Die südbadischen Einzelhändler hatten gehofft, 2022 wieder an die Zeit vor Corona anknüpfen zu können. Nun machen ihnen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu schaffen.
VON SUSANNE MAERZ
Die Bilanz nach gut zwei Jahren Corona-Pandemie des regionalen Einzelhandels ist eigentlich dieselbe wie nach einem Jahr: Profitiert haben vor allem Fahrradgeschäfte, da der E-Bike-Boom auch 2012 angehalten hat – und der Lebensmitteleinzelhandel. Allerdings musste und muss letzterer kreativ auf die Hamsterkäufe der Kunden reagieren. Der große Verlierer ist nach wie vor der stationäre Modehandel: Er musste die meisten Schließtage verkraften und leidet nach wie vor am meisten unter dem boomenden Onlinegeschäft und der Zurückhaltung der Kunden, wieder im Laden einzukaufen. Dies war der Tenor der Pressekonferenz des Handelsverbands Südbaden im April.
Gleichwohl waren die regionalen Händler optimistisch ins Frühjahr gestartet. Doch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges haben ihnen nun einen Dämpfer verpasst. „Jetzt, wo Feste wieder stattfinden können, haben wir Lieferprobleme“, sagte Hans-Georg Meier, Betreiber der Modehäuser Meierfashion in Ettenheim und Rheinhausen. Er berichtete davon, wie es noch gelungen sei, die fertig genähten Anzüge eines ukrainischen Lieferanten zu Beginn des Krieges aus dem Land zu bringen. An Nachschub, wenn Größen fehlen, sei aber nicht mehr zu denken.
Neue Lieferanten nötig
Von den Herausforderungen, die die neuerlichen Hamsterkäufe beispielsweise von Öl und Mehl „sozusagen das neue Toilettenpapier“ mit sich bringen, berichtete Roland Fitterer, Präsident des Handelsverbandes Südbaden und Inhaber mehrerer Edeka-Märkte in und bei Baden-Baden. Und davon, dass beispielsweise Sonnenblumenöl in der Ukraine in Silos lagere, aber nicht abgefüllt werden könne, weil Verpackungen fehlten. Nachschubprobleme kündigte er auch bei Grillsoßen an – viele Tomaten dafür wachsen auf der Krim. Neue Lieferanten müssten gesucht, die alten aber so gut es geht unterstützt werden, damit sie nach dem Krieg ihre Unternehmen weiterführen beziehungsweise wieder aufbauen können.
Als weitere Probleme nannte Fitterer die gestiegenen Energiekosten sowie die gestörten Lieferketten. „Die Seidenstraße funktioniert nicht mehr“, sagte er. Lieferungen aus Asien müssten nun statt durch Russland über die Türkei oder andere Wege nach Deutschland gelangen. Zudem fehlen Lkw-Fahrer. Traditionell kommen viele von ihnen, die auch die regionalen Geschäfte mit Ware versorgen, aus der Ukraine, sind nun aber eingezogen worden.
Es gibt auch Hoffnungszeichen: Angesichts der gelockerten Coronamaßnahmen kommen wieder mehr Kunden aus Frankreich und der Schweiz nach Südbaden zum Einkaufen. Dabei hilft, dass der Kurs des Schweizer Frankens aus deutscher Sicht so gut ist wie seit 2015 nicht mehr.