17 Jahre lebte die Musikerin in Berlin, stand auf den Bühnen von Theaterhäusern und Varietézelten in Wien, Prag, Amsterdam. Seit zwei Jahren ist sie wieder in ihrer Schwarzwälder Heimat. Ob ihr das vibrierende Großstadtleben fehlt, hat sie beim Espresso im neuen Café Fräulein Me in Hinterzarten verraten, das genau wie Magdalena selbst sehr viel Urbanes in sich trägt.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Santiago Fanego
Magdalena Ganter strahlt. „Ich habe mich so gefreut, den Menschen hinter dieser markanten Stimme kennenzulernen“, ruft sie. Das sagt gleich zweierlei: Magdalena Ganter ist Musikerin durch und durch, Stimmen und ihr Spiel zwischen Höhe und Tiefe, Klangfarben, Töne sind ihr Terrain. Und: Magdalena Ganter ist ein empathischer Mensch, herzlich, zugewandt, sofort voll da. Hochkonzentriert und aufnahmefähig. Bevor sie etwas sagt, überlegt sie kurz, kräuselt die Augenbrauen und beantwortet die Frage dann so geflissentlich, dass man das Gefühl hat, sie denke wirklich zum allerersten Mal darüber nach.
An der Oberfläche bleibt ein solches Gespräch nicht – genauso wenig wie ihre Musik. Die hört man nicht nebenbei. Ihre Konzerte sind eher wie ein Theaterstück oder eine Lesung, immer bestuhlt. Das Publikum sitzt und lauscht, manchmal gibt es Tischchen für Rotweinflaschen oder Gin-Tonic-Gläser, mit diesen kleinen Lampen, die man aus alten Hollywoodfilmen kennt. „Ich wünschte, mehr Menschen würden Musik nur durch pures Zuhören erleben können“, sagt Magdalena Ganter. „Gefällig ist das nicht, das muss man schon wollen.“ Wäre es für sie als Künstlerin nicht leichter, gängige Musik zu machen, Sounds fürs samstägliche Putzen oder zum Autofahren? „Ja, klar. Ich könnte so eine deutlich größere Reichweite generieren. Aber was willst du machen? So läuft es halt aus mir raus.“
Vieles läuft einfach aus ihr raus, weil es schon immer in ihr drin war. Ballett als Dreijährige, Gesangsunterricht in der Schule, dann die Förderung durch einen Lehrer, der ihr einen Studiengang an der Berliner Universität der Künste empfahl. Die Aufnahmeprüfung sollte ein Probelauf werden, klappte aber auf Anhieb. „Es fiel mir sehr leicht, drei bis vier Stunden Tanzunterricht täglich war ich gewöhnt“, sagt die 38-Jährige, doch zufrieden sei sie nicht gewesen: „Ich wollte meine Musik machen, aber das war gar nicht gefragt. Wir wurden eher zu singenden und tanzenden Marionetten ausgebildet.“
Magdalena Ganter, damals Anfang Zwanzig, hatte Lust, Eigenes zu machen, begann, Theater zu spielen und sich mehr Raum zu schaffen. 2012 gründete sie mit dem Schlagzeuger Martin Bach und dem Keyboarder Simon Steger die Band Mockemalör, sang deutsche Texte mit alemannischem Dialekt und urbanem, fast avantgardistischem Sound. Das kam gut an, Konzertreisen führten das Trio bis nach Georgien und China, und Magdalena Ganter war da, wo sie hinwollte: eigene Musik, eigene Texte, ein Leben auf der Bühne.
Als Solokünstlerin hat sie zwei Alben veröffentlicht: 2021 „Neo Noir“, 2024 „Transit“. Ihre Musik bewegt sich zwischen Jazz und Chanson, ist Varieté und Cabaret – keine Comedy, aber humorvoll. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, gewann unter anderem den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg und den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. „Ich tauche ein. Ich bin ganz und gar bei mir, wenn ich auftrete“, sagt sie und man glaubt ihr jedes Wort. Ihr Sein ist ihr Wesen, wenn sie singt. Magdalena Ganter erzählt, spielt, breitet aus. Eine Liedermacherin sei sie aber nicht, „dafür bin ich viel zu sinnlich, habe Spaß an dem ganzen Drumherum.“ Das passt gut nach Berlin, in diese nimmermüde Stadt, in der jede Nische einen Ort hat. Aber in ein Schwarzwälder Dorf?
Seit etwas mehr als zwei Jahren ist Magdalena Ganter zurück in Hinterzarten. Sie hat Kinder bekommen, das Kleine ist erst ein Jahr alt, das Große drei. „Hier sind wir zuhause. Die Uhren drehen sich hier zwar langsamer, aber sie drehen sich“, sagt sie und schwärmt vom Zusammenhalt der Großfamilie, von der Natur, der Ruhe, dem Waldkindergarten und der Nachbarschaft. Sie und ihr Partner haben einen alten Hof gekauft, ein denkmalgeschütztes Gebäude von 1686, und begonnen, ihn von Grund auf zu sanieren – „ein Lebensprojekt“.
Auch ihre Musik hat sich verändert. Mit den Kindern kamen neue Themen dazu. „Ich entscheide bewusster. Es geht nicht mehr nur um mich“, sagt sie. „Was will ich erzählen, was berührt mich, was berührt andere? Ich habe den Anspruch, dass Musik immer etwas Hoffnungsvolles mit sich bringt, egal, wie sich die Welt gerade dreht.“
Magdalena Ganters Familie gehört die 1891 gegründete Zimmerei Ganter in Hinterzarten. Und obwohl weder sie noch ihr Bruder das Traditionsunternehmen übernehmen, bleibt es in Familienhand: Ihr Partner, ebenfalls gebürtiger Schwarzwälder, ist Ingenieur und gelernter Zimmermann und mittlerweile in den Betrieb eingestiegen.