Von der Umgestaltung der Innenstadt über einen neuen Gewerbepark bis hin zu einem Gründerzentrum: In der Europastadt bewegt sich was.
Von Uli Homann
Breisach hat unter den Städten Südbadens zwei Besonderheiten: Es trägt auf Grund einer Abstimmung den Titel „Europastadt“, was zu seiner Lage direkt an der Grenze zu Frankreich passt, und es hat dem Breisgau seinen Namen gegeben.
Durch das größere und ältere Freiburg im Breisgau wurde der Landschaftsname bekannt, zurück geht er auf Breisach mit seinem „mons brisiacus“ aus römischer Zeit. In den zurückliegenden Jahren hat Breisach ein ständiges Bevölkerungswachstum erlebt; aktuell leben hier 15 500 Menschen, unter Berücksichtigung der Teilorte Gündlingen, Niederrimsingen, Oberrimsingen mit Grezhausen und dem Stadtteil Hochstetten, der als „Filialort“ seit 1230 zu Breisach gehört. Breisachs erste mit Datum versehene Erwähnung geht zurück auf das Jahr 369, als Kaiser Valentinian I. im Breisacher Castell ein Edikt unterzeichnete. Zur Europastadt wurde Breisach, weil es vom Kongress der Europa-Union, der 1950 in Hamburg tagte, zum Ort der ersten Probeabstimmung für die Bildung eines „Bundesstaates Europa“ auserkoren wurde.
Obwohl die Breisacher Bevölkerung gerade in der letzten Kriegsphase schwer zu leiden hatte, viele Gebäude durch Brandstiftungen seitens der Besatzungsmacht vernichtet wurden und die Menschen Plünderungen ertragen mussten: das Ergebnis der Wahl war bemerkenswert. Bei einer Wahlbeteiligung von 87,5 Prozent sprachen sich annähernd 96 Prozent der Breisacher für einen europäischen Bundesstaat aus. Daran erinnern das Europa-Licht und eine der Stadt verliehene Europafahne auf dem Eckartsberg.
Franzosen kommen gern und zahlreich
Breisach brauchte trotz 85 Prozent zerstörter Gebäude nur zehn Jahre für den Wiederaufbau, heißt es in einer Chronik von Stadtarchivar Uwe Fahrer. Mit einem Einzugsgebiet von 40 000 Menschen beiderseits des Rheins entwickelte sich die Stadt zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort. Der Einzelhandel macht annähernd die Hälfte seines Umsatzes über französische Kundschaft – am Wochenende rollt Auto an Auto über die vor einigen Jahren sanierte Rheinbrücke, die Franzosen kommen, um in Breisach am Rhein einzukaufen und sind natürlich willkommen. Größere Anziehungskraft als die Breisacher Innenstadt und zentrale Neutorstraße zeigen das der Stadt nahe dem Badischen Winzerkeller vorgelagerte Einkaufszentrum mit zwei großen Discountern, einem Drogeriemarkt und einer Filiale für preisgünstige Textilien. Die europäische Ausrichtung und die Grenzlage der Stadt wird im Einzelhandel zu einem Faustpfand.
Stark rückläufig ist das Grenzüberschreitende und Verbindende bekanntlich beim Handwerk: Hier sind die teils sehr weit reichenden Auftragsübernahmen Breisacher wie Breisgauer Betriebe im Elsass deutlich zurückgeschraubt worden. Der Grund sind restriktive bürokratische Hemmnisse im Zuge der verschärften Bestimmungen des europäischen Entsendegesetzes. Zwei Beispiele: Das Decken eines Hausdachs im Elsass durch einen Breisacher Handwerker macht die französische Bürokratie für den Kunden um 6000 Euro teurer. Das Geschäft kommt nicht zustande. Oder: Ein Installateur darf in Frankreich Mitarbeiter nur dann einsetzen, wenn er das vorher elektronisch beantragt hat, wenn dafür Gebühren entrichtet werden und eine Genehmigung von französischer Seite (BTP Karte) vorliegt. Die Rechnung des Kunden verteuert sich dadurch um mehr als ein Drittel. Am Wochenende nimmt niemand in Frankreich die Mitarbeiter- Anmeldung des deutschen Handwerkers entgegen, vertraglich zugesagte Notdienste bei Ausfall einer Heizung eines elsässischen Kunden kann er deshalb nicht erledigen. Seit Neuestem, so ein Breisacher Installateur, darf er auch keine neuen Gas- Thermen mehr einbauen – die Erlaubnis für Gas-Installationen hätten nur noch französische Betriebe.
Das ist die täglich zu erfahrende, ernüchternde Realität mitten in Europa. Aber es gibt auf kommunaler und regionaler Ebene auch positive Entwicklungen. Breisach, Partnerstadt von St. Louis im Südelsass und von Neuf-Brisach in unmittelbarer französischer Nachbarschaft, ist an einem bedeutsamen Projekt auf der Rheininsel zwischen Neuf- Brisach und Breisach gemeinsam mit der ComCom Pays de Brisach beteiligt. Bis 2018 soll direkt zwischen den beiden Partnerstädten auf Gemarkung des französischen Dorfes Vogelgrun ein deutschfranzösisches Kulturzentrum mit Veranstaltungsräumen für Theater, Konzerte und Tagungen errichtet werden – ehrgeizig, das zu bespielen, aber ein auf das Zusammenkommen der Menschen zielender Versuch grenzüberschreitender Kooperation. Bei dem die Kassen sicher nicht so klingeln werden wie beim Einkaufsbesuch der Franzosen in Breisach.
Ein ganz neuer Marktplatz
Die französischen Nachbarn haben Bürgermeister Rein und die von der Stadt angeheuerten Planer natürlich mit im Blick, wenn es derzeit auf umfangreichen und das Zentrum stark beeinträchtigenden Baustellen um die Neugestaltung des Marktplatzes und dessen Umfeld geht. Allein für die Umgestaltung des Marktplatzes sind im Haushalt 2018 knapp drei Millionen Euro veranschlagt, ein Viertel des gesamten Investitionsvolumens der Stadt. Der Entwurf stammt vom Freiburger Planungsbüro Faktor Grün und ist angelehnt an die Tatsache, dass der Rhein früher fast bis an den Marktplatz reichte.
Also nahm Planer Martin Schedlbauer das mit seinen Leuten auf und beschert der Breisacher Innenstadt künftig Wasserflächen, Fontänen und einen Wasserlauf vom in die Umgestaltung eingezogenen Gutgesellentorplatz bis zum Marktplatz – die berühmten ‚Friburger Bächle‘ lassen grüßen. Ausschließlich Fußgängern vorbehaltene Bereiche sind vorgesehen, in der zum Marktplatz führenden Rheinstraße wird es nur noch eine schmale Fahrstraße geben. Der Verkehr im Zentrum Breisachs soll weiter „reibungslos funktionieren“ – unter Wegfall eines Teils der Parkplätze, bei Tempo 20 und „erhoffter gegenseitiger Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer“ (Schedlbauer). Parkplätze direkt auf dem Marktplatz wie bisher wird es nicht mehr geben – überhaupt hat die Tatsache, dass ein Marktplatz in einer südbadischen Stadt vorwiegend Parkplatz war, die Debatte zur Umgestaltung ganz wesentlich befördert. Nach dem Motto: Ein Marktplatz ist kein Parkplatz. Der nächste große Entwicklungsschritt gilt der Zukunft der Rheinuferpromenade mit den Schiffsanlegestellen, dem Blick auf die gegenüberliegende Rheininsel oder nach Osten gewandt auf den Eckartsberg und das Stephansmünster.
Neun Breisacher Architekten haben sich in einer gemeinsamen Planungsgruppe dazu Gedanken gemacht – ihnen schwebt ein Bereich mit der Überschrift „Stadt am Wasser“ vor, zum Wohnen, für Gastronomie und Verweilen am Rhein, dazugehörig ein „Europaplatz“, dazu ein Freizeitbereich im südlichen Uferteil und eine genaue Abstimmung der Planung mit den französischen Nachbarn. Hier soll dann eine Rad- und Fußgängerbrücke auf die Rheininsel führen, die eines Tages vielleicht, obwohl französisches Territorium, auch die gewünschte neue Breisacher Stadthalle im geplanten Veranstaltungszentrum aufnehmen könnte.
„Mut zu großen Schritten“ empfahlen die Breisacher Architekten ihrem Gemeinderat, und Bürgermeister Oliver Rein ließ verlauten, er sei „Feuer und Flamme für die Rahmenplanung“. Mit der neuen Uferpromenade soll natürlich auch unterstrichen werden, dass Tourismus in Breisach großgeschrieben wird. Breisachs Bevölkerung ist in den letzten zehn Jahren gewachsen.
Das legt schon der Blick auf zahlreiche neue Wohngebiete nahe – unter anderem entstanden durch die Nutzung von französischen Garnisonsflächen und Gebäuden, die die „Grande Nation“ nicht mehr benötigte und weiter betreiben wollte. Oder durch die Bebauung auf früherem innerstädtischem Areal des Badischen Winzerkellers. Ganz Innenstadt-nah wurde auf 1,9 Hektar im Planungsgebiet „Alter Winzerkeller“ Wohnraum für 240 Menschen geschaffen. Das neue Wohngebiet „Untere Gärten“ wird mit Fernwärme versorgt, die aus einem eigens dafür gebauten, mit Holzpellets befeuerten Blockheizkraftwerk kommt, das auch noch Strom produziert. Jetzt soll im Bereich der Vogesenstraße weiterer Wohnraum für 300 bis 500 Menschen gebaut werden; weniger im Einfamilien-Haus-Bau, sondern im Geschosswohnungsbau.
Attraktiv als Wohnstadt
Vor allem durch die Breisgau-S-Bahn, die halbstündlich von Freiburg nach Breisach fährt, ist die Stadt als Wohnort attraktiv geworden, sagt Lothar Menges, SPD Gemeinderat und seit 1998 stellvertretender Bürgermeister. Bei dieser Nahverkehrs- Anbindung, die demnächst elektrifiziert und noch leistungsfähiger wird, stellt es für Freiburger auf der Suche nach adäquatem Wohnraum kaum noch ein Problem dar, nach Breisach zu ziehen. Weil sie dort noch Wohnraum zu Konditionen finden, die ihnen das teure Freiburg nicht mehr bieten kann.
Im Übrigen ist es weitgehend regionaler Konsens: das drängende Wohnraumproblem können die größeren Städte allein nicht lösen – sie sind auf das Umland angewiesen und entsprechende Gespräche gibt es zwischen Freiburg und den Kommunen im Breisgau längst. Wo Menschen und damit Arbeitskräfte noch Wohnraum finden, da lassen sich gern auch neue Unternehmen nieder. Breisach entwickelt deshalb aktuell ein neues Gewerbegebiet mit dem bezeichnenden Namen Gewerbepark Rheinbrücke Breisach und den deutschen und französischen Farben im Logo.
Der Gewerbepark soll 4,5 Hektar umfassen. Er liegt unweit der Rheinbrücke am südlichen Ortsausgang von Breisach an der Ihringer Landstraße. Einst produzierte hier das Lörracher Textil- Unternehmen KBC in einem längst geschlossenen Standort. Wer auf der B 31 von der Autobahn nach Breisach fährt, für den ist das große Schild unübersehbar: es weist auf das auf dem ehemaligen KBC-Areal geplante Gewerbegebiet hin und bietet den Verkauf von Grundstücken zwischen 1000 und 4900 Quadratmetern an. Lothar Menges beschreibt die Zielrichtung so: „Wir wollen neue Unternehmen nach Breisach holen – der Gewerbepark soll nicht in erster Linie dafür da sein, Neubau- Grundstücke für bereits in Breisach angesiedelte Unternehmen abzugeben“. Bürgermeister Rein preist die Lage an: „Direkt an der deutsch-französischen Grenze, direkt an der B 31 mit schneller Zufahrt zur Autobahn A 5 und direkt beim Bahnhof mit der Breisgau S Bahn“.
Und somit auch bestens erreichbar für an der S-Bahn- Linie wohnende potenzielle Arbeitskräfte. Gar nicht weit vom geplanten neuen Gewerbepark finden sich Gebäude des Energiedienstleisters Badenova, an dem auch Breisach Anteile hält. Aus Betriebs- Sicht hat das ehemalige Service-Center an Bedeutung verloren. Jetzt wird die Chance ergriffen, Gelände und Gebäude zum Aufbau eines Gründerzentrums zu nutzen. Die Badenova-Tochter „badenCampus“ will Unternehmensgründer inhaltlich und strategisch beraten und ihnen dazu in Breisach Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Ein wichtiger Partner ist das in Freiburg beheimatete Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Risiken für die jungen Firmen sollen „minimiert und Chancen systematisch erschlossen werden“, erklärt Markus Köster, Geschäftsführer der „badenCampus“. Nimmt man zu diesem Campus, dem neuen Gewerbepark, den neuen Wohngebieten und der Innenstadt-Neugestaltung noch das Projekt eines neuen Schulzentrums für die sanierungsbedürftige Hugo- Höfler-Realschule und die Julius-Leber- Grund- und Gemeinschaftsschule hinzu, entsteht der Eindruck zukunftsgerichteter Handlungsbereitschaft.