Die Forschungsgesellschaft Agronauten untersucht in einer Arbeit die Landnutzung und den Selbstversorgungsgrad der Kreise Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Stadt Freiburg. Im Fokus steht die Klimabilanz der regionalen Landwirtschaft: Kann sie durch ein verändertes Konsumverhalten als auch durch Differenzierung der Landnutzung verbessert werden? Vier Fragen an Peter Volz, Vorstand der Agronauten und Mitautor der Studie.
INTERVIEW: CHRISTINE WEIS
Wie ist es um den Selbstversorgungsgrad der Land- und des Stadtkreises mit rund 660.000 Einwohnern bestellt?
Die Region ist stark geprägt von Dauergrünland mit Rinderhaltung im Schwarzwald sowie Ackerlandnutzung im Rheintal mit vorwiegend Mais und Sonderkulturen wie etwa Wein. Mit Spargel sind wir quasi überversorgt. Mangel besteht etwa beim Obst und Gemüse sowie Hülsenfrüchten. Außerdem gibt es kaum Schweine und Geflügelproduktion.
Das Problem ist, dass sich der Anbau nicht nach dem regionalen Bedarf der Menschen, sondern nach dem Markt richtet. Wie viele Produkte aus der Region hierbleiben und konsumiert werden, ist aufgrund der Intransparenz des Marktes und der Vertriebswege oft nur schwer nachvollziehbar.
Nach den Berechnungen des FibL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) von 2016 verzehren die Verbraucherinnen und Verbraucher in Freiburg nur einen relativ geringen Anteil regional angebauter Nahrungsmittel. Bei Gemüse liegt der bei 10 bis 15 Prozent, beim Obst bei rund 10 Prozent. Viele Discounter bieten diese auch nicht oder nur wenig an. Es ist übrigens wesentlich, nicht nur den Anbau, sondern auch die Verarbeitungsstrukturen anzuschauen.
Warum ist die regionale Versorgung mit Lebensmittel aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Ernährung und Landwirtschaft tragen maßgeblich zur Klimaerwärmung bei. Bis zu einem Viertel aller klimarelevanten Emissionen stammen aus dem Agrar- und Ernährungssystem. Wir müssen sowohl unsere Ernährung als auch den Anbau ökologischer und klimaschonender ausrichten. Das kann nur gemeinsam im Dialog mit allen Akteuren, sprich den Bauern, Konsumenten und dem Handel, geschehen.
Ein Beispiel: Mit einer extensiveren ökologischen Weidehaltung und der Nutzung angepasster Rinderrassen könnte Kraftfutter und damit Klimaemissionen eingespart werden. Regionale Landwirtschaft ist nicht per se nachhaltig. Aber es gibt das Potenzial, dass die Akteure entlang der Wertschöpfungskette in Austausch treten, und dass es mehr Transparenz im Ernährungssystem gibt.
Wichtig ist, dass eine Bezugnahme ermöglicht wird und wir wissen: Wenn die Konsumenten ein Gesicht hinter der Ware und dem Preis sehen, fällt die Kaufentscheidung verantwortungsvoller aus. Weil sie verstehen, was mit dem Einkauf unterstützt wird. Und wir können bei kurzen Wegen besser mit dem Thema der Lebensmittelabfälle umgehen und weniger wegschmeißen. Deswegen geht es im Endeffekt um einen Kulturwandel.
Wie sollte sich die hiesige Landwirtschaft verändern, damit sowohl die bäuerlichen Betriebe wie auch das Klima eine Zukunft haben?
Klar ist, dass sich ein Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit den strukturellen Gegebenheiten anpassen soll. So macht der hohe Flächenanteil an Grünland im Schwarzwald eine Tierhaltung notwendig. Statt der Mais-Monokultur im Rheintal könnte die Vielfalt der Landnutzung und die Biodiversität deutlich erhöht werden. Um den Landwirten Perspektiven zu schaffen, muss die entsprechende Nachfrage gesteigert und ein fairer Preis gezahlt werden.
Hier haben wir konkrete Szenarien entwickelt, die Stadt Freiburg könnte etwa mit der eigenen Außer-Haus-Versorgung in den Kantinen wertvolle Impulse setzen. Damit wäre das Thema gutes Essen nicht nur eines für Besserverdienende. Es sind aber nicht nur die Landwirte, auch die komplette Infrastruktur zur regionalen Weiterverarbeitung von heimischen Erträgen, etwa von Mühlen oder Metzgereien, könnte ausgebaut werden.
Wichtig ist, zu verstehen, dass viele der aktuellen Kosten gar nicht sichtbar sind, sondern auf zukünftige Generationen abgewälzt werden. Die stärkere regionale Versorgung und der Erhalt entsprechender Strukturen sind wertvoll und machen uns resilienter.
Was bedeutet eine klimaschonende Ernährung konkret?
Wir belegen in der Studie, dass eine regional angepasste Ernährung 43 Prozent der klimaschädlichen Emissionen einsparen würde. Auf dem Speiseplan sollten dann mehr Getreide und Gemüse, speziell Hülsenfrüchte und weniger Fleisch stehen, letzteres dafür hochwertig und regional.
Peter Volz ist Sozialwissenschaftler und im Vorstand der gemeinnützigen Freiburger Forschungsgesellschaft Agronauten, die sich für eine nachhaltige, regionale Agrar- und Ernährungskultur einsetzen. www.agronauten.de