Der Sportdirektor und Scouting-Chef des SC Freiburg spricht über den Trainerwechsel, junge Spieler und die eigenen Nerven, die nicht immer mitmachen.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Santiago Fanego
Es ist einen Tag her, dass Christian Streich seinen Rücktritt offiziell bekannt gab, als wir Klemens Hartenbach im Europa-Park Stadion treffen. Hartenbach, groß gewachsen, Brille, Jeansjacke, sitzt in einem Besprechungsraum in den oberen Stockwerken mit Sicht auf den Rasen im menschenleeren Stadion. „Langweilig wird dieser Anblick nie“, sagt der Sportdirektor. Über die Hälfte des Jahres ist er unterwegs, reist durch die ganze Welt, um Spieler zu sichten. Allein in Buenos Aires war er fünfmal, erzählt er. „Aber der Spieler, den ich unbedingt wollte, kam nicht. Der ist nach Florenz gewechselt.“
Der 59-Jährige hat das Scouting des SC Freiburg aufgebaut, zu einer Zeit, in der es noch nicht so viele Profiscouts in der Bundesliga gab. Er leitet die Abteilung, hat sechs Leute für die Profis, drei weitere, die ausschließlich Jugendspieler sichten. Diesem Verein, mit dem er so eng verwachsen ist – Hartenbach war Trainer und Sportlicher Leiter der Freiburger Fußballschule, hat selbst für den SC im Tor gestanden – ist er so nah, dass er (fast so wie seinerzeit Achim Stocker) kaum ein Heimspiel bis zum Schluss live ertragen kann. „Das schaffe ich emotional nicht“, sagt er. Er könne fünf Spiele täglich sehen, überall auf der Welt, aber wenn der Sport-Club spielt, verlässt er zur Halbzeit seinen Platz auf der Tribüne. „Ich gehe in mein Büro, mache die Musik laut, schotte mich ab – das ist gesünder für mich“, sagt Hartenbach. Kurz vor Schluss komme er zurück an den Spielfeldrand – „dann kann ich mich wieder bewegen“.
Große Leidenschaft erwartet er auch von seinen Spielern. Es bringe nichts, Kandidaten anzuwerben, von denen man ohnehin wisse, dass sie auf dem Absprung in die englische Premier League, die spanische La Liga oder sonst wohin sind. Der SC könne ein Sprungbrett sein, allerdings nur dann, wenn es ein gesundes Fundament an erfahrenen Stützen gibt. „Wir brauchen auch genügend Spieler, die das hier als ihren Mittelpunkt sehen. Die mit Haut und Haaren dabei sind und alles reinwerfen.“
„Du kannst noch so gute Gespräche führen, dich perfekt auf den Kandidaten vorbereiten, dir so viel Mühe geben – wenn am Ende jemand viel mehr Geld auf den Tisch legt als du, hast du das Nachsehen.“
Klemens Hartenbach
Seine Abteilung hat die Daten von über tausend gesichteten Spielern, Dutzende stehen auf der Shortlist, mit gut zwei Handvoll laufen permanent Gespräche. Scouting ist Recruiting. „Ein bisschen ist es wie mit dem Verlieben“, sagt Hartenbach. „Manchmal siehst du jemanden und es passt sofort. Manchmal schaut man sich monatelang an und wartet ab, ob sich etwas entwickeln könnte.“ Es gebe Spieler im aktuellen Kader, an denen habe er zwei Jahre lang rumgedoktert, bis es zur Unterschrift kam.
Jemanden, der wirklich passt – den sucht Hartenbach. Zur Mannschaft, zur Stadt, zum Selbstverständnis des Sport-Club. „Aber du kannst noch so gute Gespräche führen, dich perfekt auf den Kandidaten vorbereiten, dir so viel Mühe geben – wenn am Ende jemand viel mehr Geld auf den Tisch legt als du, hast du das Nachsehen.“ Der SC habe in den vergangenen Jahren eine steile Kurve nach oben gemacht. „Die Ansprüche an uns haben sich verändert. Aber auch der Teich, in dem wir fischen. Da fischen auch die Vereine mit besseren finanziellen Mitteln“, sagt er.
Der Trainerwechsel könnte zusätzlich eine kleine Delle verursachen. „Viele haben sich gefreut, unter Christian Streich zu trainieren und zu spielen.“ Der Sommer kann trotzdem kommen, die Gespräche liefen gut. „Wir sind nah dran an den Kandidaten, die wir wollen.“ Hartenbach arbeitet weiter an dieser gesunden Balance, die den SC ausmacht und die auch sein Verdienst ist: Einerseits die eigenen Jungs zu fördern und zusammenzuhalten, andererseits attraktiv nach außen sein, um frische Kräfte zu bekommen.
Dieses Jahr wird Klemens Hartenbach 60. Der Altersabstand zu den jungen Spielern wird größer. Ist das ein Problem? „Das hält mich jung“, sagt er. „Manchmal erwische ich mich sogar, dass ich Sachen sage wie ,nice‘.“
„Wir wollen keine Kopie von Christian“, sagte Klemens Hartenbach im Interview. Christian Streich verlässt den Sport-Club zum Sommer 2024 nach zwölf Jahren als Cheftrainer, Nachfolger wird Julian Schuster. Es seien große Fußstapfen, die es zu füllen gelte, der SC Freiburg sei ein „Trainerverein“, sagt Hartenbach: „Wir wünschen uns Beständigkeit, aber natürlich kann niemand in die Glaskugel schauen.“