In dem Tagescafé in Eichstetten arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung. Die Einrichtung ist Teil der Solidargemeinschaft der Kaiserstuhlgemeinde, in der die Bürger gemeinsam füreinander sorgen.
VON CHRISTINE WEIS
Es ist neun Uhr, das Café Mitnander hat noch geschlossen, doch es herrscht schon Hochbetrieb. Auf dem Tresen liegen die to-do-Karten für Aileen Ostrau und Tobias Saar: das Schild an die Straße stellen; alle Gartenstühle an den Tischen verteilen; Wirtschaft fegen; Wäsche versorgen; 10 Milchkännchen verteilen. Alles läuft nach Plan, das Team ist eingespielt.
Aileen ist froh, dass sie heute pünktlich anfangen konnte. Die 23-Jährige fährt täglich mit der Breisgau-S-Bahn von Breisach nach Eichstetten. Seit die Bahn elektrifiziert wurde, verpasst sie oft den Anschluss in Gottenheim, weil die Züge nicht richtig aufeinander abgestimmt seien. Das ärgert auch Ina Wagner, doch bis die Bahn das Umsteigeproblem in den Griff kriegt, findet sie schon lieber selbst eine Lösung und teilt ihre Mitarbeiterin für die Spätsicht ein, am Mittag hat sich die S-Bahn irgendwie eingeruckelt.
Die 49-jährige Ina Wagner ist Allrounderin: Geschäftsführerin, Köchin und pädagogische Fachkraft, wenngleich sie letzteres „nicht auf dem Papier ist“, wie sie es nennt. Diese Kompetenz habe sie sich durch Erfahrung angeeignet, ganz ohne Bürokratie. Sie stellt sich auf den Einzelnen ein, kommuniziert viel, strukturiert die Aufgaben entsprechend den Qualifikationen ihrer Angestellten.
Während sie erzählt, putzt sie Salat, setzt Zucchini-Schiffchen in den Ofen, nimmt Anrufe entgegen und würzt die Kürbissuppe. Etwa 75 Essen werden heute aus der Küche getragen. Die Hälfte weniger als üblich, da wegen der Ferien das Catering für Kita und Schule entfällt. Dafür werden an dem sonnigen Spätsommertag mehr Tagesgäste erwartet. Einen Stock höher in der Backstube warten schon Streuselkuchen und Cremetorten auf Abnehmer.
Insgesamt gibt es 34 Beschäftigte in dem Tagescafé: Ehrenamtliche, Minijobber, Festangestellte und sechs Menschen mit geistiger Behinderung. Personalwechsel gibt es kaum, wer kommt, bleibt. So war das auch bei Ina Wagner, die das Café als gemeinnützige GmbH seit 2014 führt. Die gebürtige Dresdnerin bewarb sich 1990 auf die Anzeige „Kochen auf Weststandard“ (sic!). Im Kleinen Meyerhof in Freiburg lernte sie, dass dieser Standard im Westen offenbar Fertigbouillon ist, bis dato hatte sie die Brühe immer selbst gekocht. Sie blieb in der Region und kam 1999 mit ihrer Familie nach Eichstetten – heute nennt man sie im Dorf schon mal „Frau Mitnander, die Chefin von unserem Café“.
Für die Eichstetter ist es „ihr“ Café, nicht nur, weil es das einzige im Dorf ist, sondern, weil der kollektive Gedanke die Kaiserstuhlgemeinde generell auszeichnet. So hat eine Bürgergemeinschaft die Seniorenanlage Schwanenhof und die Pflegegruppe Adlergarten kurzerhand vor Jahren selbst mit Unterstützung des Altbürgermeisters und früheren Bauverein-Vorstands Gerhard Kiechle gegründet, damit auch im Alter keiner wegziehen muss. Fahrdienste oder Betreuungen organisieren die engagierten Bürger gegenseitig füreinander.
“In Eichstetten lösen wir den Generationenvertrag ein.”
Ina WaGner, GEschäftsführerin Cafè Mitnander
Das Café Mitnander ist direkt im Schwanenhof in der Ortsmitte. Hier treffen sich die Einheimischen zum Stelldichein und Zwetschgenkuchen – es ist die Versorgungsstation.
Versorgungsstadion für die Bewohner der Anlage, den Kindergarten, der Kleinkindgruppe, der Tagespflege und der Schule. „In Eichstetten lösen wir den Generationenvertrag ein“, sagt Ina Wagner. Und da klingelt schon wieder das Telefon. Es ist die Nachbarin, ob sie etwas fürs Mitnander vom Großhandel mitbringen könne. Nicht nur das Team vom Café ist eingespielt, sondern das ganze Dorf. Jetzt muss eigentlich nur noch die S-Bahn das Umsteigechaos einspielen, damit auch die Auswärtigen pünktlich nach Eichstetten kommen.