Die 22-Jährige ist als junge Frau eine Besonderheit in der männlich dominierten Zauberkunstszene. Kiana Taiari tritt seit Jahren bei Events auf. Sobald sie ihr Studium abgeschlossen hat, möchte sie Profi werden.
Text: Kathrin Ermert • Fotos: Santiago Fanego
Man erkennt Kiana Taiari sofort, trotz großer gelber Brille. Mit ihrem dunklen Lockenkopf sieht sie aus wie Momo im gleichnamigen Film aus den Achtzigerjahren. Ihr Outfit ist unauffällig: dunkelgrauer Kapuzenpulli, Jeans, Turnschuhe, ihre Fähigkeit das krasse Gegenteil. Die zierliche junge Frau bringt regelmäßig Menschen zum Staunen. Sie lässt Handys oder Weinflaschen verschwinden und wieder auftauchen, beherrscht Kartentricks, kann Gedanken lesen. Im Hotel Nouri in Bad Krozingen verkettete sie jüngst bei einer Show die eingesammelten Eheringe der Gäste miteinander. Sie zauberte bei Silvestershows im Europa-Park, war mehrfach im SWR-Fernsehen zu sehen und zeigt ihre Kunst in zahlreichen Videoclips im Internet.
Damit hat auch die Selfmade-Karriere von Kiana Taiari begonnen. Als 13-Jährige schaute sie Tricks bei Youtube, Weihnachten bekam sie das obligatorische Zauberset und brachte sich bald einen Kartentrick nach dem anderen bei. Ihre Eltern und ihr ein Jahr älterer Bruder waren „ein bisschen genervt“, weil sie jahrelang jeden Tag mindestens eine Karte ziehen mussten. 2019 trat Kiana Taiari bei der deutschen Jugendmeisterschaft für Zauberkunst an. „Ich wollte unbedingt gewinnen“, erzählt sie beim Matcha Latte im Fili Café am Freiburger Schwabentor. Und was sie sich vorgenommen hat, setzt sie auch um. Sie, die Langschläferin, stand freiwillig so früh auf, dass sie schon vor der Schule zwei Stunden üben konnte.
Der Einsatz hat sich gelohnt: Kiana Taiari gewann die Meisterschaft und damit viel mediale Aufmerksamkeit. Sicherlich auch, weil Zaubern immer noch eine Männerdomäne ist. Nur vier der sechzig teilnehmenden jungen Zaubertalente waren Mädchen. Auch in der Freiburger Sektion des Magischen Zirkels ist Kiana Taiari die einzige Frau und mit Abstand die Jüngste. Mit dem Titel „Deutschlands beste Nachwuchszauberkünstlerin“ begann sie aufzutreten und erstmals Geld zu verdienen. Seither ist die Magie nicht mehr nur Hobby.




Die Voraussetzung: üben, üben, üben. Vier bis sechs Stunden trainiert Kiana Tairi jeden Tag. Damit die Finger beweglich bleiben, spielt sie zudem Klavier. Während der Schulzeit war das Pensum kein Problem. Coronapandemie und Homeschooling gaben ihr besonders viel Zeit zum Proben. 2022 hat Kiana Taiari Abitur gemacht und absolviert seit 2023 ein duales Studium. 20-Stunden-die Woche studiert sie Marketing an der IU in Freiburg und arbeitet die andere Hälfte bei der Onlineagentur Visual Statements. Nach ihrem Abschluss 2026 will sie nach Berlin ziehen, sich selbstständig machen und hauptberuflich als Zauberkünstlerin arbeiten. Warum Berlin? „Ich liebe Großstädte“, sagt die 22-Jährige. Die ersten zehn Jahre ihres Lebens ist sie in der Millionenstadt Teheran aufgewachsen, ehe die Familie nach Offenburg zog.
Kiana Taiari kann sich viel Wissen in kurzer Zeit aneignen. „Wenn ich mich für etwas interessiere, fällt es mir leicht“, sagt sie. „Ich bin ein bisschen hyperaktiv, will jede Woche etwas Neues ausprobieren.“ DJing, Golf, Ski fahren. Oder eben einen neuen Zaubertrick. Anfangs hat sie mit Karten und dem Zauberwürfel gearbeitet, heute vor allem mit Alltagsgegenständen und auch mit ChatGPT. Manche Tricks wie den für die Jugendmeisterschaft entwickelte sie selbst – per Fingerschnipsen ließ sie Formeln von Zetteln verschwinden – andere kauft sie. Idee, Anleitung, eventuell nötige Utensilien und Aufführungsrechte für die Bühne oder das Fernsehen gibt es im Internet, eine Art Amazon für Zauberei. Auf ihrem Niveau zahlt sie vierstellige Beträge nur für einen Trick. Kiana Taiari ärgert, dass man im Internet auch erfährt, wie Tricks funktionieren, sagt sie. Doch die meisten wollten es sowieso nicht wissen, sondern sich lieber von ihr verzaubern lassen.
Fast täglich wird Kiana Taiari gefragt, ob sie etwas vorzaubern kann. Das liegt ihr gar nicht. „Man sagt ja auch nicht zum Bäcker: Back mir mal ein Brot.“ Früher habe sie es dennoch häufig gemacht, heute lädt sie alle, die ihre Zauberkunst sehen wollen, zu ihren Shows ein. Nur wenn sie neue Tricks einstudiert, braucht sie Testpersonen. Da fragt sie Freunde oder die Familie.