Seit dem 1. August besitzt das internationalen Anwältenetzwerk Advant Beiten eine Niederlassung in Freiburg. Das sorgt in der Rechtsbranche immer noch für Aufsehen, zumal damit auch ein Wechsel zahlreicher namhafter Juristen einer Freiburger Kanzlei einherging. Ein Gespräch mit Barbara Mayer und Jan Barth, die zwei von ihnen sind.
INTERVIEW: RUDI RASCHKE
Frei nach Alfred Hitchcock: Sie sind mit einem Erdbeben gestartet, um sich langsam zu steigern. Wie kam es zum vielbeachteten Wechsel einer großen Zahl renommierter Freiburger Anwälte in die weltweit vertretene Kanzlei Advant Beiten?
Mayer: Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Denn schließlich haben vor allem Gerhard Manz und ich viele Jahre bei Friedrich Graf von Westphalen und der Vorgängerkanzlei gearbeitet und die Entwicklung der Kanzlei auch maßgeblich mit geprägt. Aber in den letzten Monaten haben wir zunehmend den Eindruck gewonnen, dass unsere bisherigen Kollegen nicht hinreichend bereit sind, in die Zukunft der Kanzlei zu investieren. Das betrifft die Einstiegsgehälter von jungen Anwältinnen und Anwälten, aber auch Investitionen in IT, Finanzen und Marketing. Im Januar 2022 sind die beiden Partner Gerhard Manz, Jan Barth und ich zu dem Entschluss gekommen, dass die mangelnde Investitionsbereitschaft für die Zukunft der Kanzlei problematisch ist. Wir haben uns dann über Alternativen Gedanken gemacht. Zunächst waren wir zehn Anwältinnen und Anwälte; seit wir unsere Entscheidung publik gemacht haben, sind noch vier Kollegen dazugekommen, sodass wir das neue Büro von Advant Beiten mit 14 Anwältinnen und Anwälten gestartet haben.
Was hat letztlich den Ausschluss dafür gegeben, in ein Netzwerk einzusteigen, statt selbstständig zu gründen?
Barth: Unser Schwerpunkt ist die Beratung im Wirtschaftsrecht, das heißt wir begleiten Unternehmen bei ihren Projekten in aller Welt. Dieser Anspruch – Full Service in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts und globale Unterstützung – lässt sich mit einer auf Freiburg beschränkten Kanzlei nicht aus dem Stand darstellen. Wir brauchen exzellente Partner in aller Welt. Die fi ndet man als große deutsche Kanzlei sehr viel leichter im Vergleich zu einer kleinen Kanzlei aus Freiburg. Und wir brauchen eine gute Infrastruktur, innerhalb derer wir arbeiten können. Auch das lässt sich besser bewerkstelligen, wenn 250 Anwälte zusammenarbeiten, als wenn wir uns als Team von 10 bis 15 Personen in Freiburg selbstständig machen würden. Advant Beiten erfüllt diese Voraussetzungen in hervorragender Weise. Unsere Integration hat uns beispielsweise vor Augen geführt, wie großartig die Unterstützung durch eine richtig gute IT-Abteilung funktionieren kann.
Freiburg ist nach Einwohnerzahlen bei weitem der kleinste Standort zwischen Peking und Brüssel: Welche Chancen sehen Sie hier, welche Klientel, gerade in einer überschaubaren Unternehmenswelt? Inwieweit spielt auch die Grenznähe eine Rolle? Wer sind Ihre Mandanten?
Barth: Unsere Mandanten sind überwiegend international ausgerichtete größere Mittelständler, also von Unternehmen wie der Haufe Group, Herder, Jobrad, Duravit, Endress+Hauser, Testo, Pyramid über Zahoransky, Meiko, Mesa Parts bis hin zum Schwäbischen Verlag. Diese Unternehmen aus der Region zwischen Karlsruhe und Bodensee machen etwa ein Drittel unseres Umsatzes aus. Ein weiteres Drittel kommt von Unternehmen aus ganz Deutschland. Und das dritte Drittel sind Unternehmen aus dem Ausland, die über befreundete Anwaltskanzleien oder andere Kontakte zu uns kommen, um sich beraten zu lassen.
Wir neigen alle dazu, unsere Region zu unterschätzen
Jan Barth, Advant Beiten, Freiburg
Wir neigen alle dazu, unsere Region zu unterschätzen. Das liegt daran, dass es sich bei den meisten erfolgreichen Unternehmen um „Hidden Champions“ handelt, die teilweise keine Produkte für Endverbraucher herstellen, sondern ausschließlich im Business-to-Business-Bereich tätig sind. Aber das weltweit und mit großem Erfolg. Und wir sollten auch die Bevölkerungszahl in unserer Region nicht unterschätzen: Es geht nicht um Freiburg mit seinen rund 230.000 Einwohnern, sondern um den Regierungsbezirk mit rund 2,3 Millionen Einwohnern.
Zu Advant Beiten gehört neben den acht Standorten ein großes Netzwerk mit Adressen in Frankreich und Italien. Wie international hat man sich Ihre Angelegenheiten in Freiburg vorzustellen?
Barth: Unsere regionalen Mittelständler haben seit vielen Jahren Exportanteile von 80 bis 90 Prozent, sie liefern ihre Produkte in alle Welt. Dabei geht es nicht nur um Nachbarländer, sondern mindestens genauso um Vertrieb und Kooperationen in den USA, in China und Japan, um den Mittleren Osten. Das Netzwerk aus den Advant- Kanzleien in Deutschland, Frankreich und Italien zielt in erster Linie darauf ab, Unternehmen aus Nord- und Südamerika, aus Asien und Afrika anzusprechen. Deutschland, Frankreich und Italien sind die wirtschaftsstärksten Länder der EU. Wenn man diese Länder abdecken kann, wird man von Unternehmen und Kanzleien aus aller Welt als Ansprechpartner für ganz Europa wahrgenommen.
Als Niederlassung haben Sie angedeutet, dass es beim Wirtschaftsrecht bleiben wird. In welchen Bereichen sind Sie am 1. August an den Start gegangen?
Mayer: Wir decken alle wesentlichen Bereiche ab, in denen ein Unternehmen rechtliche Unterstützung benötigt: bei Verträgen aller Art, im Handels- und Vertriebsrecht, im Gesellschaftsrecht, im Bereich Compliance und bei der persönlichen Haftung von Vorständen und Geschäftsführern, bei Unternehmenskäufen und -verkäufen. Weiterhin im Kartellrecht, bei der Nachfolgegestaltung in Unternehmerfamilien und Familienunternehmen, im Arbeitsrecht, im Gewerblichen Rechtsschutz, im IT- und Datenschutzrecht, bei Streitigkeiten aller Art vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten. Ein Thema, mit dem wir uns in den nächsten Monaten intensiv beschäftigen werden und zu dem wir auch eine Veranstaltungsreihe planen, sind die Kooperationen zwischen etablierten Unternehmern und Start-ups.