Biere aus der TV-Werbung, regionale Großbrauereien und trendiges Craft Beer – es könnte für das lokale Bräu vom Dorf immer enger werden. Drei kleine Bierproduzenten aus Elzach, Lenzkirch und Hornberg schaffen es auf unterschiedliche Art, ihren Markt zu sichern.
Von Simon Langemann
Eine schmale Straße am Rande von Hornberg, jenem idyllischen Städtchen im Südosten des Ortenaukreises, gelegen zwischen Schonach, Elzach und dem Kinzigtal. Rechts erhebt sich der Schwarzwald. Links erblickt man in einem Giebel das Schild der Brauerei Ketterer, einer der wenigen kleinen Brauereien, die es in der Region noch gibt. Insgesamt 30 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, davon jeweils ein Drittel in Verwaltung, Produktion und Vertrieb. Malt man sich ein Familienunternehmen jenseits der Platzhirsche wie Rothaus oder Fürstenberg aus, kommt einem diese Zahl überraschend groß vor. Das ändert sich, sobald man sich durch das schier endlose Innenleben der Brauerei führen lässt. Sudhaus, Hefekeller, Gär- und Lagerkeller, Filterkeller: In jedem der überwiegend mit Edelstahl ausgerüsteten Räume duftet es auf andere Art und Weise nach Bier.
Verkauft wird es in einem Radius von circa 60 Kilometern, hauptsächlich in der Gastronomie, in Getränke- und Supermärkten, in Vereinsheimen und auf Festen. Philipp Ketterers Büro liegt am anderen Ende des Hauses. Der 44-jährige leitet den 1877 gegründeten Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Anke, deren Nachnamen er angenommen hat, und deren Vater Michael. Pils, Weizen, Kristall, Export, Radler und neuerdings auch ein Helles: Das Sortiment der Ketterers mutet traditionell an. Der seit einigen Jahren um sich greifende Craft-Beer-Hype hat lediglich mit dem saisonalen „Black Forest Summer Ale“ Einzug gehalten. Für sogenannte „Gypsy Brewer“ zu produzieren, also für Craft-Beer-Marken ohne eigene Brauerei, kam nie in Frage – nicht aus Prinzip, sondern aus Kapazitätsgründen: „Wir liegen im engen Tal, unser Platz ist begrenzt“, sagt Philipp Ketterer.
Mit den eigenen Produkten sei man gut ausgelastet. Den Vertrieb von Handelsware, etwa von Coca-Cola, hat das Unternehmen deshalb bereits 2015 eingestellt. Erst kürzlich hat die Familie einen Teil ihres angrenzenden Privatgrundstücks zum Brauereigelände umfunktioniert. Und als nächstes steht der Abriss und Neubau der Voll- und Leerguthalle an, um den Platz besser zu nutzen. Über ihren jährlichen Hektoliter-Ausstoß schweigen die Ketterers, aber so viel verraten sie gerne: Der Firma gehe es gut. Im heiß-trockenen Sommer vermeldete man ein Absatzplus von 7,3 Prozent für die erste Jahreshälfte 2018. Nicht minder optimistisch gibt man sich circa 60 Kilometer weiter in Lenzkirch, allerdings auf anderer Grundlage: Seit 2013 produziert die ebenso traditionsreiche Brauerei Rogg für verschiedene lokale Craft-Beer-Marken wie „Emma – Bier ohne Bart“ oder das Freiburger Braukollektiv.
Vom Experiment habe sich das Ganze zu einem echten Standbein entwickelt, sagt Inhaber Joachim Rogg – nicht zuletzt, weil es sich um ein hochwertiges Produkt mit entsprechendem Preis handle. Das eigene Sortiment belässt die Brauerei wiederum traditionell, schon allein um den Partnern keine zusätzliche Konkurrenz zu machen. Denn die Kooperationen machen mittlerweile 15 Prozent des jährlichen Gesamtausstoßes von 5.200 Hektolitern aus. Zum Vergleich: Die Brauerei Waldhaus hat dieses Jahr bereits das Überschreiten der 100.000-Hektoliter-Marke gefeiert (siehe Meldung auf Seite 77). Doch glaubt man Joachim Rogg, geht es auch dem 1846 gegründeten Familienbetrieb mit seinen 16 Mitarbeitern bestens. Und das war durchaus mal anders, früher, als die sogenannten TV-Biere wie Bitburger oder Warsteiner angesagt waren. Auch dass der nur 15 Kilometer entfernte Konkurrent Rothaus sich zwischenzeitlich zur bundesweiten Kultmarke entwickelte, machte der kleinen Brauerei zu schaffen – bis vor wenigen Jahren.
„Sie sind nicht mehr so unantastbar wie sie mal waren“, sagt Rogg. „Früher war der Hype ja viel größer.“ Handwerklich gebrautes Bier aus unabhängigen Brauereien: Folgt man dieser ursprünglichen Definition, handelt es sich bei sämtlichen Produkten der kleinen Traditionsbetriebe ohnehin um waschechtes Craft Beer. „Wir machen das schon immer so“, sagt auch Johannes Dold von der Elzacher Löwenbrauerei. „Insofern habe ich bis jetzt noch nicht beschlossen, dass wir uns auf einmal Craft-Beer-Brauerei nennen, wie das ja viele machen.“ Der 63-Jährige, der die 1856 gegründete Brauerei (sieben Mitarbeiter, 5000 Hektoliter Ausstoß) in fünfter Generation führt, scheint dafür auch keinen Anlass zu sehen. Es laufe gut, man sei sehr zufrieden – und könne jedes Jahr ein bisschen investieren. „Früher hatten wir es schwerer“, sagt Dold. „Man spürt, dass die Leute wieder mehr auf Regionalität setzen.“
Philipp Ketterer ist sich da nicht ganz sicher. „Das sagen viele, aber allein aus Mitleid kauft unser Bier auch keiner, nur weil wir regional sind. Die Qualität muss stimmen.“ Die Craft-Beer-Bewegung hingegen, die nutze durchaus auch ihnen als alteingesessener Traditionsbrauerei, sagt Ketterer. „Einfach weil man wieder mehr über Bier spricht.“