Die Brauereien gehören zu den von der Pandemie stark betroffenen Unternehmen. Wie haben sie die Krise überstanden – und geht es jetzt, im Sommer mit seinen vielen Festen aber ohne Fußball-WM, wieder aufwärts? Ein Blick in die Region.
VON SUSANNE MAERZ
Regionale, mittelständische Brauereien müssen sich schon einige Jahre in einem schwierigen Marktumfeld behaupten: Der Bierkonsum geht zurück, überregionale Braukonzerne bieten ihre Biere häufig zu Dumpingpreisen an. Wer auf Qualität und Handwerk setzt wie viele regionale Anbieter, kann da nicht mithalten. Der Trend zu hochwertigen regionalen Produkten kommt ihnen allerdings entgegen. Die Pandemie hat dennoch alle getroffen. Besonders die, die einen hohen Fassbieranteil haben, also die meisten Hektoliter nicht im Supermarkt verkaufen, sondern Gaststätten oder Veranstaltungen beliefern.
Für die kleine und feine Hirschen-Brauerei aus Waldkirch hat dies das Aus bedeutet: Vergangenes Jahr stellte die Betreiberfamilie Neff nach 153 Jahren den Braubetrieb ein. „Sinkender Bierabsatz, steigende Rohstoffpreise, Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Hilfs- und Betriebsstoffen und ein dramatischer Umsatzeinbruch während der Corona-Pandemie sorgten dafür, dass die Bierproduktion in der Hirschen-Brauerei nicht mehr kostendeckend war“, heißt es auf der Website. Das Unternehmen besteht indes fort: als Getränkehandel, dem ehemals zweiten Standbein des Betriebs. Er vertreibt nun neben alkoholfreien Getränken die Biere eines anderen familiengeführten Betriebs aus der Region: der Hirsch-Brauerei Honer aus Wurmlingen im Landkreis Tuttlingen.
Enorm gestiegene Preise
Die Waldkircher sind nicht die einzigen, denen sich die Existenzfrage gestellt hat: „Es kämpfen einige Brauereien bundesweit und in Baden-Württemberg wirtschaftlich ums Überleben“, sagt Denni Föll, Pressesprecher des baden-württembergischer Brauerbunds. „So schlimm war die Lage der Brauereibranche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.“ Die Pandemie sei der Startschuss der Misere gewesen. Jetzt kommen „enorm gestiegene Energiekosten“ und ebenfalls deutlich höhere Rohstoffpreise beispielsweise für Glasflaschen, Verpackungen, Etiketten und Kronkorken dazu. Angesichts langfristiger Verträge seien dagegen die Preise unter anderem für Braugerste stabil.
„So schlimm war die Lage der Brauereibranche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.“
Denni Föll, Pressesprecher des baden-württembergischer Brauerbund
Wie geht es den Großen im Land? „Kein Bedarf“ hieß es von der Staatsbrauerei Rothaus auf die Presseanfrage zur aktuellen Lage. Schon länger hält sich die in Landesbesitz befindliche Brauerei zurück, wenn es um ihre Geschäfte geht. Mit ihren Plänen, bis 2030 klimapositiv zu werden, ging sie dagegen an die Öffentlichkeit. 40 Millionen Euro wird die Brauerei dafür aus eigenen Mitteln finanzieren. Von Existenznot keine Rede. Gleichwohl macht auch Rothaus die Pandemie zu schaffen. Das zeigt der Jahresabschluss des Unternehmens für 2020, der, wenn schon nicht bekannt gegeben, doch wenigstens im Bundesanzeiger zu finden ist: Der Umsatz ging um 10,3 Prozent auf 68 Millionen Euro zurück. Rothaus konnte 2020 auch dank Kurzarbeit mit Gewinn vor Ertragsteuern abschließen: Der ging zwar um vier Millionen zurück, betrug aber immerhin 11,6 Millionen Euro.
Hoffen auf gutes Wetter im Sommer
Der zweitgrößten Brauerei der Region, die Fürstlich Fürstenbergische Brauerei mit Sitz in Donaueschingen, haben „die vergangenen zwei Jahre Pandemie einiges abverlangt“. Dies sagt Geschäftsführer Georg Schwende und nennt Gastroschließungen, Eventabsagen und Kurzarbeit als Stichworte. Geschäftszahlen sind auch von Fürstenberg nicht zu erfahren. Die Paulaner Brauerei Gruppe, zu der Fürstenberg gehört, verzeichnet 2020 einen Rückgang der Umsatzerlöse von 12,4 Prozent auf rund 305 Millionen Euro (Quelle ebenfalls Bundesanzeiger) und nennt vor allem die ausgefallenen Großveranstaltungen als Grund. Auch Schwende sagt: „Die Absatzverluste in den Bereichen Gastronomie und Veranstaltungen konnten wir trotz der positiven Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel nicht vollständig kompensieren, auch nicht beim Umsatz.“ Unterm Strich sei die Brauerei aber „ganz gut durch die Krise gekommen“.
Risiko fehlende Arbeitskräfte
Zurzeit machen ihm die „massiven Kostensteigerungen“ zu schaffen – und auch indirekt die Personalsorgen der Gastronomie. Und doch blickt Schwende hoffnungsvoll auf die zahlreichen Events wie das Zelt-Musik-Festival in Freiburg, die wieder stattfinden dürfen. „Unser Kalender mit regionalen Veranstaltungen, bei denen wir Bier und Equipment liefern, ist über die Sommermonate nahezu ausgebucht“, sagt er. Daher ist es für ihn wichtig, dass die Veranstalter und Gastronomen genügend Mitarbeitende finden – und das Wetter stimmt. Dass es „sonnig und nicht zu heiß“ wird, ist für Schwende wichtiger als eine Fußballweltmeisterschaft.
Für die Brauerei Waldhaus sind Feste weniger wichtig, setzt das Familienunternehmen doch 81 Prozent seiner Biere im Lebensmitteleinzelhandel ab. Hier spüre man derzeit eine negative Entwicklung, berichtet Geschäftsführer Dieter Schmid. „Das haben wir aber aufgrund der enormen Zuwächse in den Coronajahren erwartet und eingeplant.“ Das seit Jahren überdurchschnittlich wachsende Familienunternehmen hat auch die Pandemie atypisch für die Branche gemeistert: „Alles in allem sind wir mit einem hellblauen Auge durch diese Zeit gekommen, mussten allerdings das erste Mal seit 20 Jahren einen kleinen Umsatzrückgang verbuchen“, sagt Schmid. Der Umsatz betrug vergangenes Jahr 13,0 Millionen Euro, 2020 waren es 13,4 Millionen Euro.
Trotz der Preissteigerung ist er derzeit optimistisch. Bislang sei das hoch gesteckte Ausstoßziel erreicht worden. „Die entscheidenden Sommermonate liegen allerdings noch vor uns“, sagt Schmid. Auch das Geschäft mit der Gastronomie läuft für Waldhaus wieder gut. Der Fassbieranteil lag im April wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Bei aller Freude darüber berichtet Schmid auch von der „heterogenen Situation“ seiner Gastronomiekunden, die von sehr gut bis dramatisch reiche.
Vom Schwarzwald in die Ortenau: Sein Unternehmen sei Dank der staatlichen Hilfen wie der Kurzarbeit relativ gut durch die Pandemie gekommen. Das sagt auch Oliver Braun, Geschäftsführender Gesellschafter der Brauwerk Baden GmbH aus Offenburg – einer in ihrer Größe typischen mittelständischen Familienbrauerei. Alle 30 Mitarbeitenden hätten gehalten werden können. Allerdings brach der Umsatz um etwa 70 Prozent im Vergleich zu 2019 ein – so hoch ist auch der Gastronomieanteil. „Für 2022 hoff en wir auf eine annähernde Erreichung unserer Umsatzzahlen 2019“, sagt Braun.
Grund für seinen Optimismus sind in erster Linie die weggefallenen Coronabeschränkungen und die daher guten Aussichten für Gastronomie und Eventbranche im Sommer. Allerdings bereitet Braun das „veränderte, verkürzte Ausgehverhalten der Gastronomiekunden“ Sorgen. Der Gaststättenbesuch werde auf das Essen reduziert, der Stammtischanteil sei viel kürzer als früher. Zudem fürchtet er, dass die Menschen angesichts der anhaltenden Inflation beim Gastronomiebesuch sparen. Der Personalmangel vor allem in der Gastronomie, aber auch bei Fahrern im Logistikbereich sowie die Preissteigerungen zählen für ihn zu den derzeit größten Risiken. Diese sowie die fehlende Planbarkeit, die damit sowie der Coronapandemie einhergehe, könne sich zu einer existenziellen Bedrohung für die gesamte Braubranche entwickeln, fürchtet er.