In Freiburg läuft eine Debatte über den Zweck einstöckiger Industriebauten. Sie kommt fast ein wenig zu spät,
ist aber überaus sinnvoll – wie Beispiele aus der Region belegen. Dem heimischen Mittelstand
käme Aufstockung von der Unternehmensphilosophie entgegen.
Von Rudi Raschke
Irgendwie hat es keiner gemerkt: Als im Dezember 2016 der Neubau einer Caritas-Werkstatt im Freiburger Gewerbegebiet Haid bekannt gegeben wurden, freuten sich zunächst alle über die Baugenehmigung. Die Dachbegrünung Freiburg-like, die Grundstückssuche der wichtigen Einrichtung endlich abgeschlossen, keine Einwände bei Lokalpresse und Gemeinderäten. Dabei hätte es schon da auffallen können: Das große Areal ist komplett eingeschossig geplant, wie mancher andere Bau in der industriegeprägten Nachbarschaft.
Kein Verwaltungsbau auf dem Dach, das fand noch im vergangenen Winter die Zustimmung der Verwaltung. Nach dem Widerspruch eines Experten haben sich jetzt die Grünen an die Rathausspitze gewandt und eine arg verspätete Anfrage formuliert, die den Titel „Flächensparen im Gewerbebereich“ trägt. Ihr Wissensbedarf: Wie können Mindesthöhen festgelegt werden, wie können ebenerdige Parkplatzareale durch Parkhäuser und -Paletten verhindert werden, wie kann die Wirtschaftsförderung der Stadt eine Maximalausnutzung durch Vermittlung ermöglichen, wohin kann die Stadt Exkursionen unternehmen, um „best practice“-Beispiel zu erleben?
Gute Fragen. Für Letzteres müsste sie gar nicht so weit reisen: Denn ungeachtet der Caritas gibt es genug Beispiele, wo selbst industrielle Fertigung auf mehrere Etagen verteilt wurde. Oder ein Unternehmen in der grundstücksarmen Region Fertigung, Logistik, Verwaltung und Betriebskantine in die Höhe statt in die Fläche gebaut hat.
Der Architekt Klaus Wehrle, Kolumnist dieses Magazins, hat gleich drei Beispiele errichtet, die vorzeigbar wären: Das Unternehmen „innomed“ in Emmendingen beispielsweise, Spezialist für medizinische Softwareanwendungen. Aber auch Produzenten wie Rheintacho auf ebenjener Haid, wo 2010 das Bestandsgebäude erweitert wurde. „So etwas lässt sich einfach lösen, weil ohnehin mehrere Abteilungen nebeneinander arbeiten“, sagt Wehrle. Aber auch beim Dosierpumpenhersteller Saier in Gundelfingen war ein Bau auf drei Ebenen möglich.
Saier, als Entwickler mit zahllosen Patenten so etwas wie ein „Daniel Düsentrieb“ der Region, bekam entsprechend zur Geschäftsphilosophie Modularbauten in hoher Qualität. Institutsartig in der Optik, der Unternehmensdynamik folgend erweiterbar. Das Grundstück kann auf diese Weise optimal ausgenutzt werden, das Kapital des Unternehmens wird gesichert. Auf drei Etagen sind Produktion, Entwicklung und Verwaltung sortiert, weil niemand vorschreibt, dass dies alles nebeneinander stattfinden müsse. Schöner Nebeneffekt zur Mitarbeiterbindung: Die Kantine im Dachgeschoss mit Vogesenblick.
Was ist mit einer späteren Aufstockung von Bestehendem? „Eine Expansion vorangelegt ist“, sagt der Architekt. Klaus Wehrle sagt, dass gerade die Unternehmenswelt in Südbaden ein gewichtiges Argument dafür liefert, dass ressourcenschonendes Bauen möglich wird: Anders als in der Großindustrie, wo bisweilen verschwenderisch und nur für einen Horizont von zehn Jahren gebaut wird, sei im hiesigen Mittelstand eher ein vernünftiges Maßhalten das Motto.
Bei vielen Firmen sei überdies eine Generationenübergabe im Bereich des Möglichen, da werde nicht in schnellen Aufbau-und-Abriss-Zyklen gedacht. Auch Themen wie Wäremedämmung sprächen für eine kompakte Lösung, die sich eher nach oben als in die Breite orientiere. Trotz dieser Beispiele sieht er keinen Anlass zur Kritik an der Stadt Freiburg: Der Bebauungsplan im Südteil des Gewerbegebiets Haid sähe hier und dort schon Mindesthöhen vor.
Außerdem sei es lediglich Aufgabe des Bauamts, zu genehmigen oder nicht, die Wirtschaftsförderung könne bei entsprechenden Kapazitäten „die Leute zusammenbringen“. „Objektiv betrachtet unternimmt Freiburg viel“, sagt Wehrle abschließend. Jüngstes Beispiel sei deschossigen Gebäude genutzt werden soll. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM) organisiere hier den Zusammenschluss unterschiedlicher Produktionsstätten, zu denen nicht nur die von „Pyramid“ zählen. Die Caritas gibt an, dass sie bei ihrem Neubau in erster Linie darauf achten wollte, dass die Werkstätten für körperlich Behinderte vor allem ebenerdig zu erreichen sind. Sie habe aber planungsseitig darauf Wert gelegt, dass der Bau zu einem späteren Zeitpunkt in die Höhe erweiterbar sei.
Auf die ein paar Jahre zu spät gestellte Anfrage der Grünen von Anfang Januar hat die Stadt bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch keine Antwort gegeben. Die Gewerbegebiete Freiburgs sind jedenfalls fast komplett belegt. Das Thema dürfte möglichst bald aufgegriffen werden.