Der Konstanzer Professor Guido H. Baltes erforscht, wie Kooperationen von Start-ups und etablierten Unternehmen die Transformation der Wirtschaft unterstützen können.
VON KATHRIN ERMERT
„Wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.“ Diesen häufig zitierten Satz hat der italienische Schriftsteller Guiseppe di Tomasi in seinen Roman „Der Leopard“ geschrieben, der in Italien Ende des 19. Jahrhunderts spielt. Einer Zeit des Umbruchs also, politisch wie wirtschaftlich.
Der Satz scheint zeitlos. Heute sind es die digitale, die ökologische und die ökonomische Transformation, die Veränderungen erzwingen, um Bewährtes zu erhalten. Guido H. Baltes stellte Tomasis Satz an den Anfang eines Beitrags, den er kürzlich im Auftrag der Regionalgruppe Südbaden des Konrad-Adenauer-Instituts hielt und den er „Schwarzwald statt Silicon Valley“ überschrieben hatte.
Darin betrachtete der Direktor des Innovationsinstituts der Hochschule Konstanz die Rolle von Start-ups als Innovationsträger in der Region. Die Krux der jetzt anstehenden Transformationen: Sie passieren alle gleichzeitig und überlagern sich. Man kann nicht ein Thema nach dem anderen angehen.
Wer bestehen, als Unternehmen überleben will, muss sie alle anpacken. Und zwar parallel zum gegenwärtig noch funktionierenden Kerngeschäft. „Beidhändige Organisation“ nennt Baltes das. Es ist eine enorme Herausforderung für Firmen, die sie nicht immer allein meistern können. Hier kommen Start-ups ins Spiel. Sie spielen, gemessen an der Gesamtwirtschaft, in Deutschland keine so bedeutende Rolle, können für die anstehenden Transformationen und die dazu nötigen Innovationen aber entscheidend sein – vor allem, wenn sie mit etablierten Unternehmen zusammenarbeiten.
Diese sogenannten Corporate-Start-up-Beziehungen erforscht Baltes mit seinem Team und weiß deshalb, wie sie funktionieren oder eben nicht. Eine banale Erkenntnis: Eine Universallösung gibt es nicht. Vieles hängt von den Erwartungen und der Strategie der Unternehmen ab. Dessen müssen sie sich allerdings bewusst sein. „Die Auswahl der Form bestimmt die Art und Qualität der Ergebnisse“, sagt Baltes, der häufig beobachtet, dass Akteure enttäuscht sind, weil Ausgangslage und Ziel nicht zueinanderpassen.
Entscheidend ist auch, wie die Ergebnisse gemessen werden. Wenn es um Transformation geht, könne der Ertrag nicht die passende Größe sein. Der Professor, der selbst schon in der Wirtschaft gearbeitet und Firmen gegründet hat, rät zu „Geduld statt kurzfristigem Erfolg“. Man solle lieber mittel- bis langfristig planen, statt schnelle Ergebnisse zu erwarten.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse seines Teams bezieht sich auf die Führungskultur. Wer kreativ sein soll, braucht Autonomie. Deren Nebenwirkung kalkulieren viele allerdings nicht ein: Kontrollverlust. Baltes betont daher: „Disruption braucht Liebe zum Kontrollverlust.“