Im Freiburger Museum für Neue Kunst läuft die Ausstellung „Köpfe – maskiert, verwandelt“. Gezeigt werden Kunstwerke aus mehreren Jahrhunderten der Sammlung von Anna und Michael Haas. Die Elzacher Fasnet ist ein zentrales Motiv der Schau.
VON CHRISTINE WEIS
Am 11. Februar um Punkt 12 Uhr ist es so weit: In Elzach geht die Fasnet los. Dann nehmen die Schuttig die Stadt drei Tage in Beschlag. Die charakteristische Narrenfigur Schuttig trägt einen Dreispitzhut aus Schneckenhäusern und Wollbollen, ein rotes Gewand aus Filzzotteln und eine geschnitzte Holzmaske, auch Larve genannt. Die Narren, es sind nur Männer in Elzach, dürfen die Larve in der Öffentlichkeit nicht abnehmen, damit die Person darunter nicht erkannt wird, so verlangt es der alte Brauch. Jede Larve ist ein Unikat und hat ihren eigenen Ausdruck – das Spektrum reicht von freundlich bis gruselig – und es gibt verschiedene Typen: Fratzen, Langnase, Bären- oder Fuchsgfriss, Dotengfriss (Totengesicht) oder Rägemolli (Feuersalamander).
Es überrascht nicht, dass die bizarren Larven und das wilde Treiben der Elzacher Fasnet bereits mehrere Künstler inspirierten. Maler und Grafiker Otto Dix (1891–1969) verewigte einen Schuttig auf seinem Gemälde „Alemannische Masken“ von 1952. Der griechische Maler Dimitris Tzamouranis (Jahrgang 1967) schuf eine Serie von Schuttig-Bildern. Ihn lud das Kunstsammlerpaar Anna und Michael Haas 2013 zum Narrentreffen nach Elzach ein. Derzeit sind das genannte Bild von Dix, Werke von Tzamouranis sowie geschnitzte Schuttig-Larven des in Freiburg lebenden Holzbildhauers Helmut Kubitschek (Jahrgang 1952) im Museum für Neue Kunst in Freiburg zu sehen.
Fasnet und Kunst
Die Ausstellung „Köpfe – maskiert, verwandelt“, von Museumsdirektorin Christine Litz kuratiert, beleuchtet die vielfältige Bedeutung der Maske von Schutz bis Schalk im Kontext des umfassenden Hauptthemas Kopf respektive Gesicht. Im Gesicht lassen sich Emotionen und Gemütszustände ablesen, auch solche, die man eigentlich keinem zeigen will. „Schminke oder Masken verwandeln ein Gesicht, sodass die eigentliche Identität nicht erkennbar ist“, erläutert Litz. In diesem Spannungsfeld von Zeigen und Verfremden bewegen sich die rund 100 Objekte der Ausstellung aus der Sammlung Haas. Darunter sind Gemälde, Skulpturen, Installationen, Zeichnungen und kunsthandwerkliche Objekte vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Elzacher Fasnet bezeichnet die Museumsdirektoren als emotionalen Ausgangspunkt der Sammlung. Michael Haas fügt hinzu: „Für uns gehört die Fasnet ebenso zum Leben wie die Kunst.“
Der 70-Jährige und seine Frau Anna leben in Berlin, sind jedoch mit ihrem Heimatort Elzach eng verbunden. Haas kam schon als Kind mit Kunst in Berührung. Sein Vater war Steuerberater, zu seinen Verbindungen zählte der Berliner Sammler und Galerist Reinhard Onnasch. Im Elternhaus hing etwa ein Bild von dem damals noch wenig bekannten Gerhard Richter. Schon bald nach der Schule wurde es Michael Haas in der Provinz zu eng. Zunächst machte er eine Ausbildung an der Fachschule für Holzbildhauer in Oberammergau, studierte anschließend Bildhauerei an den Kunstakademien in Karlsruhe und Braunschweig und eröffnete 1976 seine Galerie in Berlin, die bis heute besteht.
„Für uns gehört die Fasnet ebenso zum Leben wie die Kunst.“
Michael Haas, Kunstsammler und Galerist
Gespür für Trends
„Ich war noch Student, als ich von einem Mannheimer Kunsthändler die Grafik „Leonie“ von Otto Dix erworben habe“, erzählte Michael Haas bei einer Führung Anfang Dezember. „Der Kunsthändler hat mir für die Zusendung der Arbeit eine Rechnung von fünf DM zugeschickt, die ich bezahlt habe. Einige Jahre später hat er unserer Galerie den Zuschlag beim Erwerb von neun Dubuffet-Werken gegeben, denen etliche Kollegen hinterher waren.“ Der Kommentar des Händlers sei gewesen: Sie haben damals die fünf Mark bezahlt, die sonst niemand bezahlt hat, berichtet Haas. Den Ankauf habe die Sparkasse durch einen Kredit ermöglicht. „Rückblickend betrachtet, würde es ohne die Sparkasse diese Ausstellung heute so nicht geben“, sagt Michael Haas und bekennt sich als fanatischer Kunstsammler. Die gezeigten Werke seien nur ein Teil der Sammlung. Der umtriebige Kunsthändler kennt die Branche und hat ein Gespür für kommende Trends. So konnte er schon einige Werke früh erwerben, die später hoch gehandelt wurden.
Das Sammlerpaar interessiert sich vor allem für die Darstellung des Menschen und die Auseinandersetzung mit dem Menschsein in allen Epochen und Ausdruckformen. Diese Vielfalt von Künstlern, Techniken und Stilen findet Eingang in der aktuellen Schau. Das älteste Werk „Fratze“ ist eine Steinfigur aus dem 14. Jahrhundert. Daneben gibt es Gegenwartskunst wie die Keramik „Old Friend Revisted“ von Thomas Schütte (Jahrgang 1954), eine Schweißermaske von Jonathan Meese (Jahrgang 1970) oder eine Tonarbeit der Senegalesischen Künstlerin Seni Awa Camara (Jahrgang 1945). Die eineinhalb Meter große Frauenfigur setzt sich aus lauter Gesichtern zusammen. Auch die Portraits und Selbstportraits sind vielfältig – von der Expressionistin Paula Modersohn-Becker (1876–1907) bis zu Louis Soutter (1871–1972). Der Schweizer wurde mit 66 Jahren gegen seinen Willen in ein Altenheim eingewiesen und begann dort, mit den Fingern zu malen.
Bald wird vielleicht ein weiteres Werk die Sammlung ergänzen. Michael Haas hat den kanadischen Künstler David Nicholson zur diesjährigen Elzacher Fasnet eingeladen. Gut möglich, dass Nicholson hier Motive für eine nächste Arbeit entdeckt. Zwei Gemälde des 53-Jährigen, der in New York und Berlin lebt, kann man in der Ausstellung bestaunen: ein Selbstportrait des Künstlers und „The Joker“, der böse Clown aus dem gleichnamigen Psychothriller. Die beiden detaillierten und authentisch wirkenden Ölarbeiten sind herausragend. Nicholson hat keine künstlerische Ausbildung. Der Autodidakt eignet sich Techniken von Rubens, Schiele und Klimt an und projiziert diese in die Gegenwart.
„Köpfe – maskiert, verwandelt“ im Freiburger Museum läuft noch bis zum 14. Februar. Wer es nicht in die Ausstellung schafft und Kunst auch in Büchern genießen kann, dem sei der schön gestaltete gleichnamige Katalog empfohlen. Erschienen im Sandstein Verlag gibt es den Band mit 136 Seiten für 28 Euro im regionalen Buchhandel.