Er ist als Vorstandsvorsitzender des Ortenau Klinikums Chef von rund 6000 Mitarbeitenden, sie ist Regionalleiterin der Volksbank Freiburg und gerade in neue Führungsverantwortung gerückt. Nun geben beide ihre Jobs auf und eröffnen eine Weinbar auf Mallorca.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Santiago Fanego
So ähnlich wie hier stellen sie sich das auch vor, erzählen Christian und Arabella Keller, als wir uns in dem spanischen Tapas- und Weinlokal Bar Denia in der Freiburger Unterwiehre treffen. Der Espresso ist ausgetrunken, draußen wird es bereits dunkel, wir bestellen Weißwein. Passt auch besser zur Geschichte des Ehepaars, das beschlossen hat, sein gesamtes Leben umzukrempeln. Anfang nächsten Jahres siedeln der Klinikchef und die Regionalleiterin einer Bank nach Mallorca über. Die Jobs sind bereits gekündigt, die Wohnung auch, eine neue Bleibe organisiert, die Immobilie für die geplante Weinbar steht in den Startlöchern. Also alles vorbereitet.
Warum ausgerechnet jetzt? Bis zur Rente ist noch Zeit. Bei Christian Keller nicht ganz so viel wie bei seiner zwanzig Jahre jüngeren Ehefrau, aber immer noch genug. Doch die Sehnsucht nach der Insel wird immer größer. „Wir haben eine tiefe Verbindung zu Mallorca“, sagt Arabella Keller. „Wir fühlen uns dort so wohl und haben schon lange davon geträumt, ganz auf der Insel zu leben.“ Vor sechs Jahren haben sich die 32-Jährige und ihr Mann auf Mallorca das Jawort gegeben – „wir hatten gar nicht lange überlegt, wo wir heiraten wollen, das war irgendwie von Anfang an klar“, erzählt sie.
Kennengelernt haben sich die beiden vor zehn Jahren auf einem Weinfest in Darmstadt. Sie ist gebürtige Hessin. Er kommt aus dem Schwarzwaldort St. Blasien und war damals Geschäftsführer der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg sowie ihrer angeschlossenen Tochterunternehmen. Es hat sofort gefunkt. „Ich habe sie versehentlich umgerannt und dann konnten wir gar nicht mehr aufhören zu reden“, erinnert sich Christian Keller, der aus erster Ehe zwei Töchter hat. Als er in die Ortenau wechselte und nach Freiburg zog, folgte sie ihm, ohne vorher jemals in der Stadt gewesen zu sein. Achteinhalb Jahre war Christian Keller Vorstandsvorsitzender des Ortenau Klinikums – mit sechs stationären Häusern, rund 1700 Planbetten und knapp 6000 Beschäftigten der viertgrößte kommunale Klinikverbund in Baden-Württemberg.
„Ich habe meinen Job wirklich gerne gemacht, aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt für etwas anderes“, sagt der 52-Jährige. Landrat Frank Scherer beendet seine Amtszeit Ende Oktober, für Christian Keller war der Abschied seines Vorgesetzten das Startsignal, ebenfalls zu gehen: „Der logische Karriereschritt für mich wäre gewesen, an ein noch größeres Haus mit noch mehr Mitarbeitenden zu wechseln, aber das wollte ich nicht.“
Also etwas ganz anderes. Das Leben sei viel zu kurz, meint Keller, das sehe er im Krankenhaus jeden Tag. Er wolle nicht seine ganze Lebenszeit nur mit Arbeit verbringen. „Wir sehen uns so gut wie nie“, sagt auch Ehefrau Arabella. „Wir wollen uns nicht nur auf die Wochenenden freuen und uns von Urlaub zu Urlaub hangeln, sondern jetzt mehr Zeit miteinander verbringen.“ Blauäugig gehen die beiden Wirtschaftsprofis natürlich nicht vor: Der Businessplan steht, die Verhandlungen laufen – etwas schleppend, weil das Spanisch noch nicht reicht.
Und was sagt das Umfeld? „Ich höre von allen, wie mutig wir sind“, sagt Arabella Keller und lacht: „Die Hälfte denkt aber wahrscheinlich: Oh Gott.“ Auch der Lebensstandard wird sich ändern, die neue Wohnung in Palma ist nicht einmal halb so groß wie die aktuelle. Es wird nur noch ein Auto geben, weniger Wochenendtrips und viel weniger Klamotten. „Von meinen 100 Krawatten nehme ich vielleicht fünf mit“, sagt Christian Keller. Vielleicht müsste man am Anfang kleinere Brötchen backen – „aber dafür kann ich mit einer Pizza am Strand sitzen und aufs Meer schauen“.
Der Plan von Christian und Arabella Keller: eine kleine, feine Weinbar in Palma mit regionalen, aber auch mit badischen, rheinhessischen, italienischen und französischen Weinen. Der Name steht bereits: Fria Sophia. „Inspiriert von der Eisheiligen Sophie“, sagt Arabella Keller. „Sie bringt in unsere Wein- und Champagnerbar erfrischende kühle Genüsse.“
1 Kommentar
Seine Träume zu leben finde ich wichtig. Dazu gehört immer Mut und eine gewisse Bereitschaft vertrautes hinter sich zu lassen, sich auf Neues einzulassen und auch Risiken einzugehen.
Und wenn es schief gehen sollte, die Arbeit in der Gesundheitswirtschaft /Krankenhäuser geht nicht aus. Hier sind die Zeiten momentan alles andere als rosig. Daher ist vielleicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für eine grundlegende Neuausrichtung. Wünsche alles Gute und komme vielleicht mal auf einen Wein in Palma vorbei.