Wo steht der SC Freiburg in dieser Saison? Der Club sieht wichtigen Ereignissen entgegen – und ist dabei, sich als Ausbildungsverein ein wenig neu zu erfinden.
VON RUDI RASCHKE
„Talente ohne Ende“ – so lautete vor zehn Jahren der Titel einer hochkarätig besetzten Podiumsrunde in der Sporthalle der Freiburger Fußballschule. Hier ins Ausbildungszentrum des SC Freiburg im Mösle-Stadion war auch der Bundestrainer Jogi Löw gekommen, um das Hohelied auf die Nachwuchsarbeit des Sport-Club zu singen.
Trotzdem gab es im Anschluss einen Durchhänger für die mit sechs deutschen U19-Pokalsiegen und einem Meistertitel gekrönte Freiburger Fußballschule: Die U17-Junioren verabschiedeten sich 2018 für ein Jahr aus der höchsten deutschen Spielklasse, die zweite Mannschaft des SC Freiburg stieg 2016 in die fünfte Liga ab – wodurch vier Ligen zwischen den Profis in der Bundesliga und einem Teil des Nachwuchses lagen.
Beides ist durch umgehende Wiederaufstiege direkt repariert worden – zugleich hat der SC Freiburg in dieser Phase seiner Vereinsgeschichte einige Stellschrauben gedreht, von denen er jetzt mit einer gut funktionierenden sportlichen Maschinerie profitiert: Die erste Männer-Mannschaft, das zweite Männerteam, aber auch die Frauen spielen jeweils in der höchstmöglichen Liga – eine Leistung, die unter allen Bundesliga-Clubs allein der SC Freiburg schafft.
Und ein Ausweis der wiedererstarkten Talente-Arbeit beim SC, sowohl bei den männlichen wie bei den weiblichen Junioren. Mit dem Aufstieg des SC II in die Dritte Liga, einer professionellen Liga, aus der es für Teams mit einer Erstliga-Adresse keine weitere Aufstiegsmöglichkeit mehr gibt, hat der Sport-Club dieses Novum erreicht.
Geschafft hat er es unter anderem mit einem veränderten Scouting im Nachwuchsbereich und einer frühzeitigen Verpflichtung auch internationaler Talente. Unmittelbar vor unserem Redaktionsschluss wechselte ein Spieler aus der Jugend des FC Barcelona in die U19 des SC. Auf diese Weise hat der Verein in den zurückliegenden Jahren Spieler von Manchester United, Bayern München, aus Metz und aus Cottbus in jungen Jahren an die Fußballschule gebunden.
Die bis Redaktionsschluss Anfang August bekannten sechs „Neuzugänge“ der SC-Profis kommen alle aus der eigenen Ausbildung. Zu den neuen Berufsbildern im Verein gehören nicht nur der „Verbindungstrainer“ – der einstige Profi-Kapitän Julian Schuster füllt diese Rolle mit sichtlicher Freude aus, – sondern auch der „Pendelspieler“ wie die sechs Neuzugänge um das Eigengewächs Noah Weißhaupt genannt werden.
Beide Jobbeschreibungen sind zwischen der Ersten Bundesliga und der Fußballschule angesiedelt. Auf diese Weise kann der SC Freiburg sich mit seiner Drittligazugehörigkeit wieder ein wenig von dem zurückholen, was in den vergangenen Jahren schlicht an die ebenfalls exzellente Nachwuchsarbeit von vermögenderen Vereinen verloren gegangen war: Er kann Verstärkungen für den obersten Kader wieder adäquat mit dem eigenen Nachwuchs besetzen. Weil er auch in jüngeren Jahrgängen am internationalen Markt aktiv wird – und sich dies offenkundig auch etwas kosten lässt.
So wurde im Sommer 2021 unangefochten der Drittligaaufstieg geschafft, der vielen Freiburgern noch Freude bereiten dürfte: In einer Liga mit den ersten Teams vieler Traditionsvereine und Ex- Meistern wie Kaiserslautern, 1860 München oder Waldhof Mannheim ist der SC ein erfrischend spielender Aufsteiger. Obendrein wird er seine Spiele nach dem Wegzug der Profis Richtung Mooswaldstadion im Herbst in der geliebten alten Spielstätte an der Dreisam austragen.
Man muss kein großer Fachmann sein, um vorherzusagen, dass dies das Potenzial für einen stattlichen Zuschauerschnitt im vierstelligen Bereich hat. In der Dritten Liga bewegen sich Vereine nach Auskunft des hierfür erstellten DFB-Reports zwischen „Hoffnung und Existenzkampf, der SC Freiburg dürfte zu ersteren zählen.
Ganz preiswert wird es nicht werden, auch weil für den SC keine TV-Einnahmen als zweite Mannschaft eines Profiteams winken: Für die Personalkosten rund um den Spielbetrieb wurden bei der letzten Erhebung rund fünf Millionen Euro pro Drittligist und Jahr fällig. Die Umsätze von durchschnittlich 10,8 Millionen Euro werden überwiegend von den zuschauerstarken Traditionsclubs erwirtschaftet. Im Gesamtschnitt sehen etwa 8700 Fans ein Drittligaspiel. Für die erste Mannschaft des SC Freiburg, die im zehnten Jahr von Christian Streich trainiert wird, ist die „Reserve“ ein spannender Unterbau.
Beim ersten Test seiner Profis gegen den 1. FC Saarbrücken im Juli zeigten sich nicht alle Bundesligaprofis spielerisch so lebendig wie manches Talent, das durchaus in der Ersten oder Dritten Liga eingesetzt werden könnte. Thomas Stamm, der von der Schweizer Seite am Hochrhein stammt und 2015 vom FC Winterthur zum Sport-Club wechselte, ist der Trainer des SC II-Teams in der Dritten Liga.
Er musste zum Saisonauftakt nicht nur sich auf den neuen Apparat mit verpflichtenden Vorab-Pressekonferenzen, TV-Präsenz und Spielen mit mehr als 10.000 Zuschauern wie in Magdeburg einstellen, sondern auch die Spieler. Stamm sagt dazu gelassen, dass es manchmal auch gut sei, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Einen gewissen „Zauber des Anfangs“ sahen auch die Zuschauer der allerersten Drittliga-Partie auf Freiburger Boden Ende Juli beim 0:0 gegen den Favoriten SV Wehen Wiesbaden.
Es fühlte sich frisch an, ganz ohne Traditionsballast. Währenddessen müssen die Profis des SC weiter auf ihre erste Partie im neuen 35.000-Plätze-Stadion warten: Corona- Verzögerung, aber auch technische Fertigstellungs- Probleme bei der wichtigen TV-Infrastruktur führen dazu, dass der Sport-Club erst im Oktober im Freiburger Westen kicken kann. In der Stadt ist es kein Geheimnis, dass der Verein sich mit dem Generalübernehmer, der Osnabrücker Baufirma Köster, überworfen hat. Eine bessere Variante, als den Bau auf diese Weise mit strenger Kosteneinhaltung bei rund 70 Millionen zu halten, dürfte es dennoch nicht gegeben haben.
Über die exakten Gründe, warum er (je nach Lesart) nun mit neun oder 15 Monaten Verspätung eingeweiht wird, herrscht Stillschweigen. Die guten Nachrichten beim Nachwuchs dürfte der verspätete Umzug nicht überschatten: Es schaut ganz so aus, als würde der Sport-Club zum 20-Jährigen seiner Fußballschule wieder auf „Talente ohne Ende“ zurückgreifen.
Einer, der vor zehn Jahren ebenfalls mit dem Bundestrainer auf dem Podium saß, war übrigens Johannes Flum: Der gebürtige Waldshuter machte als Profi seinen Weg vom SC zu Eintracht Frankfurt und dem FC St. Pauli – heute ist er als erfahrener Rückkehrer mit 33 Jahren der Kapitän der Talentetruppe. Viele Wege führen zum Sport-Club.
Anmerkungen der Red.: In der Printversion und in einer früheren Onlineversion des Beitrags steht fälschlicherweise, dass lediglich kleine TV-Einnahmen winken, dies ist allerdings beim SC Freiburg nicht der Fall, siehe oben. Wir bedauern diesen Fehler und bitten ihn zu entschuldigen.