Zeitgleich mit dem Kurshoch von Bitcoin Ende 2017 explodierten die Suchanfragen bei Google. Die digitale Währung ist zum Hype geworden. Wer einen Abend mit einem Bitcoin-Besitzer vor dem Computer sitzt, der bekommt einen Einblick in eine etwas andere Welt.
Von Katharina Müller
Ein kleines verqualmtes Zimmerchen, funktional eingerichtet, mit Bürostühlen und Schreibtisch, dominiert von drei großen Bildschirmen und Laufwerken. Kabel, Spielkonsolen, Aschenbecher. Es ist faszinierend, wie sich das Klischee hier bestätigt, beim Besuch eines Computer- Freaks, ein Bitcoin-Besitzer in München.
Jan sitzt vor Schaubildern, klickt hier und da, starrt in den Bildschirm und beobachtet die Kurven bei Coinmarketcap.com, eine Seite, die Kryptowährungen wie Bitcoin, Etherum oder Ripple mit der größten Marktkapitalisierung und deren Entwicklung anzeigt.
Welch ein Gewinn: Endlich einer, der aktiv im Bitcoin-Netzwerk ist und beteiligt am Funktionieren dieses Phänomens. Endlich jemand, der vielleicht einige Fragen beantworten kann, die sich in den letzten Monaten auftaten.
Die erste Frage allerdings stellt Jan. Er will wissen, was ich von alternativen Informationen jenseits des klassischen Mainstreams halte. Erst als ich mich interessiert zeige, beginnt er zu sprechen. Prüfung für die Aufnahme in den Kreis der Involvierten. Er warnt, dass es schwierig sei, das Thema Bitcoin gut zu erklären, gerade das Technische. Viele Artikel in den von ihm sogenannten Mainstream-Medien, die versuchen, die Basis-Technologie Blockchain zu erklären, seien sehr ungenau oder stimmten so nicht. Wer sich informieren will, der solle nicht unbedingt in den klassischen Medien suchen. Nicht so viele wissen wirklich gut Bescheid, Bloggerseiten, oder Seiten wie kaspersky.de zum Beispiel helfen eher.
Tatsächlich ist diese Seite informativ, differenziert, erklärt die Grundlagen etwas anders. Bei einigen Sätzen bleibe ich hängen, es ist die rhetorische Frage eines Autors an Leser wie mich: Ob es sich nicht unglaublich gut anfühle, „so schlau zu sein“ und durch diesen Artikel so viel mehr zu wissen als der Großteil der Menschen auf diesem Planeten. Das ist die Freude von Jan und das ist auch der Triumph der Bitcoin-Community mit ihrer Pionierleistung: Geschaffen wurde nicht nur eine dezentral organisierte, anonyme Währung, die keine ist, sondern auch ein Phänomen, das nur wenige wirklich verstehen und ein Mythos, an dessen Anfang ein unbekannter Schöpfer, ein Genie steht. Heldenhaft, unbekannt, allein repräsentiert durch das Pseudonym Satoshi Nakamoto.
In einem Zeitalter, in dem alles erklärbar und berechenbar ist, hat das Unverständliche und das scheinbar Unerklärliche mehr denn je seinen Reiz, und damit werden auch diejenigen interessant, die dieser Unwissenheit mit Informationen begegnen können. Auch Jan scheint davon fasziniert, hat sich auf diesen Seiten informiert, ist Teil der Szene. Einiges, über das er spricht, finde ich auch auf den von ihm empfohlenen Seiten. Da geht es um Börsencrashs der Kryptowährungen, wie ahnungslosen Investoren Wallets, die virtuellen Geldbeutel, gestohlen werden und es geht um Bugs, Programmierfehler, die Probleme bereiten und Geldverluste bedeuten können. Inhalte über differenziert dargestellte Gefahren von Kryptowährungen wie Bitcoin und technologische Details wie der Blockchain, die so tatsächlich kaum in Zeitungen zu finden wären.
Jan sagt, der Bitcoin habe den Durchbruch geschafft. Er sei seit Jahren frei von Fehlern und „geadelt durch den Dollar“, zwar mit hoher Volatilität, schwankend, aber auch unabhängig von der Reputation einer einzelnen Organisation, einem Systembetrieb. Stabil durch ein Netzwerk aus gegenseitiger Kontrolle, das mit Hilfe von Gesetzen der Mathematik funktioniere. Ein Geniestreich. Ein Erfolg, den die Bitcoin-Gemeinschaft feiert, gerade auch, weil zentrale Autoritäten umgangen werden können.
Genau diesen Aspekt erwähnt eine Woche später auch Rafael Mentges. Er ist Experte für Volkswirtschaft an der Uni Freiburg und informiert bei einem BZ-hautnah- Vortrag die Öffentlichkeit: „Mit Bitcoin reich werden?“.
Das Interesse an Kryptowährungen und Bitcoin ist auch in Freiburg riesig und gemischter hätte das Publikum im überfüllten Vorlesungssaal wohl kaum sein können: Stehend und sitzend, zwischen den Reihen und auf den Stufen, versammeln sich unterschiedlichste Personen allen Alters und unterschiedlichsten Milieus, recken die Hände in die Luft, wollen ihre Fragen loswerden. Das Management der Moderatorin hilft nichts, die Zeit rennt, viele Fragen bleiben unbeantwortet.
Auch Jan beantwortet mir nicht, wie reich er durch seine Bitcoins geworden ist. Er grinst und sagt, theoretisch habe er sehr viel. Verkaufen und aussteigen wolle er nicht. Auch um die Wertigkeit des Bitcoin zu erhalten. Es scheint, als sei hier Loyalität gefragt und der Glaube daran. Die Kurven der Währung in luftigen Höhen sind faszinierend und ein treuer Fan geht nicht einfach, der bleibt. Auch wenn da Geld winkt, aber steuerlich, so sagt Jan, sei das auch gar nicht so einfach.
An diesem Freitag in Freiburg gibt es sehr wohl diejenigen, die das große Geld wittern und Anlageberatung suchen („wo soll ich investieren?“) und andere, die einfach daran interessiert sind, dass dieses Phänomen ihnen richtig erklärt wird. „Wo gibt es regionale Experten, die uns das erklären können?“, fragt ein Herr, dem offenbar die Infos aus dem Vortrag nicht ausreichen. Ein junger Mann mit Tattoos im engen Muskelshirt empfiehlt ihm per Zuruf den Facebook-Bitcoin-Stammtisch und ergänzt die Erläuterungen des Experten mit seinem Wissen. Wie auch Mentges kann er sich nach der Veranstaltung über das Gedränge um seine Person freuen.
Wer Bitcoin verstehen will, sollte auch die Fans, die Bitcoin-Community einordnen können, sagt Mentges, ebenso wie die Technologie. Sie basiert auf dem Peer-to- Peer Modell, statt einer zentralen Instanz gibt es ein dezentrales Netzwerk, weniger Angriffspunkte, gute Auslastung, schneller und effizienter. Mentges hält Kryptowährungen nicht per se für eine abwegige Anlageform und gibt zu, darüber nachzudenken selbst zu investieren, nicht aber in den Bitcoin.
Der Grund sei auch, dass die Bitcoin-Szene einer bestimmten Denkschule angehöre, die einen egalitären Ansatz verfolge: Bitcoin sei auch mit der Intention geschaffen worden, sich gezielt der Kontrolle der Banken und des Staats zu entziehen. Die bisherigen Entwicklungen feiern die Anhänger, sie sind begeistert. So auch Jan aus München. Er sagt sogar, dass Bitcoin das Potenzial habe, die Funktion einer Europäischen Zentralbank zu übernehmen. Mentges hingegen betont, dass bei all der Euphorie über das Potenzial, in der Szene eben auch gerne vergessen werde, dass Staaten und die Banken-Lobby immer am längeren Hebel sitzen werden.
Veranstaltung im März 2018: Bitcoin, Ether, Gold und Silber? (Krypto-)Währungen aus ordnungsökonomischer Perspektive mit: Dr. Ekkehard A. Köhler (Walter Eucken Institut)
Termin: 12. März 2018, 18:30 Uhr
Ort: Haus zur lieben Hand, Löwenstraße 16, 79098 Freiburg
Anmeldung: Wir bitten um Anmeldung bis zum 4. März entweder per E-Mail an , telefonisch unter 0761-790 97 16 oder per Fax an 0761-790 97 97.
Der Referent: Dr. Ekkehard A. Köhler (*1979) studierte Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre, Politikwissenschaft sowie Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der University of Wisconsin, Madison (USA). Nach seinem Abschluss als Diplom-Volkswirt arbeitete er zunächst bei der Deutschen Bank in Frankfurt a. M. und anschließend am Institut für Allgemeine Wirtschaftsforschung, Abteilung für Wirtschaftspolitik, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von 2006 bis 2010 war er Dozent am Institute for the International Education of Students (IES) und zwischen 2005 und 2008 freier Mitarbeiter der Badischen Zeitung. Von 2007 bis 2015 war er Doktorand am Walter Eucken Institut, wo er im Dezember 2015 seine Promotion bei Professor Lars P. Feld abschloss. Seit 2016 ist er geschäftsführender Forschungsreferent am Walter Eucken Institut.
Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Ordnungsökonomik, Institutionenökonomik, Finanzwissenschaften, Geldtheorie und Geldpolitik sowie der Geschichte des ökonomischen Denkens. Seine aktuellen Schwerpunkte liegen auf der vergleichenden Untersuchung von Institutionen der Geld- und Fiskalverfassung auf Geld- bzw. Kapitalmärkten und der Europäischen Währungsunion sowie auf Schuldentragfähigkeitsanalysen.