Das Draußen-Sporteln der „Trimm Dich“-Bewegung aus den 70er Jahren erlebt gerade ein Comeback. Fitness an der frischen Luft ist angesagt, immer mehr Bewegungsparks entstehen im öffentlichen Raum, auch in Südbaden. Wer sie initiiert und was Städte und Gemeinden investieren.
VON ANNA-LENA GRÖNER
„Schwimm mal wieder“, „Fahr mal wieder Rad“ – dazu riet uns in den 1970er Jahren „Trimmy“, das gutgelaunte Maskottchen der „Trimm- Dich“-Bewegung, die der Deutschen Sportbund auslöste. Die ganze Nation zimmerte „Trimm-Dich-Pfade“ in ihre Wälder und die Bevölkerung schlüpfte in die Laufschuhe.
Auf einer vorgegebenen, meist drei bis vier Kilometer langen Joggingrunde wurde in regelmäßigen Abständen auf Baumstämme gehopst, darüber balanciert oder an Reckstangen geschwungen und Hampelmänner gehüpft. Noch immer findet man vermooste und morsche Relikte aus dieser Zeit am Wegesrand, die deutlich machen: Die „Trimm-Dich“-Bewegung ist in die Jahre gekommen.
Sport verlagerte sich vor allem um die Jahrtausendwende vermehrt in die Fitnessstudios, die wie Unkraut aus dem Boden schossen. Erst seit ein paar Jahren sorgen aufkommende Sportarten wie Crossfit, Calisthenics, Freeletics oder Street-Workout, die ihren Ursprung in den Outdoor-Sportparks von Amerika haben, dafür dass individuelle Bewegung an der frischen Luft wieder angesagt ist. Der Trimm- Dich-Trend von damals erlebt ein Revival.
Die Unterschiede: Die Geräte stehen heute an einem zentralen Ort und nicht mehr nur im Wald. Immer mehr solcher Bewegungsparcours entstehen im öffentlichen Raum, gerne in der Nähe von vorhandenen Spielplätzen. Neben Elementen aus Holz kommen heute vor allem wetterfeste und langlebige Materialien wie Edelstahl und Kunststoff zum Einsatz.
„Wir versuchen nachhaltig zu planen“, sagt Jutta Herrmann-Burkart, Abteilungsleiterin Grünflächen beim Freiburger Garten und Tiefbauamt. „15 bis 25 Jahre ist eigentlich eine normale Alterserwartung eines Outdoor-Spiel- und Sportgerätes. Und dann ist es auch gut, weil eine andere Generation am Start ist und etwas anderes möchte. Für die Ewigkeit wollen wir das nicht bauen.“ Reine Calisthenics-Parks (hier wird ausschließlich mit dem eigenen Körpergewicht an Stangen gearbeitet) richten sich vor allem an die jüngere Generation und kommen mit wenigen Stahlelementen aus.
So genannte Misch- und Mehrgenerationen- Anlagen haben zusätzlich Balance-Objekte, Parcours-Wände zum Erklimmen und Darüberspringen oder wetterfeste Fitnessgeräte, wie man sie aus den Studios kennt. „Die Fitnessgeräte können ganz sportlich genutzt werden, aber auch jemand, der bewegungseingeschränkt ist, kann daran langsamer arbeiten, um wieder mehr Mobilität zu erlangen“, sagt Herrmann-Burkart. Welche Übungen an den einzelnen Geräten möglich sind, steht auf kleinen Hinweistafeln oder wird über einen QR-Code in kurzen Videos auf dem Smartphone erklärt.
„Die Fitnessstudios waren geschlossen, das hat die Leute rausgeholt.“
Sabine Schlegel, Sportwissenschaftlerin am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Uni Freiburg
Und was, wenn falsch trainiert wird? „Natürlich gibt es potenzielle Gefahren, aber wenn man langsam einsteigt und sich anfangs an einfache Versionen hält, dann ist das Risiko minimal“, sagt die Sportwissenschaftlerin Sabine Schlegel. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Silke Bergmann und sechs Studenten vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg hat sie den neuen Bewegungspark im Sternwald in Zusammenarbeit mit dem Forstamt maßgeblich mitgestaltet.
Oberhalb des Wiehre-Bahnhofs können erfahrene Sportler und motivierte Anfänger seit Oktober 2020 an den Geräten ihr Gleichgewicht, ihre Ausdauer und den gezielten Muskelaufbau trainieren. „An jedem Gerät sind drei verschiedene Schwierigkeitsgrade umsetzbar, damit sich möglichst viele angesprochen fühlen“, sagt Sabine Schlegel.
Die unterschiedlichen Übungen sollen bald über QR-Codes veranschaulicht werden. „Hier sind wir pandemiebedingt noch etwas in Verzug“, sagt Schlegel. Rund 30.000 Euro zahlte die Stadt Freiburg für die neue Sportanlage, für deren Instandhaltung in Zukunft das Forstamt zuständig ist, da die Anlage im Wald steht. Ob direkt im Stadtviertel oder versteckt im Wald, geprüft wird vierteljährlich, einmal im Jahr gibt’s die große TÜV-Hauptuntersuchung. Die anfallenden Sanierungskosten solcher Anlagen werden von Stadt- oder Gemeindekasse übernommen.
Beteiligung lohnt sich
Bei der Planung solcher Spiel- und Sportstätten im öffentlichen Raum können die Bürger des jeweiligen Stadtteils oder der Gemeinde immer mitwirken. „Wir rufen zu einer von uns gewünschten, breiten Beteiligung auf und veröffentlichen anschließend die Pläne im Intranet“, sagt Jutta Herrmann-Burkart vom Garten- und Tiefbauamt.
Falls im öffentlichen Haushaltstopf gerade kein Geld für eine Umsetzung zur Verfügung steht, haben bereits andere regionale Projekte bewiesen, dass sich der Einsatz der Bürgerschaft lohnt und eine Finanzierung auch anders möglich ist: Zuletzt wurde ein Bewegungspark im Rieselfeld durch die Initiative der Gruppe „Äwir – Älter werden im Rieselfeld“ und des Bewegungstreffs verwirklicht.
Nach Gesprächen mit Banken, Geschäften vor Ort und Stiftungen konnten genug Spenden gesammelt werden, um die Mehrgenerationen-Anlagen beim „Grünkeil“ umzusetzen. Das Garten- und Tiefbauamt übernahm für rund 10.000 Euro den Einbau der Geräte. In Hinterzarten steht seit März dieses Jahres ein Bewegungsparcours, den die Bewohner dem Einsatz der „Initiative Zukunft Hinterzarten“ zu verdanken haben.
Sie stellte einen Antrag beim „Leader“-Förderprogramm Südschwarzwald. Von den 30.500 Euro wurden 18.300 Euro übernommen, der Rest wurde durch Spenden und aus dem Budget der Kommune finanziert.
Großes Ziel „Human Flag“
Für die Senioren der Gemeinde Gundelfingen wurde im vergangenen Jahr ein Bewegungstreff in der Ortsmitte eingerichtet. Für 20.000 Euro entstanden auf die Initiative des Bürgertreffs vier altersgerechte Fitnessgeräte. Die Kosten übernahm der Gemeindehaushalt.
Weiter bekam die Gundelfinger Jugend im Februar 2020 ihre eigene „Outdoor- Muckibude“, wie sie den reinen Calisthenics- Parcours genannt haben. Der steht in sportlicher Nachbarschaft zum Waldspielplatz und dem Mountainbike Trail „Flying Gufi“ und ist das Ergebnis einer starken Jugendbeteiligung.
„Dort wurde der Wunsch laut, solche Outdoor- Sportgeräte zu installieren“, sagt Gundelfingens Bürgermeister Raphael Walz. Die Diskussion habe rasant Fahrt aufgenommen und auch auf einen Standort einigte man sich schnell, so Walz. „Die Auswahl der Gerätschaften und die Anforderungen wurden von den Jugendlichen selbst recherchiert und mit dem Bauamt abgestimmt. Die Gemeinde hat letztlich das Budget bereitgestellt.“
Knapp 30.000 Euro wurde in die Calisthenics-Anlage investiert, an deren Stangen die jungen Sportler mit ihrem eigenen Körpergewicht Übungen machen. Das große Ziel der Motivierten: eine „Human Flag“, eine Art seitlicher Handstand, bei dem der Körper im 90 Grad- Winkel von der Eisenstange weggestreckt wird – jeder Muskel ist gefragt.
Besonders für die junge Altersgruppe sind diese Angebote wichtig. „Es ist doch interessant: die Kleinen sind süß, auf die Älteren soll man achten und dann gibt es die Jugendlichen, die gerade in dieser Zeit Angebote brauchen, um sich treffen zu können und sich im besten Fall gemeinsam bewegen“, sagt Jutta Herrmann-Burkart.
Und die Wertschätzung solcher „Muckibuden“ steigt, wenn die Jugend bei der Planung mit einbezogen wird. Die Liste der neu entstandenen Frischluft- Fitnessstudios in Südbaden könnte noch lange weitergeführt werden: von der Ortenau bis an die Schweizer Grenze, vom Hochschwarzwald bis an den Rhein. Die Pandemie hat solchen Anlagen einen weiteren Attraktivitäts-Schub verliehen.
„Die Fitnessstudios waren geschlossen, das hat die Leute rausgeholt“, sagt Sportwissenschaftlerin Sabine Schlegel. Und wer einmal Frischluftsport geschnuppert hat, der geht so schnell nicht mehr rein.