Was tun, wenn es kracht in mittelständischen Unternehmen? Dass ein Coaching oder eine Mediation hermuss, ist häufig Konsens. Weniger einfach: Den richtigen Anbieter zu finden.
VON RUDI RASCHKE
Anlässe für Konflikte sind gerade während der Pandemie noch häufiger gegeben: Fronten in einem Unternehmen können noch stärker aufbrechen – sei es Vertrieb gegen Entwicklung, Produktion gegen Verwaltung, auch in der Führung einer Firma können auseinander driftende Vorstellungen eher ein Problem werden als während des Normal-Betriebs.
Hinzu kommt das Führen auf Distanz als Thema. Am Ende können kleinere Kommunikationsprobleme zu größeren werden, Dauerschleifen-Konflikte werden noch nervtötender empfunden als im Alltag ohne Pandemie. Es könnten also auch diejenigen Hilfe von außen in Anspruch nehmen, denen das bisher fremd war. Wird der Bedarf an Coaching-Formaten weiter wachsen?
Rudolf Kast, mit seiner Freiburger „Personalmanufaktur“ und davor jahrzehntelanger Erfahrung bei Sick, einer der führenden Personalexperten der Region, sagt „ja“: Er erinnert nicht nur daran, dass der Ton manches Diskurses während der Pandemie rauer geworden ist, man denke an die Debatte rund um die Internet-Aktion „allesdichtmachen“.
Auch voll ausgelastete Psychotherapie-Praxen sprächen für Ungewissheiten um viele Fragen der Menschen, die das Morgen betreffen. „Die Zukunft wird definitiv nicht mehr sein, wie es einmal war.“ Das ist der Überbau, mit dem wir ohnehin leben, in der Arbeitswelt habe Corona noch für andere Herausforderungen gesorgt, sagt Kast: „Wo Ressourcen schrumpfen und zu Kurzarbeit führen, sind schärfere Konflikte die mögliche Folge“.
Als Beispiel nennt er Arbeiter, die in der Produktion verfügbar sein müssen, denen aber eine Verwaltung im Homeoffice gegenüber steht. Zu den Gründen, warum Coachings ein Thema werden können, kommt generell das Zwischenmenschliche nach 14 Monaten Arbeiten auf Abstand. „Wie lässt sich aus der Distanz Wertschätzung vermitteln?“, fragt Rudolf Kast mit Blick auf die Corona-Situation.
Mediation, Schlichtung oder Coaching?
Kann ein wöchentliches Kaffee-Meeting vorm Rechner die Plauderei vor Ort ersetzen? Zumal manches Unternehmen ohnehin als eine Art Familienersatz verstanden wird. Nicht zuletzt bei 50 Prozent der Menschen, die heute alleine lebten, werde die Firma immer wichtiger fürs Befinden Einzelner. Die Gründe für professionelle Hilfe sind somit vielfältiger denn je.
Zur Frage, ob sich eine Mediation, eine Schlichtung oder ein Coaching als passende Form anbieten, sagt Kast, dass sich bei grundsätzlichen Konflikten zuallererst die Frage nach dem Vorhandensein gemeinsamer Interessen stelle, um festgezurrte Positionen zu hinterfragen. Coaching stelle traditionell den breiteren Ansatz dar als nur die Vermittlung im Streitfall. Es vermittle Hilfe zur Selbsthilfe, auch bei persönlichen und beruflichen Weiterentwicklungen oder in strategisch relevanten Entwicklungsfragen, sagt Kast.
Die zentrale Frage sei, wie Unternehmen und Coach zusammenfinden. Rudolf Kast rät, dass immer zunächst ein Schritt auf Kollegen sinnvoll ist, um sich zu Coaching-Erfahrungen umzuhören. Vor allem, weil es zwar einen „Deutschen Bundesverband Coaching“ gibt, in dem nur zertifizierte Coaches gelistet sind, die Berufsbezeichnung Coach ist aber letztlich nicht geschützt. Von daher lohnt sich der Aufwand, sich bei anderen Unternehmen umzuhören, Websiten zu prüfen (wobei der beste Coach nicht zwingend die aufwändigste Medienpräsenz benötigt) und sich zu ersten Gesprächen zu verabreden.
Davor können auch Referenzen abgefragt oder Spezialisierungen geprüft werden. Wichtig dabei: Die Chemie sollte zwischen Coach und zu Coachenden (den sogenannten „Coachees“) stimmen, „es ist nur bei einer persönlichen Basis erfolgreich“, sagt Rudolf Kast. Übrigens sollte parallel zu einer Recherche im Umfeld auch die Frage geklärt werden, ob eine Frau oder ein Mann dem Unternehmen oder den handelnden Personen mit einem Coaching besser helfen können.
Die Idee einer externen Beratung sollte selbstverständlich sein, sagt Kast. „Wenn ich selbst nicht mehr mit Lösungen weiter komme, mich im Kreis drehe oder mich bei der Teamführung schwer tue“, nennt er als Gründe, darüber nachzudenken. Ungeachtet davon, ob es um einen Businessfall mit persönlichen Themen gehe oder ausschließlich Persönliches, lohne es sich grundsätzlich, ein anderes Bild einzuholen: „Ein Coaching sollte der Regelprozess sein“. Und das gilt nicht nur für den gegenwärtigen Ausnahmezustand.