Zu steil, zu eng, zu felsig: Wo der Krankenwagen aufgibt, eilt die Bergwacht zur Hilfe. Outdoorfreunde und Tourismusgemeinden im Schwarzwald können sich auf sie verlassen, auch wenn die Einsatzkurve nach oben geht.
VON CHRISTINE WEIS
Wanderin stürzt in der Wutachschlucht; Mountainbiker überschlägt sich auf dem Canadian-Trail; Kletterer an der Ruine Falkenstein verunglückt; Lawineneinsatz am Feldberg, Auffahrunfall auf der Sommerrodelbahn in Todtnau: Die Bergwacht Schwarzwald rückt aus, sobald es für den Rettungsdienst zu unwegsam wird und das rund um die Uhr.
60.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden kommen so jährlich zusammen, organisatorische Aufgaben wie die Ausbildung von neuen Bergrettern nicht mitgezählt. Die Schnelleinsatzgruppen werden via Funkmeldeempfänger alarmiert. Im Winter sind die Bergretter im Bereitschaftsdienst direkt vor Ort. Die Helfer transportieren Patienten in der Gebirgstrage oder im Akia bis zum nächsten befahrbaren Weg und leisten medizinische Erstversorgung.
Allein im Jahr 2019 gab es 1453 Einsätze. Im Vergleich waren es im Jahr 2014 noch rund 200 weniger. Zudem findet eine jahreszeitliche Verschiebung statt, denn „Hotspots“ für Unfälle sind nicht mehr nur die Skipisten. „Die sich bereits in den Vorjahren abzeichnende Tendenz zu steigenden Sommereinsätzen setzt sich fort. Es ist zu erwarten, dass sich die Verteilung auf jeweils die Hälfte einpendeln wird“, sagt Pressesprecherin Judith Joos. Die Einsatzkurve zeigt nach oben. Grund dafür ist, dass Outdoor-Aktivitäten immer beliebter werden.
Outdoor ist angesagt
Gleitschirmfliegen, Langlaufen, Klettern, Mountainbiken, Rodeln, Snowboarden, Wandern: Alles ist möglich in Deutschlands höchstem Mittelgebirge. Der Schwarzwald Tourismus wirbt mit diesen vielseitigen Angeboten für Aktivurlaub und schätzt die Arbeit der Bergwacht: „Für den Tourismus ist die im Gelände wahrnehmbare Präsenz und Einsatzfähigkeit der Bergwacht quasi der authentische Beleg dafür, dass man im Schwarzwald im Urlaub ‚sicher sein‘ kann“, sagt Wolfgang Weiler von der Schwarzwald Tourismus GmbH Freiburg.
Vermehrte Freizeitaktivitäten in der Natur und erhöhtes Unfallaufkommen bedeuteten mehr Rettungseinsätze: So ist die Logik und die Konsequenz, dass sich die Bergwacht dieser Entwicklung anpasst. Aber auch ihre Arbeitsbedingungen und Ausstattung müssen mit dem stetig wachsenden Bedarf einhergehen. Dafür reicht das ehrenamtliche Engagement bei weitem nicht aus.
Seit der Neugründung der Bergwacht Schwarzwald im Jahr 1950 haben die Mitglieder in Eigenleistung und mit finanzieller Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg 20 Bergrettungswachen und 19 Bergrettungsstationen eingerichtet. Viele davon sind mittlerweile renovierungsbedürftig. Die Wachen am Kandel, Wieden und Obertal wurden bereits saniert.
In Menzenschwand entsteht in Kooperation mit der Gemeinde St. Blasien ein Neubau. In Hinterzarten ist ein Neubau in Planung. Die Maßnahmen sind der überfällige Abbau eines aufgestauten Investitionsbedarfs, der lange Zeit aufgrund der schlechten Finanzierung nicht realisiert werden konnte, heißt es von Seiten der Bergwacht. Sie sind auch Ergebnis von umfangreichen Verhandlungen mit der Landesregierung, die den Bergrettungsdienst in den touristisch viel genutzten Regionen von Baden-Württemberg mittlerweile stark fördert.
Schwierige Finanzierungslage
Trotzdem stellt die Finanzierung der Bau- und Erhaltungsmaßnahmen die Bergwacht Schwarzwald vor große Herausforderungen: 10 Prozent aller Maßnahmen plus die Kosten, die nicht förderfähig sind, müssen die jeweiligen Ortsgruppen selbst aufbringen. Die Ortsgruppe Freiburg hat gar keine adäquaten Räume im Stadtgebiet. Seit Jahren nutzt sie lediglich eine Garage im Stadtteil Stühlinger.
Patric Hafner, erster Vorsitzende der Ortsgruppe, hofft nun auf den baldigen Baubeginn des neuen Rettungszentrums bei der Hauptfeuerwehrwache an der Eschholzstraße, wo sie zusammen mit weiteren Rettungskräften (Deutsches Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Tauchergruppe Pinguine) einziehen werden. „Wir brauchen dringend Ausbildungs- und Schulungsräume sowie ausreichend Platz für unsere Fahrzeuge. Die Einsätze werden immer anspruchsvoller und haben sich im Stadtgebiet in den letzten fünf Jahren verdoppelt“, so Hafner.
Ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich vom Kaiserstuhl über Rosskopf, Schlossberg, Dreisamtal, Höllental, Schauinsland und im Winter bis zum Feldberg. Die Landesfördermittel werden für Geländewagen, Gebirgstragen, Raupenfahrzeuge, Motorschlitten oder zur Bauunterhaltung verwendet. Eigene Einnahmen generiert die Bergwacht durch Krankenkassenzahlungen für die Rettung von Notfallpatienten. Liegt kein medizinischer Notfall vor, erhält der Betroffene eine Rechnung nach festgelegten Kostensätzen.
Weitere notwendige Finanzmittel sind Spenden, Zuwendungen von Förderern, Einkünfte für die Betreuungen von Sportveranstaltungen oder technischen Anlagen, z.B. Gewährleistung der Evakuierung der Schwarzwälder Seilbahnen bei einem Stillstand. Die Bergwacht braucht Spenden und sucht Sponsoren, aber Nachwuchssorgen kennt sie nicht, obwohl die Ausbildung anspruchsvoll ist und es keine gesetzliche Freistellung vom Arbeitgeber für das Ehrenamt gibt.
Patric Hafner engagiert sich gerne, für ihn ist es die Möglichkeit, für Natur und Menschen etwas Gutes zu tun, und er fühlt sich wohl in der Gemeinschaft. 1500 Mitglieder zählt die Bergwacht Schwarzwald aktuell, davon sind die Hälfte aktive Einsatzkräfte, ausgebildet u.a. in Notfallmedizin und Bergrettungstechnik. Einige von ihnen waren wieder schnell zur Stelle, als am letzten Junisonntag eine 78-Jährige beim Wandern auf dem Weg von Feldberg- Bärental nach Titisee stürzte und in einer Windenrettung mit Rettungshelikopter ins Krankenhaus gebracht wurde.