Monika Stein war mit vollem Herzen Kommunalpolitikerin, bevor sie 2020 nach Stuttgart wechselte und Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung (GEW) wurde. Hier verrät die 54-Jährige, warum sie ausgerechnet von Freiburgs Ex-Oberbürgermeister Dieter Salomon einen Rat bekam, der ihr politisches Leben veränderte.
“2004 bin ich zum ersten Mal in den Freiburger Gemeinderat gewählt worden, dort blieb ich mit einer Pause von zwei Jahren bis 2020. Ganz am Anfang, ich erinnere mich nicht mehr genau welche Veranstaltung es war, aber es war bereits der gemütliche Teil am Abend, sprach ich mit Dieter Salomon, damals Oberbürgermeister der Stadt Freiburg. „Moni“, sagte er irgendwann zu mir: „Wenn du was werden willst im politischen Bereich, dann musst du Fasnet feiern.“ Ich habe den Rat zunächst nicht verstanden. Ich hatte überhaupt keinen Bezug zur alemannischen Fasnet. Bis ich neun Jahre alt war, lebten wir in Oberbayern, als Teenager habe ich die Fasnachtsferien immer in unserer Partnergemeinde in der DDR der Nähe von Berlin verbracht, wo kein Mensch Fasnacht feiert.
Doch es ging mir nie ganz aus dem Kopf. Zu jener Zeit war ich eine sehr klare linke Grüne, die ziemliche Berührungsängste hatte mit den eher konservativen Kräften in der Kommunalpolitik. Heute denke ich, Dieter Salomon hat das damals gesehen und mir daher diesen Tipp gegeben. Es geht nicht darum, Fasnet zu feiern. Es geht darum, aus der eigenen politischen Komfortzone rauszugehen. Er hätte genauso gut sagen können: „Wenn du was werden willst, musst du ins bürgerliche Lager gehen. Du musst raus aus deiner linken Blase, woanders mitreden und greifbar sein.“
Viele Jahre später, mitten im Wahlkampf, in dem ich gegen ihn als Kandidatin zur Oberbürgermeisterin antrat, war ich dann das erste Mal auf der Ehrentribüne beim Rosenmontagszug. Dort habe ich das erfahren und schätzen gelernt: In Kontakt zu kommen mit Menschen, die ich sonst nicht getroffen hätte. Und zwar auf eine unverstellte offene Art und Weise. Das hat mir viel gebracht.
Sich aus der eigenen Komfortzone rauszubewegen war in meiner Karriere immer wichtig. Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen kann, GEW-Landesvorsitzende zu werden, habe ich lange nachgedacht, ob ich dafür ins Rennen gehe. Die Entscheidung fiel mir besonders schwer, weil sie mehrere Punkte betraf, die mir am Herzen lagen. Ich musste mich von meiner Schulklasse ein Jahr vor ihrem Abschluss verabschieden, ich musste Freiburg kommunalpolitisch und vor allem die von mir mitgegründete Grüne Alternative Freiburg verlassen. Und ich musste mich für eine Fernbeziehung mit meinem Mann entscheiden.
Ich dachte dann, ich predige immer, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen sollen und ich selbst sage aus persönlichen Gründen ab? Das geht nicht. Also habe ich mir einen inneren Tritt gegeben, meine Komfortzone verlassen und den Wechsel gewagt. Bereut habe ich es nie.”
Protokoll: Julia Donáth-Kneer
Monika Stein wurde 1970 in Freiburg geboren und verbrachte ihre ersten Jahre in Oberbayern. 2002 trat Stein, die seit 1996 als Grund-, Haupt- bzw. Werkrealschullehrerin arbeitete, bei Bündnis 90/Die Grünen ein. 2004 wurde sie erstmals in den Freiburger Gemeinderat gewählt. 2008 spalteten sich Monika Stein und Stadträtin Aisling McCabe von Fraktion und Partei ab und gründeten gemeinsam die Grüne Alternative Freiburg (GAF), die mehrfach von den Grünen wegen des Namens verklagt wurde. Die GAF gewann die Verfahren und konnte den Namen verteidigen. 2018 trat Stein bei der Wahl zur Oberbürgermeisterin an und holte im ersten Wahlgang 26 und im zweiten 24 Prozent der Stimmen. Seit 2020 ist Stein Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung in Stuttgart. Sie lebt nach wie vor in Freiburg und ist verheiratet.