Von der Feuerwehr bis zur Freiwilligen-Agentur: Sich zu engagieren ist für viele Menschen ein großes Bedürfnis. Gerade jetzt, wo viele Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns Schutz suchen, ist die Hilfsbereitschaft enorm. Doch wie erging es dem ehrenamtlichen Engagement generell in den Pandemiejahren?
Das Klingelschild verrät es: hier sitzen Einige unter einem Dach. Im Freiburger Zentrum für Engagement am Schwabentorring sind Freiwilligen-Agentur, die Projektstelle für Bürgerschaftliches Engagement, das Selbsthilfebüro und der Verein Treffpunkt Freiburg untergebracht. Sie alle helfen bei der Vermittlung von freiwilligem Engagement und bieten Vereinen und Selbsthilfegruppen Räumlichkeiten für analoge oder digitale Treffen an.
Durch Corona sei es den einzelnen Gruppen sehr unterschiedlich ergangen, sagt Bernada Deufel, Leiterin des Selbsthilfebüros. „Einige konnten schnell auf digitale Formate switchen, andere hatten gar nicht die Chance, sich auszutauschen oder zu treffen. Hier vor allem die vulnerablen Gruppen, und besonders die ältere Generation, die sich teilweise gar nicht mehr unter Menschen trauen.“ Das direkte Treffen, der Austausch und die Nähe fehlen. „Das kann die digitale Welt nicht ersetzen, es geht viel um Begegnung“, sagt Deufel.
Zu Beginn der Pandemie hätte es viele Angebote gegeben, beispielsweise Nachbarschaftshilfe oder Unterstützung bei der Impfvermittlung, doch gerade ältere Menschen und Risikogruppen fehlen dem Ehrenamt. Die Experten des Zentrums für Engagement beobachten aber schon länger, auch vor Corona, eine Veränderung im Ehrenamt.
Individualismus vor der Gemeinschaft
Zwar sei die Hilfsbereitschaft da, doch das Engagement würde insgesamt immer kürzer ausfallen. Ein unbezahltes Amt über mehrere Jahre und mit regelmäßigen Verpflichtungen, das würde kaum mehr jemand übernehmen wollen. Eine Tatsache, die vor allem die Vereinsstruktur langfristig schwächen wird.
„Das Engagement hat sich verändert. Viele junge Leute wollen zwar helfen, aber das eher kurzfristig, wie beispiels-weise bei der Flüchtlingskrise 2015 oder auch jetzt bei den Geflüchteten aus der Ukraine“, sagt Heike Arens, Leiterin der Freiwilligen-Agentur. Das spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider. Früher sei es eine moralische Verpflichtung gewesen, sich auf lange Sicht zu verpflichten, etwas Gutes für seine unmittelbare Nachbarschaft und Umgebung zu tun.
„Es war eben ein Ehrenamt. Heute wollen diese Ehre nicht mehr viele übernehmen“, sagt Bernada Deufel. „Die meisten engagieren sich, weil sie etwas tun Mitgliederver-sammlungen, Wahlen und bürokratische Aufgaben gehören bei einem vereinsgebundenen Ehrenamt allerdings dazu. Zeit und Aufwand, den kaum mehr jemand bereit ist, langfristig zu investieren. Auch die Globalisierung trägt Mitschuld.
Heute stehen beinahe alle Möglichkeiten offen, den Jungen wie den Alten. Sie wollen lieber Reisen, ihre freie Zeit oder den dritten Lebensabschnitt für Anderes nutzen, als ein Amt mit all seinen Verpflichtungen zu übernehmen. Verbände müssten sich daher neu aufstellen und flexibler werden, sagt Heike Arens. „Viele stecken in ihrem Milieu fest.“ Mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sollten für Vorstandsposten berücksichtigt werden.
Außerdem könnte man sich ein Ehrenamt und die damit verbundene Arbeit durchaus teilen – bisher sei das jedoch nicht möglich. Das Ehrenamt braucht eine Reformation. New Work ist in den teilweise sehr alten Vereinsstrukturen noch nicht angekommen. „Und in Freiburg haben wir einige der ältesten Bürger- und Stadtteilvereine der Welt“, sagt Gerhard Rieger, Leiter der Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement.
„ Es war eben ein Ehrenamt. Heute wollen diese Ehre nicht mehr viele übernehmen.“
Bernada Deufel, Leiterin des Selbsthilfebüros Freiburg
Beachtliche rund 36 Prozent der Freiburger würden sich in den knapp 2000 bestehenden Vereinen engagieren, „wie lebhaft die sind, wissen wir allerdings nicht,“ sagt Rieger. Die Corona-Krise hat besonders viele Sport- und Kulturvereine stark gebeutelt, viele tragende Mitglieder sind abgesprungen.
Eine Studie des Bundesinstitut für Sportwissenschaft fand heraus, dass über die Hälfte aller Sportvereine in Deutschland einen Mitgliederrückgang durch Corona verzeichnet haben. Für das Jahr 2020 bedeutete das einen Einbruch von minus 3,3 Prozent bei den kleineren und um minus 6 Prozent bei den großen Sportvereinen.
Große Hilfsbereitschaft für die Ukraine
Durch die Flüchtlingskrise 2015 schaffte die Stadt Freiburg zwei Koordinations-stellen für Bürgerschaftliches Engagement im Bereich Migration. Antje Reinhard leitet eine davon und erlebt gerade eine ähnliche Situation wie vor sieben Jahren. „Die Unterstützungsbereitschaft war damals sehr groß und ist auch heute überwältigend. Natürlich gibt es aber auch Unterschiede“, sagt sie. Reinhard erfasst aktuell alle Angebote im Bereich Zeitspenden und Sachspenden, leitet sie weiter und vermittelt überall dahin, wo es Bedarfe gibt.
Und der Unterschied zu damals? „Durch die schnelle Einrichtung einer eigenen Mailadresse () gab es diesmal eine Anlaufstelle und es sind weniger Unterstützungsangebote verloren gegangen. Wir haben außerdem mehr Angebote von Organisationen, Vereinen und Firmen, was vermutlich auf die bessere Erreichbarkeit und größere Transparenz zurückzuführen ist“, sagt Antje Reinhard.
Besonders die Aufnahme der Waisenkinder in Freiburg hätte viele Menschen emotional berührt, so dass sie Unterstützungsangebote aus ganz Deutschland und sogar dem Ausland erhalten hätten. Viele helfen jetzt ehrenamtlich beim Packen und Verladen von Sachspenden, Sprachkurse werden angeboten, eine größere Gruppe von Engagierten hat eine Kleiderausgabe für Geflüchtete organisiert oder Freiwillige backen Kuchen für ukrainische Geburtstagskinder.
Dass viele der Unterstützer vielleicht nur kurzfristig mit anpacken, ist Reinhard bewusst. „Viele, die sich jetzt melden, sind oft beruflich und familiär eingespannt und da ist ein kurzfristiges Engagement absolut nachvollziehbar. Wir haben aber durchaus Menschen, die uns seit 2013 unterstützen und gerade die Paten- und Partnerschaften sind ein Beispiel für längerfristiges Engagement.“
Das gute Image der Feuerwehr
Kurzfristiges Engagement kennt die Freiwillige Feuerwehr in Freiburg kaum. „Hier herrscht eine gegenläufige Entwicklung zum Landestrend“, sagt Stadtbrandmeister Achim Müller. Lediglich in der Innenstadt käme es häufiger zu Wechseln, da hier viele Studenten der Freiwilligen Feuerwehr beitreten, die nach dem Studium oft wieder wegziehen. Doch es kommen immer wieder neue nach. „Das positive Image der Feu-erwehr hilft uns ungemein.“
Durch die Pandemie sei man bisher gut durchgekommen. Insgesamt 531 Ehrenämtler (Stand Ende 2021) und 18 aktive Einsatzabteilungen hat die Freiwillige Feuerwehr Freiburg. Nach wie vor sei es eine Männerdomäne, von 531 Mitgliedern sind lediglich 43 Kolleginnen. Doch in der Jugendfeuerwehr wird dieser Trend langsam durchbrochen: Mit über 200 Mitgliedern liegt der Anteil der jungen Mädchen bei gut 25 Prozent, sagt Achim Müller.
Müller selbst arbeitet hauptberuflich als Rechtspfleger im Amtsgericht und ist seit 39 Jahren ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr tätig. Angefangen hat er bei der Jugendfeuerwehr in St. Georgen. „Das war bei mir auch geprägt durch meine Familie. Mein Vater und mein Onkel waren schon bei der Freiwilligen Feuerwehr. Für mich war daher klar, dass ich mich engagiere und ich finde, man sollte der Gesellschaft etwas zurückgeben.“
Immerhin gut 160 Stunden freiwillige Zeit kommen im Grundausbildungsjahr zusammen. Später sind es 80 bis 100 Stunden, einsatzbereit ist man aber fast 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich. Verantwortungsgefühl ist Voraussetzung.