Kleinunternehmen, Mittelständler, Technologie-Player: Immer häufiger gründen sich in der Region Start-ups aus dem akademischen Umfeld. Sie können dabei auf ein Netz aus Beratungsstellen und Fördermöglichkeiten zugreifen. “Wagen wir den Schritt ins Abenteuer?” lautet die Frage.
VON DANIEL RUDA
Wissenschaft und Forschung haben an der Dreisam entlang ihre Anker gesetzt, die Käpsele-Dichte am Standort scheint hoch. In Freiburg gibt es die Uni, es gibt fünf Fraunhofer-Institute, dazu kommen weitere Hochschulen bis zu Max-Planck-Instituten.
Um Wissen, Forschung und Entwicklung aus den Hörsälen und Laboren in die Wirtschaftswelt zu bekommen, wo alles am besten noch in Innovation mündet und Arbeitsplätze schafft, gibt es unterschiedliche Wege. Einer ist der Schritt in Richtung Start-up: Junge Akademiker und Forscher, die als Unternehmer aus der Uni herauskommen.
Beispiele dafür gibt es genug, in so gut wie jeder Ausgabe unseres Magazins stellen wir Start-ups aus der Region vor, die sich aus und einem akademischen Umfeld heraus gegründet haben. Wenn sie uns in den Gesprächen von ihren Werdegängen erzählen, fällt oft auch der Name des Gründerbüros der Uni Freiburg. Zeit also, uns für diese Ausgabe selbst mal an diese Adresse zu wenden.
„Willst du es sagen?“ Thomas Maier und Harald Schützeichel, zwei Berater aus dem Gründerbüro müssen bei der Skype-Konferenz aus dem jeweiligen Homeoffice schmunzeln, als es im Gespräch kurz um den eigentlichen Arbeitsort geht, der pandemiebedingt seit Monaten verwaist ist. Nun ja, es gebe dort weder Lounge-Ecke noch Tischkicker, solche Start-up-Accessoires müsse man woanders suchen.
Aus jedem vierten Erstberatungsgespräch wird am Ende ein Start-up
Und würde wohl fündig werden. Rund 250 erfolgreiche Ausgründungen aus der Uni haben in den letzten rund 20 Jahren ein paar ihrer ersten Schritte mit Hilfe des Gründerbüros gemacht – im Schnitt sind es pro Jahr ein Dutzend. Etwa 80 Prozent davon sind noch heute am Markt. Von der kleinen Einheit über die sattelfeste mittelständische Firma bis hin zum Technologieunternehmen, das auf dem Sprung zum großen Player ist.
Das Gründerbüro ist angedockt an die Zentralstelle für Technologietransfer (ZFT), mit der Uni und Uniklinik sich mit der Wirtschaft verknüpfen. Berater wie Schützeichel und Maier geben Gründern Hilfestellungen und begleiten das Schreiben von Businessplänen und Förderanträgen. „Da kommen meistens ein paar Feedback-Schlaufen zusammen“, sagt Thomas Maier.
Der 54-Jährige leitet das Gründerbüro und kennt es wie kein anderer. In dessen Anfangstagen saß der Forstwirt selbst als Uni-Absolvent am Tisch und ließ sich beraten, wie er sein kleines Unternehmen starten kann. Bald darauf schlüpfte er mit seiner Erfahrung selbst in die Beraterrolle und teilt sich seither seine Arbeitszeit fifty-fifty zwischen eigenem Unternehmertum und einer halben Stelle im Gründerbüro auf. So hält es auch Harald Schützeichel, der seit rund zwei Jahren dazu gehört. „Unternehmerische Grundlagenarbeit“, nennt er das, worum es bei den Beratungen geht. Manchmal noch vage Ideen werden hinterfragt und auf Marktpotenzial abgeklopft. Aus rund jedem vierten Vorhaben wird dann am Ende was
Offenburg, Furtwangen: Ein Blick in die Region
Solche Angebote, um den Gründungsgedanken von Studierenden zu supporten, finden sich inzwischen in den meisten Bildungseinrichtungen in der ganzen Region. Auch die Hochschule Offenburg hat ein Gründerbüro. Rund zehn Ausgründungen gebe es pro Jahr im Schnitt. Im Corona-Jahr 2020 gab es 50 Erstberatungen, so viele wie noch nie, sagt Wolf Blochowitz vom Gründerbüro in der Ortenau. Ein Paradebeispiel für eine Ausgründung: 2013 das Start-up Sevdesk mit einer cloudbasierten Buchhaltungssoftware. Seither ist die Firma zweier Wirtschaftsinformatiker zum erfolgreichen Mittelständler mit 180 Mitarbeitern geworden, der im Privatfernsehen Werbespots schaltet. Auch die Hochschule Furtwangen hat an ihrem Innovations- und Forschungszentrum das Thema Gründung seit drei Jahren verankert. Hier waren es in den letzten zwei Jahren insgesamt fünf Ausgründungen.
Dazu kommen in der Region ein ganzer Schwung an Start-up- Initiativen und Programmen, die als Schnittstelle agieren und junge Köpfe aus der Wissenschaft mit der Wirtschaft zusammenführen wollen. In Freiburg gibt es Grünhof und Lokhalle, in Breisach steht der Baden Campus, wo das Angebot von Co-Working-Spaces und Netzwerksveranstaltungen bis hin zu Accelerator-Programmen etwa mit Coachings reicht. Mit „Startinsland“ gibt es auch eine neue breit angelegte regionale Gründungsinitiative, für die sich von der Uni über die FWTM über Banken bis hin zur IHK und Handwerkskammer mehrere Seiten zusammengeschlossen haben.
Gerade an Hochschulen sind die Möglichkeiten für potenzielle Ausgründer vielfältig, erzählt Thomas Maier. Am begehrtesten ist das beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angedockte Exist-Förderprogramm. Den „Mercedes unter den Förderprogrammen“, nennt er es. Für Technologie-Start-ups sind bis zu 250.000 Euro für die ersten anderthalb Jahre drin. Für einen Antrag braucht es einen Stempel der Hochschule.
Auch das Gründerbüro der Uni Freiburg selbst profitierte einige Jahre von einem Fördertopf aus dem Ministerium. Zwischen 2013 und 2017 kamen aus dem Wettbewerb „Exist- Gründungskultur – Die Gründerhochschule“ Drittmittel an, mit denen das Personal zeitweise auf zwölf Mitarbeiter auf- gestockt wurde. 2017 war dann mit 19 Start-ups auch das erfolgreichste Ausgründungsjahr. In der nächsten Exist-Wettbewerbsrunde fiel die Uni aber raus. Ohne die externen Drittmittel schrumpfte das Gründerbüro zusammen, ein Jahr lang war Thomas Maier gar alleine. Aktuell ist es mit vier Halbtagsstellen besetzt. „Wir hoffen, dass unter der neuen Rektorin im Hinblick auf die Exzellenzinitiative auch das Gründerbüro profitieren kann“, sagt er. Die Uni betont auf Nachfrage die Bedeutung des Gründerbüros als wesentlichen Baustein im Kontext „Transfer in die Gesellschaft“. Ob in Zukunft mehr Gelder fließen sollen, teilt sie nicht mit.
Gründet sich ein Start-up aus der Uni heraus, spielt Geld neben Fördermitteln auch an anderer Stelle eine wichtige Rolle. Damit die Jungunternehmer ihr an der Uni entwickeltes Projekt oder Produkt auf den Markt bringen können, braucht es meist einen Vertrag über Lizenzen oder Patente.
Zu diesem Bereich hört man auch kritische Stimmen aus der universitären Start-up-Szene. Es kann dann schon mal Monate dauern, bis in Verhandlungen eine Lösung gefunden ist, mit der sich Gründer wohlfühlen. Die Uni sitze am längeren Hebel, und den nutze sie durchaus, erzählt einer, der nicht namentlich genannt werden möchte, auch wenn er ebenso viel Gutes zu erzählen hätte, wie er sagt.
Eine andere kritische Stimme kommt von Michael Lauk, erfolgreicher Start-up-Unternehmer und Vorsitzender des Verbands der Freunde der Universität. Er spricht sich wegen eines solchen Interessenkonflikts gegen an der Uni angedockte Start-up-Beratung aus, es sollte stattdessen mehr Vernetzung nach außen hergestellt werden.
Wie Ausgründungen bei Fraunhofer funktionieren
In den fünf Freiburger Fraunhofer-Instituten spielt das Thema Ausgründung dagegen eine eher untergeordnete Rolle. Die Forschungsarbeiten zu den Themen Energie, Sicherheit, Kommunikation, Umwelt, Gesundheit oder Mobilität werden dort zum allergrößten Teil von den Instituten selbst oder im Verbund mit Industriepartnern zur Anwendung gebracht.
Auf 15 Ausgründungen kommt man insgesamt, wenn man alle Institute nimmt. Zwölf davon stammen aus dem Institut für Solare Energiesystem (ISE), wo mit 1200 rund die Hälfte aller Fraunhofer-Angestellten in Freiburg tätig sind. Simon Philipps leitet dort die Forschungsstrategie und kümmert sich neben- bei auch um das Thema Start-ups. Als sogenannter „Promoter“ sorgt er dabei vor allem für die interne Vernetzung mit Fraunhofer Venture in München, dem Zentralorgan für potenzielle Gründer in der Fraunhofer-Gesellschaft. Von dort werden Coachingprogramme aufgesetzt, Marktpotenziale untersucht, Fördermittel freigemacht, Verbindungen in die Industrie hergestellt und auch Investitionen getätigt.
Die Freiburger Start-ups, die daraus hervorgegangen sind, heißen Oxygen, NexWafe, Mondas oder Greenventory. Die Taktung der Start-ups am ISE wird schneller. „Gerade haben wir vier Ausgründungen in der Pipeline“, erzählt Philipps. Natürlich gehe es in den Prozessen auch immer um die Hürde, dass Physiker und Ingenieure beim Gründen den Blick vom Technischen auch auf das Betriebswirtschaftliche richten müssen, um letztlich dann die Entscheidung zu fällen: „Wagen wir den Schritt ins Abenteuer?“
Bei der Beantwortung hilft auch ein Netzwerk in der Region, das Fraunhofer aktiv nutzt. Sei es, indem die Start-ups bei Programmen des Grünhofs oder am Baden Campus teilnehmen oder bei Kooperationen mit der Uni. So war es etwa beim nachhaltigen Mobilfunkanbieter Wetell. Das Gründertrio schloss sich aus dem ISE mit seinem Projekt dem Institut für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) der Uni an, über das Gründerbüro klappte es vor zwei Jahren dann mit dem Antrag zum begehrten Exist-Gründerstipendium. „Das war ein aufwendiger Prozess, wir haben uns häufig mit dem Gründerbüro getroffen, und es hat sich gelohnt“, erinnert sich Andreas Schmucker von Wetell. Rund 3000 Kunden hat das Mobilfunk-Start-up inzwischen. Thomas Maier vom Gründerbüro ist einer davon.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Printmagazin in der Ausgabe Februar 2021. Hier geht’s zum Abo!