Die Kunsthalle Messmer in Riegel präsentiert mit der Ausstellung „Drei starke Frauen“ Werke der Künstlerinnen Elvira Bach, Sylvette David und Niki de Saint Phalle. Die ausgestellten Bilder, Skulpturen und Keramiken thematisieren auf vielfältige Weise die gesellschaftliche Rolle der Frau.
Text: Christine Weis
In kecker Pose liegt sie auf dem Vorplatz: grell geschminkt, eine riesige gelbe Blume am Ohr, kariertes enges Kostüm, die Beine in stilisierten High Heels in die Luft gestreckt, in der Hand eine Schüssel mit Obst, aus der ein spitzes Messer ragt. Die Pinkhaarige ist eine von sechs bunten Frauenfiguren aus Steinguss, die die Kunsthalle Messmer im Freien präsentiert. Diese schrillen Skulpturen, etwa 1,40 Meter hoch und 170 Kilo schwer, stammen von Elvira Bach. Turban, Zigarette, große Ohrringe und rote Lippen sind Markenzeichen der 1951 geborenen und in Berlin lebenden Künstlerin. Die Ähnlichkeit zwischen der Schöpferin und den Motiven ihrer Werke ist unübersehbar. Bach lernte Glasmalerei und studierte an der Hochschule der Künste in Berlin. Sie ist eine der „Neuen Wilden“, einer Kunstbewegung aus den Achtzigern, die sich durch farbmächtige Malerei subjektiver Empfindungen im Großformat auszeichnet. 1982 war Elvira Bach die erste Frau, die auf der Documenta in Kassel ausstellte. Bis dahin war die renommierte Kunstmesse ausschließlich männlich dominiert. Seit der Documenta 7 hat Elvira Bach in der internationalen Kunstwelt einen festen Platz. Ihre Werke erzielen aktuell Preise im fünfstelligen Bereich.
„Das biografische Arbeiten verbindet die drei Künstlerinnen der Ausstellung.“
Anja Lechleiter, künstlerische Leiterin Kunsthalle Messmer
Der ehemalige Unternehmer und Kunstsammler Jürgen Messmer holte Elvira Bach bereits vor zehn Jahren nach Riegel und besucht sie regelmäßig in ihrem Kreuzberger Atelier, wie er bei dem Rundgang durch die Ausstellung erzählt. „Ich bin mit ihr oft bis spät in die Nacht durch Kreuzberger Kneipen gezogen. Das Nachtleben ist ihr Ding, bringt mich jedoch an meine konditionellen Grenzen“, sagt der 82-Jährige augenzwinkernd. Ende Juni kam die Künstlerin zur Vernissage nach Riegel. Zuvor reiste sie in diesem Jahr schon mehrfach an den Kaiserstuhl, um ihre Steingussfiguren zu bemalen, die Birkenmeier Stein + Design aus Breisach herstellte. Unter dem Titel „Diven – Grazien – Vamps“ versammelt die Schau zudem einige ihrer großformatigen Frauenbilder. Bach malt ausschließlich Frauen, und zwar nach ihren Idealen: groß, stark, selbstbewusst, verführerisch. Fast alle haben überdimensionierte Hände, rauchen, trinken, balancieren spielerisch Koch- oder Salatköpfe. Zwei Arbeiten zeigen hingegen schmale nackte Frauenfiguren. Sylvester heißt eines, auf dem eine zierliche Frau unter den mächtigen Blitzen eines Feuerwerks verletzlich wirkt.
Kunst als Therapie
„Das biografische Arbeiten verbindet die drei Künstlerinnen der Ausstellung Elvira Bach, Niki de Saint Phalle und Sylvette David“, erklärt Anja Lechleiter, künstlerische Leiterin der Kunsthalle Messmer. Für Niki de Saint Phalle (1930–2002) war Kunst eine Form der Therapie. „Mit ihren Schießbildern drückt sie die Wut auf ihren Vater aus, dem sie hilflos ausgeliefert war“, sagt die Kunsthistorikerin. Niki de Saint Phalle wurde ab dem elften Lebensjahr von ihrem Vater sexuell missbraucht. Ihre Schießbilder entstanden in den Fünfzigerjahren. Die Künstlerin zielte mit einem Gewehr auf mit Farbbeuteln versehene Gipsreliefs, aus denen die Farbe wie Blut herausspitzte – eine Performance, die als symbolischer Tötungsakt gedeutet werden kann. Jürgen Messmer bedauert, dass er keines dieser frühen Werke für die Schau ausleihen konnte. Zu sehen sind in Riegel jedoch eine Reihe von Skulpturen, Grafiken und piktografischen Briefen.
„Das Leben ist wie ein Kartenspiel: Wir werden geboren, ohne die Regeln zu kennen, aber jeder von uns muss mit dem Blatt spielen, das er bekommt.“
Niki de Saint Phalle
Die populären bunten Nana-Plastiken mit ihren korpulenten Frauenkörpern, dicken Schenkeln, großen Brüsten und kleinen gesichtslosen Köpfen kreierte de Saint Phalle seit den Sechzigern. Anja Lechleiter interpretiert die Nanas als Heilung der Künstlerin. 1961 heiratete Niki den Schweizer Objektkünstler Jean Tinguely (1925–1991). Die beiden galten lange als Bonnie und Clyde der Kunstszene und schufen mit dem Tarotgarten in der Toskana eine spektakuläre Fabelwelt aus 22 monumentalen zum Teil begehbaren Skulpturen, die den Symbolen auf Tarotkarten nachempfunden sind. Jürgen Messmer erzählt sichtlich begeistert von seinem Besuch des Gartens. Ein Zitat von Niki auf einer der Wände in den Räumen verweist darauf: „Das Leben ist wie ein Kartenspiel: Wir werden geboren, ohne die Regeln zu kennen, aber jeder von uns muss mit dem Blatt spielen, das er bekommt.“
Die schwächsten Exponate von starken Frauen – zumindest im unmittelbaren Vergleich – sind jene von Sylvette David, die heute Lydia Corbett heißt. Die fast 80-Jährige war Modell und Muse von Pablo Picasso. In der Galerie Messmer sind Gemälde und Keramiken ausgestellt, die unverkennbar an Picasso erinnern. Dieser Abschnitt der Schau soll eine Gedankenreise zurück ins Jahr 1954 ins Töpferdorf Vallauris an der Côte d’Azur darstellen, wo Sylvette David als Mädchen mit dem Pferdschwanz einige Monate für eine Portraitreihe Picassos Modell stand. „Er war für sie ein Ersatzvater und hat sie stark gemacht“, sagt Jürgen Messmer. Vielleicht nicht so stark, dass sie sich von seiner Kunst emanzipiert hätte.
Die sehenswerte Ausstellung „Drei starke Frauen: Elvira Bach, Sylvette David und Niki de Saint Phalle“ mit über 140 Werken auf rund 900 Quadratmetern läuft bis zum 24. November in der Kunsthalle Messmer in Riegel am Kaiserstuhl.