Vom Fuß des Feldbergs in rund 90 Länder: In St. Blasien fertigt die Aebi Schmidt GmbH Fahrzeuge zur Reinigung und Räumung von Verkehrsflächen. Als Schneepflug-Schmidt wurde das 1920 gegründete Unternehmen in der Domstadt bekannt, inzwischen steht es schneeunabhängig auf mehreren Säulen.
VON KATHRIN ERMERT
Passend zum Firmenbesuch bei Aebi Schmidt in St.Blasien präsentiert sich der Schwarzwald Anfang Dezember winterlich weiß. Wie zur Erinnerung, wohin die Reise geht, kreuzt ein Schneepflug den Weg. „Früher hieß es: Schnee ist Schmidt-Gold“, sagt der Firmenchef Thomas Berger. Das Unternehmen, das vergangenes Jahr eigentlich sein 100-jähriges Bestehen groß hätte feiern wollen, ist mit der Entwicklung und Herstellung von Schneepflügen und -fräsen groß geworden.
Zwischenzeitlich ist es so gewachsen, dass der Firmensitz in den 1970er-Jahren an den westlichen Stadtrand St. Blasiens verlegt wurde. Auf einer Fläche von etwa sechs Fußballfeldern stehen heute zwei Montagehallen auf zusammen rund einem Hektar Produktionsfläche, ein Logistiklager und das braune dreigeschossige Bürogebäude. Rund 350 Frauen und Männer arbeiten hier.
Das Geschäft mit den Jahreszeiten
Auch heute noch spielt der Winter eine wichtige Rolle für Aebi Schmidt. Allerdings längst nicht mehr die entscheidende. „Das Sommersortiment ist viel größer“, sagt Berger. Er hat wesentliche Teile der Firmengeschichte miterlebt. Der 53-Jährige arbeitet seit beinahe vier Jahrzehnten im Unternehmen und hat dessen Entwicklung zum Global Player und zur Firmengruppe begleitet: Berger war 15 Jahre alt, als er seine Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker bei Schmidt begann. Über Weiterbildungen zum Meister und Techniker sowie ein berufsbegleitendes Wirtschaftsstudium arbeitete er sich zum Produktions- und Standortleiter sowie schließlich zum Geschäftsführer hoch.
Berger wurde noch vom Sohn des Firmengründers eingestellt. Alfred Schmidt junior, der vergangenes Jahr im Alter von 97 Jahren starb, war wie sein Vater ein typischer Schwarzwälder Tüftler mit großer Begeisterung für technische Herausforderungen. Immer größere Schneemengen bewältigten die Schneepflüge und -fräsen von Schmidt, die bald in den schneereichen Regionen aller Kontinente im Einsatz waren. Zum weltweiten Erfolg trug die Zusammenarbeit mit Unimog ab den 1950er-Jahren bei. Zwar nahm Schmidt schon früh Kehrmaschinen ins Sortiment und startete die Flughafendivision, doch der Fokus blieb auf dem Wintergeschäft.
Das änderte sich ab 1990: Die Insolvenz und der Ausstieg der Gründerfamilie sowie zunehmend schneearme Winter zwangen das Unternehmen, das vorübergehend in den Besitz der Baden-württembergischen Kapitalanlagengesellschaft kam, zur Neuausrichtung: Schmidt expandierte, zunächst innerhalb Europas, später nach Nordamerika, strukturierte in der Folge die Produktion innerhalb der Gruppe um und fusionierte 2007 mit der Schweizer Firma Aebi zur Aebi Schmidt-Gruppe, die seither stetig weiterwächst. Mit dem Kauf der US-amerikanischen Firma Monroe Truck Equipment im Dezember zählt die Gruppe, die mehrheitlich zwei Schweizer Unternehmern gehört, nun 13 Werke und 18 Standorte mit insgesamt rund 3.000 Mitarbeitern.
Räumen, streuen, kehren
Vor der jüngsten Akquisition setzte Aebi Schmidt jährlich rund 500 Millionen Euro jährlich um. Das Geschäft verteilt sich heute auf die vier Segmente Flughafen, Winter und Kehrmaschinen (jeweils knapp 30 Prozent) sowie Agrarmaschinen (circa 11 Prozent). Kleintraktoren für Hanglagen sind der Schwerpunkt von Aebi in Burgdorf (Kanton Bern). Diese Diversität hat sich laut CEO Barend Fruithof in der Pandemie bewährt. Trotz starker Einbrüche im Flughafengeschäft sei die Gruppe im Jahr 2020 profitabel geblieben und habe sogar ihr zweitbestes Ergebnis erzielt.
Produkte von Aebi Schmidt sind in mehr als 90 Ländern auf allen Kontinenten im Einsatz. Etwa die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet die Gruppe nun in Nordamerika, die andere Hälfte in Europa und dem Rest der Welt. Deutschland macht acht bis neun Prozent des Gruppenumsatzes aus. Der Vertrieb läuft dort, wo Aebi Schmidt selbst präsent ist, direkt, sonst über Händler. Kunden sind Flughäfen, Kommunen, das Militär, Privatunternehmen und Landwirte.
Aebi Schmidt investiert in neue Produktlinien
In St. Blasien entstehen große Fahrzeuge für Flughäfen, Schneeräumgeräte für die Bahn und vor allem Kehrmaschinen. Die kleine „Swingo“ und die etwas größere „Cleango“ sind hier die wichtigsten Produkte. Rund 500 beziehungsweise 300 davon fertigt Aebi Schmidt pro Jahr im Schwarzwald komplett, inklusive Antrieb. Wie sie vom nackten Rahmen bis zum fertigen Fahrzeug wachsen, lässt sich in der großen Montagehalle besichtigen, wo es zwei parallele Linien für Swingos und Cleangos gibt. Ähnlich wie in der Automobilindustrie kommen hier viele Teile vorgefertigt an und werden zusammengefügt. Ordentlich und sauber geht es zu, denn die Abläufe sind seit einigen Jahren nach dem japanischen Kanban-Prinzip organisiert.
Das soll demnächst auch auf die Herstellung der großen Räum- und Reinigungsgeräte für Flughäfen ausgeweitet werden. Aebi Schmidt will die Kapazität dafür von etwa 150 bis 170 auf 200 bis 250 Stück jährlich ausbauen – trotz der Pandemieflaute im Flughafengeschäft. CEO Fruithof glaubt, dass sich das Geschäft 2022 „wieder auf ein gutes Level entwickelt“.
Er plant weitere Investitionen in St. Blasien: eine größere Lackiererei, eine neue Heizanlage und die Vergrößerung der Batteriefertigung. Denn der Bedarf dafür wächst. Seit 2018 gibt es den Swingo als E-Variante. Mittlerweile verkauft Aebi Schmidt etwa 20 Prozent der kleinen Kehrmaschinen mit elektrischem Antrieb, Tendenz steigend. 2022 soll ein E-Cleango auf den Markt kommen. Auch autonomes Fahren ist ein Thema der Entwickler, vor allem für Flughafenfahrzeuge.
„Kehrmaschinen sind technologisch wesentlich anspruchsvoller“, sagt Berger. Damit habe sich der Standort weniger abhängig vom Wintergeschäft gemacht. Schneepflüge entstehen mittlerweile überwiegend im polnischen Werk, Streugeräte vor allem bei der Tochter in den Niederlanden. Obwohl die Wintersparte nun also keine so große Rolle mehr für St. Blasien spielt, freut sich Thomas Berger immer noch, wenn es schneit.