaus Schladerer reagiert auf den jungen Markt, serviert längst nicht mehr nur alte Klassiker und nutzt auf Messen wie dem Bar Convent Berlin die Möglichkeit, seine Brände auch durch Cocktailkreationen einer jüngeren Zielgruppe zu präsentieren. Diese schlürft dann auch in Freiburgs preisgekrönter Bar, dem One Trick Pony, genüsslich einen „Bee Man‘s Hive“ oder eine „Blue Widow“, denen regionale Brände ihren einzigartigen Geschmack verleihen.