Wie sich Veränderungen im Beruf gestalten lassen – vom dringenden Jobwechsel bis zum lang angepeilten Ruhestand.
VON UDO MÖBES
Die Hoffnung, dass in einem anderen Job und einem anderen Unternehmen alles viel besser sein wird, zieht sich wie ein Roter Faden durch viele Coaching-Gespräche mit Führungskräften. Sicherlich ist es für die berufliche Entwicklung elementar, auch an anderen Hügeln seine Erfahrungen zu sammeln.
Das gilt heute mehr denn je. Wurde vor zehn Jahren ein Lebenslauf mit langen Betriebszugehörigkeiten goutiert, sieht man sich heute als Bewerber manchmal in der Not, Zeiträume grösser als fünf Jahre schon fast rechtfertigen zu müssen. Die grosse Frage ist: Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Veränderung?
Die selektive Wahrnehmung schiebt mit an
Jeder der schon mal einen Arm in Gips hatte, kennt das: Man sieht nur noch Leute mit Gips herumlaufen. So kann es einem auch bei Betrachtung des eigenen Jobwechsels gehen. Wenn man meint, es läuft nicht gut, dann sieht man nur noch das, was nicht mehr läuft. Und das, was gut läuft, tritt in den Hintergrund oder wird selbstverständlich.
Ohne fremde Hilfe fällt es manchmal schwer, aus dieser Spirale wieder rauszukommen. Das gilt auch für die Wahrnehmung meines beruflichen Umfelds. Ab dem Moment, an dem ich selbst mit dem Gedanken der Veränderung spiele, fällt mir auf, wo sich andere gerade verändern. Massenweise Messages von Xing und Linked-in verstärken diesen Effekt. Und so entsteht bei mir bald die Sorge, dass ich etwas verpasse.
Auf Ursachenforschung gehen…
Es ist weit verbreitet und vielleicht auch schon gesellschaftlich toleriert, die äußeren Umstände verantwortlich zu machen. Viele Inhalte in den Sozialen Medien strotzen vor dieser Haltung. Die beliebtesten Projektionsflächen sind sicherlich Politik und Umwelt. Nicht weit danach im Ranking kommen dann Job und Arbeitgeber.
Aber macht man es sich damit nicht zu einfach? Schließlich bin ich einer von 250, 100 oder 10 Mitarbeitern? Welchen Beitrag habe ich persönlich an meiner Situation? Und habe ich meine Gestaltungsmöglichkeiten denn wirklich bisher ausgeschöpft? In einem Coaching eignet sich dazu die Fragestellung: „Was gibt Ihnen Energie in ihrem Job – was zieht Ihnen Energie?“ So lichtet sich oft zum ersten Mal das Kuddelmuddel der Unzufriedenheit.
Und das Motiv der Veränderung wird klarer. Wer den Dingen auf den Grund gehen möchte, vertieft das mit: „Welchen eigenen Beitrag hat man an den Dingen, die Energie ziehen?“ Zum Beispiel: Das Unternehmen wird sich nicht ändern. Was habe ich in der Vergangenheit dafür getan, etwas zu bewegen?
Habe ich mich dafür schon einmal mit aller Kraft eingesetzt und bin aufgelaufen? Wirklich? Oder ist es vielleicht nur ein Glaubenssatz von mir, dass das eh niemand hören möchte? Und: „Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass diese Dinge nicht auch wieder im neuen Job auftauchen?“ Stück für Stück gewinnt so an Kontur, was bisher vielleicht nur ein Bauchgefühl oder eine fixe Idee war.
Schlimmer geht nimmer?
„Love it, change it or leave it“. Wenn man die beiden ersten Optionen wirklich ausgeschöpft hat, dann kommt man an den Punkt, an dem wirklich eine Veränderung fällig wird. Aber Vorsicht: Je grösser der Leidensdruck, desto geringer ist die Sorgfalt bei der Veränderung.
Auf Außenstehende wirkt das manchmal wie eine Übersprunghandlung. Es ist ratsam, bei solchen Entscheidungen zu entschleunigen und nicht aus Emotion Tatsachen zu schaffen. Sehr hilfreich kann es sein, vorher den Austausch mit Vertrauten aus dem beruflichen Umfeld zu suchen.
Idealerweise ist das aber ein Thema, welches man auch sehr früh zuhause mit seinem Lebenspartner besprechen sollte. Das scheint manchmal eine große Hürde zu sein. Warum? Die Sorge ist, dass mögliche Veränderungen beim Gegenüber allerlei Verunsicherungen auslösen. Generell kann es eine Führungskraft Überwindung kosten, selbst mit Unsicherheit und Unklarheit umzugehen. Schließlich steht gefühlt genau das Gegenteil in der eigenen Stellenbeschreibung.
Die Erfahrungen mit dem Partner sind manchmal überraschend. Der Partner kann erleichtert sein, dass die Situation erkannt wird. Vielleicht hat das Thema und die Unzufriedenheit auch schon längst Auswirkungen auf die Partnerschaft? Dann kann die Öffnung etwas Befreiendes haben.
Unruhe im Ruhestand
Wer hat das noch nie gehört? „Ich könnte gut ohne Arbeit sein. Ich war lange genug Chef.“ In Gesprächen mit frischen Ruheständlern erfährt man aber später, daß nach spätestens zwei Monaten erste Verspannungen auftauchen. Der „lange Urlaub“ scheint dann vorbei zu sein und man ist gut erholt für neue Aufgaben. Nur: Welche neuen Aufgaben? Reisen, Sport, Gartenarbeit, Urlaubsfotos ausmisten oder etwas anderes mit Computer? Ist das mein neuer Wirkungskreis?
Es scheint so, als wäre es für manche eine Herausforderung, diese freie Zeit dann wirklich als Freizeit zu empfinden und sich nicht „wertlos“ zu fühlen. Bisher hatten der volle Terminkalender und Maileingang einem immer die eigene Wichtigkeit gespiegelt. Für manche ist das schon eine Umstellung, die es zu meistern gilt.
Wie kann ich mich darauf vorbereiten? Welche Möglichkeiten gibt es, wie ich mein Wissen noch Unternehmen und Führungskräften zur Verfügung stellen kann? Oder wie kann ich mich dann Menschen (Partner, Kinder, Enkelkinder, Nachbarn oder sozial schwächeren Mitmenschen) zuwenden und das machen, wozu ich mir früher nie die Zeit genommen habe?
Oder gibt es Projekte, die mir am Herzen liegen und die ich endlich angehen kann? Das Schöne ist: Im Unterschied zum bisherigen Wirken steht der wirtschaftliche Erfolg nicht mehr im Vordergrund. Und das eröffnet wirklich ganz neue Möglichkeiten.
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business- Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte. Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes wird an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit Coaching- Themen an unsere Leser weitergeben.