Contitech hat einen Standort in Freiburg. Noch ist es einer der kleinsten des Tochterunternehmens von Continental. Doch man will wachsen und nachhaltige Entwicklungen im Bereich der funktionalen Drucktechnik vorantreiben. Hier entstehen Prototypen für die Industrie 4.0.
Text: Christine Weis • Fotos: Alex Dietrich
Warum hat der globale Konzern Continental, dessen Hauptsitz mehr als 600 Kilometer entfernt in Hannover ist, gerade in Freiburg eine Niederlassung? „Hier finden wir die Leute, die wir brauchen“, antwortet Armin Senne, Leiter der Dependance in Freiburg. Aktuell sind das sechs Männer und zwei Frauen aus den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und Chemie. „Dass hier ein guter Ort ist, wurde mir klar, als ich 2014 einen Doktoranden betreute, der seine Arbeit über das Bedrucken von Solarzellen beim Fraunhofer ISE schrieb“, erzählt Senne. Die hiesigen Forschungseinrichtungen samt Universität sowie namhafte Hightechfirmen wie Sick oder Testo hätten die Entscheidung bekräftigt.
2019 wurde die Betriebsstätte in der Bötzinger Straße im Industriegebiet Haid eröffnet. Seit April dieses Jahres ist es eine selbstständige Niederlassung. Rund zweieinhalb Millionen Euro investierte Continental in den Standort. Die teuerste Anschaffung mit über einer Million Euro ist eine zehn Tonnen schwere und sieben Meter lange Spezialdruckmaschine. Armin Senne nennt sie das Herzstück und beginnt den Rundgang durch die Räume samt Labor und Werkstatt mit eben dieser Maschine. Vereinfacht gesagt sind in ihr alle gängigen Druckverfahren wie Tief-, Hoch-, Digital- und Siebdruck inklusive der gängigen Trocknungsverfahren hintereinandergeschaltet.
Die komplexe Anlage ist eine Spezialanfertigung einer Schweizer Firma, konstruiert nach den Vorgaben der Continental Materialexperten des Unternehmensbereichs Contitech. „Wir arbeiten nicht mit Buntfarben, sondern mit funktionalen Tinten aus Silber, Kupfer oder Carbon. So können unterschiedliche Materialien wie etwa Plastikfolien, Gummi oder Metall mit leitfähigen Strukturen bedruckt werden“, erklärt Senne. Auf diese Weise werden 300 mal 300 Millimeter große Prototypen von Antennen, Heizungen, verschiedenen Sensoren oder Leiterplatten gefertigt. Diese werden in weiteren Schritten vielfach auf Funktionalität und Qualität getestet. Senne beschreibt mit dem Photonischen Sintern einen weiteren komplexen Prozess, bei dem Lichtenergie einer Xenon-Blitzlampe metallhaltige Tinten zu festen Leiterbahnen verschmilzt. Damit können etwa flexible Platinen effizient und ressourcenschonend hergestellt werden.
Drucken, Messen, Warnen
„Wir entwickeln konkrete Lösungen für unsere Kunden, denen wir dadurch einen Mehrwert bieten“, sagt Senne. 95 Prozent der Arbeiten fließen dabei in die hauseigenen Industrieprodukte von Contitech. Das sind beispielsweise Fördergurte für den Einsatz beim Rohstoffabbau, Versorgungsschläuche zum Transport von Gas, Öl oder Wasserstoff, Oberflächenmaterialien für Pkw-Innenräume mit besonderer Haptik, Lichteffekten, funktionalen Touch-Schalterflächen oder einer gedruckten Heizung. In vielen der Produkte könnten zukünftig Sensoren und Antennen integriert werden, die Temperatur, Druck oder Abrieb messen und den genauen Grad von Materialverschleiß anzeigen. „Damit kann man Schwachstellen frühzeitig erkennen. Wir nennen das Prinzip vorhersehbare Wartung“, erläutert Armin Senne. Gerade beim Schlauch können so Lecks frühzeitig erkannt und damit Kosten gesenkt und im Sinne der Nachhaltigkeit Ressourcen geschont – oder im Fall von Ölpipelinelecks – Umweltschäden abgewendet werden.
lasergravierte Tiefdruckwalzen.
Mit Fortschritt aus der Talsohle
Continental beschäftigt in 56 Ländern 200.000 Mitarbeitende. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei rund 41 Milliarden Euro. Wie Anfang August mitgeteilt wurde, prüft der Vorstand eine Aufspaltung des Dax-Konzerns in zwei unabhängige Unternehmen: einen Kunststoff- und Reifenteil sowie einen Teil für die seit langem schwächelnde Autozulieferung. Angedacht ist eine Abspaltung und separate Börsennotierung des Automotivegeschäfts. Die Aktionäre würden damit Eigentümer von zwei getrennten Konzernen. Im Falle der Zustimmung durch die Hauptversammlung ist der Spin-off bis Ende 2025 geplant. Unter dem Dach von Continental sollen die beiden ertragsstarken Unternehmensbereiche Tires (Reifen) und Contitech bleiben, wo auch das Freiburger Forschungszentrum angesiedelt ist.
„Der Mehrwert, den Deutschland als Wirtschaftsstandort bieten kann, sind Forschung und Entwicklung.“
Armin Senne, Standortleiter Contitech in Freiburg
Contitech, zu dem der Freiburger Standort gehört, hat fast 42.000 Mitarbeitende in mehr als 40 Ländern und erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von rund 6,8 Milliarden Euro. Trotz eines schwachen Industrieumfelds habe sich dieser Bereich positiv entwickelt, heißt es in einer Pressemeldung.
Armin Senne, seit 2011 bei Contitech beschäftigt, blickt positiv in die Zukunft: Für seinen Bereich sieht er Wachstumspotenzial, wie genau sich das gestaltet, wollte er nicht verraten, es gebe viele Ideen. Gerade in einer konjunkturell schwachen Phase müsse man Kraft in neue technische Entwicklungen stecken, bekundet er und zitiert den Leitspruch der Kennedys: „When the going gets tough, the tough get going.“ (Wenn es hart auf hart kommt, kommen die Harten in Schwung.) Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, sich zu sputen, damit Deutschland aus der Talsohle herauskomme. „Der Mehrwert, den Deutschland als Wirtschaftsstandort bieten kann, sind Forschung und Entwicklung“, davon ist der 57-Jährige überzeugt. Contitech arbeitet auch mit Kooperationspartnern wie dem Karlsruher Institut für Technologie KIT und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE zusammen. Die Verbindung zum ISE besteht für den aus Schleswig-Holstein stammenden Standortleiter ja schon länger. Jetzt sind die Wege kürzer. Eine ISE-Sektion befindet sich in direkter Nachbarschaft im selben Gebäude.