Nach exakt zwölf Jahren verabschiedet sich Bärbel Schäfer, die Anfang März 66 geworden ist, von ihrem Amt als Freiburger Regierungspräsidentin. Ein Porträt.
TEXT: KATHRIN ERMERT
Erste Frau, erste Grüne, die erste politische Personalentscheidung. Die Berufung von Bärbel Schäfer als Freiburger Regierungspräsidentin im Frühjahr 2012 besaß Pioniercharakter. Ein Jahr zuvor hatten die Grünen die CDU nach vier Jahrzehnten von der Macht abgelöst, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte die christdemokratische Dominanz auch in der Verwaltung ändern. Er tauschte an der Spitze des Freiburger Regierungspräsidiums den CDU-Mann Julian Würtenberger gegen Bärbel Schäfer aus. Mittlerweile ist weder Frau noch Grün ungewöhnlich. Seit zwei Jahren leitet die Grüne Susanne Bay das Stuttgarter RP. Und solange Schäfer noch im Amt ist, stehen in drei der vier baden-württembergischen Regierungsbezirken Frauen an der Spitze.
Bärbel Schäfer kennt die Pionierrolle von Kind an. Die Tochter eines Installateurmeisters aus dem schwäbischen Geislingen besuchte als erste in der Familie das Gymnasium und studierte von 1978 bis 1982 in Freiburg Jura. Nach dem Examen arbeitete sie in der Kanzlei de Witt und Wurster, wo sie mit Bürgerprotesten gegen Großprojekte wie die B 31 zu tun hatte. Dann wollte sie „dahin, wo die Entscheidungen getroffen werden“ und ging ins Rechtsamt der Stadt Freiburg, zunächst als Sachbearbeiterin. 1992 übernahm sie als erste Frau dessen Leitung und zwar – auch das ein Novum – in Teilzeit. Ihr Sohn wurde 1990 geboren, und ihre Tochter kam 1995 zur Welt. Die Familie war der Grund, warum sie der Stadtverwaltung fast zwanzig Jahre treu blieb, ehe sie zum RP wechselte. Hier wie dort überzeugte sie mit ihrer Kompetenz und Persönlichkeit.
„Ich wollte mit einem interdisziplinären Team zeigen, dass wir die Kommunen und Kreise voranbringen“
„Ich war keine typische Regierungspräsidentin“, sagte Bärbel Schäfer Ende Februar vor Medienschaffenden, die sie das letzte Mail zum Jahrespressegespräch ins Regierungspräsidium eingeladen hatte. Früher war das Amt des Regierungspräsidenten eine Art Gutsele für verdiente Politiker am Ende der Laufbahn. Schäfer war keine Politikerin und hatte einen anderen Anspruch als viele ihrer Vorgänger. Fachlichkeit stand für sie im Vordergrund. „Ich wollte mit einem interdisziplinären Team zeigen, dass wir die Kommunen und Kreise voranbringen“. Ihr Antrieb: Vertrauen in die Institutionen zu schaffen. Ihr hehres Ziel: das Wohl der Allgemeinheit. Wobei sie betont, dass dies nicht der Durchschnitt der Einzelinteressen ist.
Mit dieser Überzeugung ist sie angetreten. „Bärbel, da bisch‘ dabei“, habe sie gedacht, als die erste grüngeführte Landesregierung mit dem Anspruch startete, eine Bürgerregierung zu sein. Es ist eine bittere Ironie, dass der Anspruch, die Menschen mitzunehmen, bald auf die Realität der Wutbürger traf. „Wir mussten eine steile Lernkurve absolvieren“, resümierte Schäfer vor den Journalistinnen und Journalisten. Die Zusammenarbeit mit den Medien sei ihr enorm wichtig, betonte sie. Die Entwicklung sehe sie deshalb mit Sorge.
“Die Leute hören uns nicht mehr zu, und sie lesen keine langen Artikel.”
Bärbel Schäfer
In den zwölf Jahren ihrer Amtszeit haben sich die Debattenkultur und die Art, sich zu informieren sehr verändert. „Die Leute hören uns nicht mehr zu und sie lesen keine langen Artikel“, sagte Bärbel Schäfer. Das spüren sie und ihre Mitarbeitenden fast täglich bei der Arbeit. Vor allem seit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 sind die Töne rauer geworden. Aktuell bekommen sie viel Gegenwind aus der Landwirtschaft. „Wir überlegen mittlerweile, ob wir in große Hallen gehen, wo sich diejenigen das Wort holen, die einem nicht zuhören“, berichtete Schäfer.
Man merkt, dass sie das Thema umtreibt. Sie sieht eine Gefahr für die Demokratie und gibt zu, kein Patentrezept dagegen zu kennen. Klar ist allerdings: Die einfachen Lösungen können es nicht sein. In ihrem Amt erlebte sie immer wieder, dass einerseits auf die Bürokratie geschimpft und Schnelligkeit gefordert, die Verwaltung anderseits aber ausgebremst wird. Die Gesellschaft wolle, dass es schnell geht, wenn es ihr nutzt, aber gründlich ist, wenn die eigenen Interessen andere sind, sagte Schäfer. „Bürokratie entsteht nicht nur in Amtsstuben.“
Sie spricht noch von „wir“ über die Herausforderungen des Regierungspräsidiums. Dessen 1800 Mitarbeitende bekommen einen anderen Chef oder eine andere Chefin. Wer das wird, stand Anfang März noch nicht fest. Womöglich verschwindet Bärbel Schäfer aber nicht gänzlich von der Bildfläche. Sie kandidiert bei der Kommunalwahl im Juni für den Freiburger Gemeinderat. Ihre Begründung: „Ich kann meine ganze Erfahrung doch nicht ungenutzt lassen.“ Wie sie das sagt, klingt es gänzlich uneitel. Die Grünen haben sie auf Platz 23 gesetzt. Angesichts von derzeit 14 grünen Gemeinderäten zwar kein sonderlich aussichtsreicher Platz, allerdings sorgt das Wahlverfahren bei Kommunalwahlen regelmäßig dafür, dass prominente Namen weit nach vorn rutschen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die ehemalige Regierungspräsidentin künftig Freiburger Gemeinderätin ist. Sie gilt schon lang als grünennah und nennt sich selbst eine Grüne, ist bislang aber kein Parteimitglied. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt will sie das ändern.