Wie lassen sich das Lebensgefühl und das Kulturgut einer ganzen Region am besten in eine gemeinschaftliche Werbung packen? Eine, die Touristen wie Einheimische, internationale Gourmets wie vor-der-Haustür-Genießer am besten mit einer Handvoll Motiven begeistert?
Dass dies nicht ganz leicht ist, zeigt der Schwarzwald: Eine Gegend, die stimmige Bilder im Kopf entfacht, regional überschaubar ist und dennoch nicht ganz einfach zu bewerben: Die Schwarzwald Touristik STG unternimmt viel Aufwand, um zwischen Titisee-Kitsch und Neo-Kuckucksuhr, Filettöpfle-Küche und Black Forest Lounge, zwischen Eventalarm und einsamem Wanderer möglichst viel unter den Bollenhut zu bekommen. Wobei selbst diese Mühen samt neuen Konzepten nicht ausschließen, dass Werbe-Desaster wie der Triberger Bürgermeister mit „geilen Bergen und feuchten Tälern“ den Schwarzwald zum Altherrenwitz erklären.
Ungleich einfacher hat es Südtirol, seit Jahrzehnten ein stolzes Genuss-Pilgerziel und berühmt für Wein, Berge sowie Gasthäuser, bei denen man unfallfrei und mit hoher Basisqualität zum Vesper oder zu den Sternen greifen kann. Dazu werden Weine gereicht, bei denen selbst einfache Winzergenossenschaften Bestnoten in Weinbibeln wie dem „Gambero Rosso“ herbeikeltern.
Von so einem Image kann das Weinland „Baden“ als Werbe-Schicksalsgemeinschaft nur träumen, nicht nur weil es mit 15.000 Hektar die gut zehnfache Menge an Fläche gegenüber den Südtirol-Weinen zu bewerben hat, noch dazu mit einer unbezähmbar anmutenden Sortenvielfalt von Grauburgunder bis Klingelberger. Sondern auch, weil es alles andere als ein regionales Gefühl ins Rennen schicken kann, wenn es darum geht, den ungleich bekannteren Kaiserstuhl neben dem Kraichgau auf Anzeigenspalten im Magazin der „Zeit“ oder anderen Blättern abzubilden. Keine „kompakte“ Region wie beispielsweise die nach Rebflächen ebenbürtige Pfalz oder Rheinhessen – sondern ein 400 Kilometer langer Streifen, der im Süden über Lörrach Richtung Bodensee und im Norden bis hinter Tauberbischofsheim reicht. Wobei mancher Anhänger des badischen Weins nicht wissen dürfte, dass es hier a) Wein gibt und b) diese Ecke noch zur selben Bundesland-Hälfte gehört.
Die Frau, die dies alles zusammen halten muss, heißt Sonja Höferlin und sitzt in Freiburg bei der 2009 neu gegründeten „Badischen Weinwerbung GmbH“. Sie muss nicht nur die richtigen Bilder für das in die Jahrzehnte gekommene Motto „Von der Sonne verwöhnt“ finden (lassen), sondern auch immer wieder jene Winzergenossenschaften und privaten Weingüter in neun Weinbauregionen bei Laune halten, die mal mürrisch den Austritt aus der zentralen Promotion und später stolz den Wiedereintritt verkünden. Eingezahlt wird ob der unterschiedlichen Größen der Mitglieder nach Hektar. Höferlins Ziel ist es, „vor allem national die Aufmerksamkeit auf unsere badischen Weine, die Region und das Handwerk als Grundlage für die Qualität zu lenken.“
Erfolgsmeldungen kreisen in erster Linie darum, ob nun große Abfüller wie die Bezirkskellerei Markgräflerland oder die WG Bötzingen wieder hinter dem kreisrunden „B“ versammelt werden können. Da die Winzer nicht verpflichtet seien, Ihr Betriebsergebnis zu veröffentlichen, sagt Höflerin, sei lediglich eine Orientierung an den Marktanteil-Zahlen der GfK möglich, die übrigens auch bundesweit die Quoten der TV-Sender ermittelt. Und hier sei in den fünf Jahren ihres Wirkens eine Steigerung von 11 auf 13 Prozent realisiert worden. Was umso beachtlicher ist, als die Konkurrenz an Übersee-Weinen nicht kleiner wird und die Messungen bei Supermarktkunden stattfinden, wo der badische Wein zwischen bei den Billgst- und Premium-Tropfen angesiedelt ist.
Zu den Einzahlern zählen auch Spätburgunder-Pioniere wie Joachim Heger vom Ihringer Weingut „Dr. Heger“, aber selbst solche Vorzeige-Mitglieder findet nur, wer sich mühsam durch die Landkarte von badischerwein.de sucht. Heger ist angetan von der Arbeit der Weinwerbung-Chefin, sie mache einen „sehr guten Job“ angesichts der „unterschiedlichsten Interessen und Märkte“. Man müsse „viele kleine Schritte tun“ mit einer Werbung, die der Berufsstand hier selbst unternehme, während es beispielsweise in Österreich oder Südtirol staatliche Förderung besorge. Letztlich könne aber alles nur Werbung für eine „Dachmarke“ sein.
Das betont auch Hanspeter Johner, von den genannten Bötzingern, dienstältester Geschäftsführer einer Winzergenossenschaft in Südbaden. Er weiß ebenfalls um die nicht ganz leichte Aufgabe einer zentralen Weinvermarktung: es sei schwierig, „so ein großes Gebiet werblich abzudecken“, sagt Johner, der aber nicht auf die Werbung verzichten möchte: „Ein Ausruhen wäre gefährlich“ kommentiert er die nicht einfache badische Situation mit Wein für Günstigkonsumenten und Alleskenner, aber auch wenn er selbst „kein Freund vieler Anzeigen“ sei, sondern den Kunden direkt oder im Laden ansprechen möchte, betont auch er, dass „Werbung noch nie sinnlos gewesen ist“.
Zurückhaltender wird er bei den aktuellen Motiven, seit dem Frühjahr 2014 von der Hamburger Werbeagentur „Scholz & Friends“ verantwortet, einer der fünf größten in Deutschland: Johner will sie nicht kommentieren, vermutlich hat er schon viele Debatten beim Viertele darüber erlebt. Was ja nichts schlechtes heißt, wenn die Leute drüber reden.
Objektiv betrachtet muss man allerdings sagen, dass die Werbung für den Badischen Wein, in der sich früher einmal ein echter Kellermeister und ein echter Koch an einem Fass zuprosteten, nur noch wenig mit den Menschen und ihrem Wein hier zu tun hat. Mit ihrem grellgelben Akzent auf die badische Sonne ist die Kampagne von „Scholz & Friends“ vermutlich das am knalligsten Ausgeleuchtete seit der Einführung von „Yello Strom“ Ende der 90er Jahre. Selbst wo es ausnahmsweise mal eine echt ausschauende Winzerrunde ins Bild geschafft hat, ist eine Strahlung einmontiert, die das Weinberg-Vesper ausschauen lässt wie das jüngste Gericht.
Ansonsten sehen wir wenig badische Fotomodelle allen Alters in künstlich gebleichten Reben: ältere Herren, die der fröhliche Bruder von Dieter Hallervorden sein könnten, halten eine Enkelin in den Armen, die entfernt an die Sängerin und Sarkozy-Gattin Carla Bruni erinnert. Junge Frauen fassen mit Pinzettenfingern ein Weinglas und prosten am Flussufer Bohemien-Männern zu, die normal alles im Picknickkorb haben dürften, nur keinen badischen Wein. Ein mittelalter Anzugträger prostet mit einem sehr großen Burgunderglas zu und wirkt so vertrautenerweckend wie ein Makler, der eine nicht mehr mögliche Provision feiert. Dazu eine junge Erfolgsmutter, die sonst zwischen Berliner Mitte und Hamburger Schanzenviertel für alles von der Vollwert- bis zur W-Lan-Anbindung posieren könnte. Sie ist das Aufmachermotiv der Badische-Wein-Website, die sich in die zwei schwer zu greifenden Hauptthemen („Weinland Baden“ und „Weine genießen“) gliedert.
Die Ende 2013 beauftragten „Scholz & Friends“ scheinen jedenfalls alles zu können, nur kein badisch: „Die Profilierung von Marken, die das Leben der Menschen mit Genuss bereichern, ist unsere große Leidenschaft. Der Gewinn der Marke Badischer Wein rundet diese Kompetenz ab.“ (Presseerklärung) So sprechen Leute, die leider nicht tief genug ins Glas geschaut haben.
Mit Blick auf die „Dachmarke“ ahnt man, dass andere als diese wenig authentische Kampagne die Werbearbeit verrichten: Der badische Spätburgunder vom Kaiserstuhl beispielsweise, mit dem selbst in New Yorker Weinhandlungen vor wenigen Jahren „die badische Revolution“ aufs Neue ausgerufen wurde.
Am Ende schaut es so aus, als würde die Musik für das Werbe-Lied vom „Badischen Wein“ vor allem im Südteil Badens gemacht: Hier gibt es nicht nur die prominenten Winzer in Gebieten wie Markgräfler Land, Kaiserstuhl, dem Breisgau und der Ortenau, hier scheint auch der Großteil der Einzahlungen zu sprudeln. „Der Kaiserstuhl ist eigentlich bekannter als das Weinbaugebiet Baden“ raunt ein Winzer, der dieses Zitat nicht mit seinem Namen in Verbindung gebracht sehen mag. Die Aushängeschilder seien in Südbaden, sagt auch Johner, der dies nicht nur mit Renommee, sondern auch mit der Größe der Anbaugebiete begründet. Sonja Höferlin selbst erklärt dies damit, dass 70 Prozent der badischen Reben in einem 70 km-Radius um Freiburg stünden.
Es mag die Freiburger Sicht auf die Dinge sein, aber vielleicht ist am Ende das riesige Weinbaugebiet namens „Baden“ doch ein etwas wackliges Konstrukt, bei dem sich nur hinter der Hälfte der Fassade richtig was verbirgt. Wo man auch hinsieht: In der „Alten Wache“ am Freiburger Münsterplatz, einem ebenfalls von der Sonne verwöhnten Plätzchen, hat man sich selbst zum „Haus der badischen Weine“ ernannt, das bei näherem Hinsehen aber keinen Tropfen von oberhalb des Ortenau-Äquators ausschenkt. In der Freiburger Weinhandlung Drexler, praktisch gelegen an den Kreuzungswegen von Ur-Badenern und 5-Sterne-Touristen, würden durchaus „badische Weine“ verlangt, heißt es hinter der Ladentheke. Bei näherem Hinsehen seien dabei aber ausschließlich die südbadischen Tropfen gemeint, einen Wein aus dem Kraichgau, der Karlsruher Ecke oder aus dem Taubertal habe hier noch keiner gewünscht. Was im übrigen überhaupt nichts über die Qualität aussagt, nur dass hier eben ganz unterschiedliche Leistungsträger in der selben Staffel antreten.
Dass nicht jedem die Gemeinschaft, die „ein gutes Miteinander darstellt, aber ausbaufähig ist“ (Johner) so verlässlich erscheint, beweist übrigens eine WG aus der Ortenau: Wer versehentlich einen Bindestrich in „badischer-wein.de“ eingibt, landet dort: Die so-ähnlich-Adresse hat sich per Umleitung der Ortenauer Winzerkeller gesichert, zwar ein Mitglied der „Badische Wein Gmbh“, aber offenbar auch ein Vertreter, dem das das regionale Hemd näher sitzt als die gesamtbadische Jacke.
Rudi Raschke