Die heimische Landwirtschaft in Südbaden verändert sich seit Jahrzehnten. Es gibt weniger Viehhaltung. Die Anzahl der Betriebe schwindet. Ökolandbau wächst. Sojabohnen und Ziegenhaltung sind im Kommen. Ein Blick in den Stall und auf den Acker.
VON CHRISTINE WEIS
Südbaden ist der Garten Eden auf Erden, was Fülle und Vielfalt der Lebens- und Genussmittel betrifft, die hier kultiviert und produziert werden. Die regionale Speisekarte ist lang – Äpfel von der Insel Reichenau, Kartoffeln vom Oberrhein, Markgräfler Spargel, Rindfleisch aus dem Wiesental, Süßkirschen von der Ortenau, Spätburgunder vom Kaiserstuhl oder Ziegenkäse aus dem Münstertal.
Insgesamt bewirtschaften Bauern, Gärtner und Winzer knapp 40 Prozent der Fläche im Regierungsbezirk Freiburg. Davon sind rund 50 Prozent Grünland, etwa 43 Prozent Ackerland, fast vier Prozent Rebland sowie zwei Prozent Obstanlagen.
Landwirtschaftliche Betriebe
Das statistische Landesamt Baden-Württemberg dokumentiert alle zehn Jahre den Bestand in der Landwirtschaft, die letzte Erhebung war 2020. Anhand der Angaben lässt sich der regionale Strukturwandel in der Branche ablesen. Demnach schwindet die Anzahl der Betriebe seit Jahren kontinuierlich nach dem Prinzip „Wachsen und Weichen“, wenngleich sich das Tempo in den letzten Jahren verringert hat.
Die verbleibenden Höfe werden weniger und größer. Lag die durchschnittliche Betriebsgröße 1999 noch bei rund 18 Hektar, waren es 2020 rund 26 Hektar. Im selben Zeitraum verringerte sich die Anzahl der Betriebe um etwa 6.000 auf knapp 12.000, wovon ein Anteil von 67 Prozent Nebenerwerbsbetriebe sind.
Was sich in Südbaden zeigt, ist auch ein bundesweiter Trend: 14 Prozent aller Betriebe beackern 62 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Dabei fällt der Selbstversorgungsgrad der produzierten Agrarerzeugnisse unterschiedlich aus. Der Eigenbedarf er gesamten Bevölkerung an Kartoffeln, Milch, Käse, Weizen oder Zucker kann gedeckt werden. Bei Obst und Gemüse ist Deutschland vom Import abhängig.
Tierhaltung
Beim Thema Nutztierhaltung zeigt sich ein deutlicher Wandel. Schweine- und -Rindermast sowie die Milcherzeugung sind auf dem Rückzug. Die Freiburger Molkerei Schwarzwaldmilch meldete etwa in ihrer Jahresbilanz einen Rückgang der Milch erzeugenden Bauernhöfe (netzwerk südbaden berichtete).
Besonders signifikant ist der Schwund in der Schweinehaltung. Im Vergleich 2016 zum Jahr 2020 gab es ein Minus von 23 Prozent. Der Abwärtstrend setzt sich weiter fort. Auch hier lohnt zum Vergleich ein Blick über die Region hinaus. Bundesweit reduzierte sich der durchschnittliche Bestand an Mastschweinen in den letzten zehn Jahren um rund 5 Prozent. Laut Bundesinformationszentrum Landwirtschaft sinkt auch der Konsum von Schweinefleisch. Demnach lag der jährliche pro-Kopfverbrauch 2021 bei 21 Kilo. 23 Prozent weniger als vor 10 Jahren. Schweinefleisch ist dennoch das nach wie vor das beliebteste Fleisch gefolgt von Rind- und Kalbfleisch (9,4 Kilo) und Geflügelfleisch (13,1 Kilo). Und Deutschland gehört zu den großen Exporteuren von Schweinefleisch in EU-Länder und nach China.
Derweil wächst die Nachfrage nach Bio-Ziegenkäse und anderen Ziegenmilchprodukten gerade aus dem Schwarzwald. Hier hat sich die Teninger Demeter-Käserei Monte Ziego einen Namen gemacht. Sie bezieht 1,6 Millionen Liter Milch von 15 Höfen im Schwarzwald. Mehr Ziegenmilch bedeutet auch mehr Ziegenfleisch. Bio-Musterregion Freiburg und BÖLN (Bundesprogramm Ökologischer Landbau) weisen auf das Problem hin und setzen sich mit dem Projekt Schwarzwälder Geißgenuss für den vermehrten Verzehr von Ziegenfleisch ein.
Ökolandbau und Sojaboom
Anhaltend ist der Trend zum Umbau auf Ökolandbau, gleichwohl sein Gesamtanteil im Bundesgebiet bei weniger als einem Zehntel liegt. Die Ökobetriebe legten gegenüber 2010 um 10.000 auf mehr als 26.000 zu, das entspricht einem Plus von 60 Prozent. Besonders deutlich war der Zuwachs laut Statistischem Bundesamt in Süddeutschland – in Südbaden sind es aktuell 359 Betriebe.
Und noch eine Tendenz verraten die Zahlen: Die Anbaufläche für Soja zur Körnergewinnung hat sich zwischen 2016 und 2020 von 15.800 Hektar auf 33.800 Hektar mehr als verdoppelt. Für 2022 prognostizieren die Hochrechnungen rund 50.000 Hektar. Die Hauptanbaugebiete liegen zu 80 Prozent in Bayern und Baden-Württemberg. Im Regierungsbezirk Freiburg bauen 259 Betriebe auf 2128 Hektar Sojabohnen an.
„Besonders das warme Klima am Oberrhein gefällt der Sojapflanze“, sagt Martin Miersch, Leiter des Zentrums Sojaanbau beim Freiburger Tofu Hersteller Taifun. Taifun war der maßgebliche Treiber für den heimischen Anbau von Bio-Soja. Gerade nach der Einführung von genverändertem Saatgut Ende der 1990er-Jahre aus USA wollte sich der Tofu Hersteller vom Import unabhängig machen.
“Die Sojabohne ist die Königin unter den Körnerleguminosen, sie braucht keinen Stickstoffdünger und liefert so viel Eiweiß von der Fläche wie sonst keine andere Pflanze.“
Martin Miersch, Leiter des Zentrums Sojaanbau bei Taifun Tofu
Heuer feierte das Unternehmen 25 Jahre Sojaanbau in Europa. Mittlerweile hat Taifun in Zusammenarbeit mit der Uni Hohenheim zwei eigene Sojasorten entwickelt, die den hiesigen Gegebenheiten angepasst sind. Die Forschungen laufen kontinuierlich weiter und Miersch betont, dass andere Züchter von den Erkenntnissen profitierten. „Die Sojabohne ist die Königin unter den Körnerleguminosen, sie braucht keinen Stickstoffdünger und liefert so viel Eiweiß von der Fläche wie sonst keine andere Pflanze.“ In der Bohne stecke noch viel Potential, so seine Prognose. Aktuell liefern 150 Vertragslandwirte an Taifun und einige stehen auf der Warteliste.