Gutes Employer Branding richtet sich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen: Nach der Mitarbeitersuche folgt die Mitarbeiterbindung, und wer nicht hält, was er verspricht, dem kann Fluktuation drohen. netzwerk südbaden hat sich in der Region umgeschaut, was Unternehmen leisten, um sich attraktiv zu machen.
Von Anna-Lena Gröner
„Ich war völlig ungebunden und frei, das zu tun, worauf ich Lust hatte. Die Finanzierung war geklärt und zudem hatte ich durch einen kurzen Krankenhausaufenthalt erlebt, dass im Leben nicht immer alles planbar ist. Jetzt oder nie.“ Zwischen diesem Entschluss und heute liegen Südafrika, Frankreich, Italien und Kroatien. Diese Länder hat Edda Grieshaber in den vergangenen Monaten bereist. Die 34-jährige Diplompädagogin hat sich eine 14-monatige Auszeit vom Job genommen, um mehr von der Welt zu sehen. Und damit liegt sie im Trend. Immerhin jeder zweite Deutsche möchte ein sogenanntes Sabbatical oder Sabbatjahr nehmen, das belegt die größte deutsche Sabbatical- Studie des Meinungsforschungsinstituts Fittkau und Maaß von 2016, an der sich 2.142 Personen beteiligten. Die Beweggründe sind dabei völlig unterschiedlich. Der eine möchte wie Edda Grieshaber reisen und die Welt entdecken, andere wollen sich weiterbilden und wieder andere hoffen, durch eine Auszeit vom Beruf, einem drohenden Burnout zu entkommen.
Verschiebungen am Arbeitsmarkt
Neben flexiblen Arbeitszeiten, einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, Ferienbetreuungsprogrammen zur Entlastung der Eltern, eine zeitgemäße Arbeitsumgebung bis hin zur Vermittlung individueller Betreuungs-möglichkeiten für Kinder und pflegebedürftige Angehörige – für die Motivation und Zufriedenheit wird investiert. Man möchte schließlich begeistern und im Kampf um Fachkräfte mithalten. Der Arbeitnehmer von heute wird immer anspruchsvoller. Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt verändern sich. Zunehmend sind die Bewerber knapper als die offenen Stellen. Sechs von zehn Unternehmen wollen Ende 2018 mehr Mitarbeiter beschäftigen als zuBeginn, besagt die empirische Unternehmens-Studie „Recruiting Trends 2018“ des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg und der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Im Wettbewerb um gute Kandidaten sind Unternehmen daher gefordert, nicht nur mit ihren Produktmarken, sondern auch als attraktiver Arbeitgeber sichtbar zu werden“, heißt es in den Ergebnissen der Studie zum Thema Employer Branding. Für diese Attraktivität üben sich vorbildliche Unternehmen sogar im Verzicht: sie lassen ihre Mitarbeiter für ein Sabbatical ziehen. Eine Trennung auf Zeit für eine langfristige Bindung. Ein Anspruch auf ein Sabbatical gibt es in Deutschland nicht, doch vermehrt erkennen Unternehmen den nachhaltigen Vorteil. Auf der Beratungsseite www.sabbatjahr.org heißt es: „Immer mehr Arbeitgeber kommen ihren Mitarbeitern bei der Planung entgegen. Auch weil es sich für Arbeitgeber durchaus lohnen kann, wenn Firmenangehörige sich Auszeiten gönnen, weil sie von der höheren Motivation und der gewonnenen interkulturellen Kompetenz ihres Personals profitieren“.
Traum-Option Sabbatical
Endress und Hauser bietet seinen Mitarbeitern daher neben einem breiten Wohlfühl- und Versorgungsprogramm auch die Möglichkeiten eines Sabbaticals. Selbst Matthias Altendorf, CEO der Firmengruppe, hat vor der Übernahme seiner Aufgabe eine Auszeit genommen. Trotzdem stünde man bei diesem Thema noch ganz am Anfang. „Die Zahl der Sabbatical- Anfragen steigt, daher werden wir uns zeitnah Gedanken machen, wie wir im Sinne aller Beteiligten eine ganzheitliche und nachhaltige Lösung finden können, damit wir nur gute Erfahrungen in derZukunft machen. Dabei gilt es natürlich auch, sich den ändernden Wünschen und Vorstellungen der jungen, folgenden Generationen von Arbeitnehmern anzupassen“, so Philippe Bolley, Abteilungsleiter Human Resources Management am Standort Weil am Rhein. Grundsätzlich stünde diese Auszeit jedem Mitarbeiter zu und die Finanzierungsmodelle seien sehr individuell. Eine Möglichkeit ist beispielsweise das gängige Teilzeitmodell. Dabei arbeitet der Mitarbeiter für eine vereinbarte Zeit in Vollzeit, bekommt jedoch nur einen Teilzeitlohn ausgezahlt, um in der anschließenden Auszeit weiterhin diesen Teilzeitlohn zu erhalten. Aktuell nutzt dieses Modell eine Mitarbeiterin bei der Endress und Hauser Messtechnik GmbH, um sich ab Dezember für vier Monate nach Afrika zu verabschieden.
Bei Hansgrohe mit Sitz in Schiltach wird das Sabbatjahr ebenfalls zögerlich angenommen, auch wenn man bisher scheinbar nur positive Erfahrungen gemacht hat. „Wir können sagen, dass die ‚Rückkehrer‘ hochmotiviert wieder im Unternehmen durchstarten“, sagt Thomas Egenter, Vice President Human Resources bei Hansgrohe. Dennoch seien es in den letzten Jahren weniger als zehn Mitarbeiter gewesen, die das Angebot genutzt haben. Schuld daran könnte der große Aufwand sein, der tatsächlich hinter der Planung eines Sabbaticals steckt – sowohl für das Unternehmen als auch für den Auszeitnehmer. Immerhin muss die fehlende Person im Betrieb irgendwie ersetzt werden. Oftmals sei es schwierig, die Vorgesetzten zu überzeugen, einen Mitarbeiter für eine gewisse Zeit freizustellen, bestätigt auch Egenter. „Doch selbst wenn es sich um eine schwer ersetzbare Fachkraft handelt, versuchen wir im Team eine Lösung zu finden, sei es über Umverteilung oder Priorisierung der Tätigkeiten.“ Auch Edda Grieshabers Stelle wird aktuell von zwei Kolleginnen übernommen. Ihr Betrieb hat die Auszeit ermöglicht und sie bei der Realisierung unterstützt, finanziert hat sich die 34-Jährige das Sabbatical jedoch selbst. Trotz dieser vorbildlichen und positiven Imagegeschichte, möchte der Arbeitgeber nicht genannt werden. Ob aus Bescheidenheit oder Angst vor Nachahmern?
Starke Angebote, starke Mitarbeiter
Während man mit dem Sabbatical selbstbei großen Unternehmen noch am Anfang zu stehen scheint, haben sich andere Angebote längst bewährt. Bei Hansgrohe möchte man seine Mitarbeiter begeistern und bietet ihnen unter anderem eine Beteiligung am Unternehmenserfolg in Form von Sonderzahlungen. Nicht ganz unspannend, wenn man bedenkt, dass die Unternehmensgruppe 2016 erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz gemacht hat. Mit dem firmeninternen Gesundheitsmanagement schmückt man sich ebenfalls gerne: „Das mit dem ‚Prädikat Siegel‘ des Corporate Health Awards ausgezeichnete Hansgrohe Gesundheitsmanagement bietet Vorträge, Seminare und Workshops, eine alljährliche Gesundheitswoche, Massagen und Bewegungspausen am Arbeitsplatz, wöchentliche Nordic-walking-Angebote und Lauftreffs“, sagt Anke Messerschmidt, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Erfolgsunternehmen aus der Bad- und Küchenbranche.
Bei der Unternehmensgruppe fischer in Waldachtal kümmert man sich ebenfalls mit verlockenden Aktionen und Programmen um seine treibende Kraft. Hier steht niemand geringeres als Deutschlands bekanntester Sterne-Koch Harald Wohlfahrt alle sechs Wochen im Betriebsrestaurant am Herd und serviert den Mitarbeitern seinen Gourmet-Teller. Die „fit-for-fischer“-Serie endet aber nicht am Tellerrand, sondern bietet weit mehr: ein firmeneigenes Fitnessstudio, jährliche Gesundheitstage, Gesundheitsberatung durch den Betriebsarzt sowie zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen im Klaus- Fischer-Bildungszentrum. „Das Zentrum verzeichnet seit der Gründung 2010 etwa 9.000 Anmeldungen für rund 600 kostenfreie Veranstaltungen, die die fischer Mitarbeiter außerhalb der Arbeit besuchen“, sagt Wolfgang Pott, Leiter der Unternehmenskommunikation. Der Arbeitgeber sorgt sich, das kommt an – wie in jeder Wechselbeziehung.
Die Basis muss stimmen
Arbeitgeber sollten nachziehen. Ansprüche wie angemessenes Gehalt sowie ein gutes Arbeitsklima zählen laut den „Recruiting Trends 2018“ bereits zu den sogenannten „Basismerkmalen“, also Merkmalen, die von Mitarbeitern als selbstverständlich erachtet werden. Wer als Unternehmen darüber hinaus beeindrucken will, müsse mit „Leistungsmerkmalen“ überzeugen. Dazu zählen laut Studie flexible Arbeitszeiten, eine Wertschätzung der Work-Life- Balance, Vereinbarung von Familie und Beruf, gute Karrieremöglichkeiten oder Weiterbildungsangebote. „Begeisterungsmerkmale“ sind jedoch das Ass im Ärmel. Mit ihnen können Unternehmen punkten. Es sind Merkmale, „die vom Kandidaten nicht erwartet werden und deren Erfüllung zu einer Steigerung der Attraktivität führt“, heißt es in der CHRIS Studie. Was nach Wellnesshotel klingt, sind immer üblichere Arbeitgeber-Angebote, um besagte Begeisterungsmerkmale zu schaffen und damit die eigene Attraktivität zu steigern. Arbeitgeber sollten zeitnah nachziehen.