Das wichtige Weihnachtsgeschäft steht bei Galeria Karstadt-Kaufhof dieses Jahr unter keinem guten Stern. Am 1. November hat Deutschlands letzter Warenhauskonzern Insolvenz beantragt – mal wieder. Die Probleme sind alt.
VON KATHRIN ERMERT
Wenn er noch Geschäftsführer wäre, würde er kein Interview geben, sagt Olaf Kather. Denn dann könne er ja eh nichts sagen. Doch weil der ehemalige Leiter des Freiburger und Offenburger Standorts Karstadt 2014 verlassen hat, plaudert er im Gegensatz zu den aktuellen Führungspersonen gern bei einem Latte Macchiato im Restaurant der Galeria am Europaplatz über seine Erfahrungen und Einschätzungen.
Die Antworten der Pressestelle der Essener Firmenleitung hatten Kathers Einschätzung zuvor schon bestätigt. Auf die Frage nach Namen und Kontaktdaten der Standortleiter der fünf südbadischen Warenhäuser antwortete Patrick Hacker von der Düsseldorfer Agentur „Komm.passion“ – offenbar im Auftrag von Galeria Karstadt-Kaufhof – dass man für „Pressefragen aller Art steht gerne zur Verfügung“ stehe. Und immerhin die Mitarbeitendenzahlen der Galeria-Standorte in der Region teilte er mit: 129 Freiburg (Bertoldsbrunnen), 157 Freiburg (Europaplatz), 85 Offenburg, 115 Lörrach und 73 Singen.
Doch Namen und Kontakte verriet er nicht, und auf alle Fragen zu Umsatzzahlen und -entwicklung, Investitionen, Mietverträgen oder Besitzverhältnissen lautete die Antwort: „Dazu äußern wir uns nicht.“ Zu Gesprächen mit Investoren wie „büro.de“ schrieb Hacker: „Mit verschiedenen Interessenten (…) soll es zeitnah Gespräche geben. Inhaltlich können wir daher zu den Ambitionen der Interessenten zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Stellung nehmen.“ Pressearbeit für den angeschlagenen Handelskonzern zu machen, ist derzeit wahrlich kein Traumjob. Nicht so einfach für die Agentur Komm.passion ihr Motto umzusetzen: „Komplexe Herausforderungen kreativ lösen“.
Statt mit einem aktuellen also das Gespräch mit dem Ex-Standortchef Olaf Kather, der von sich selbst sagt: „Ich war mit Herz und Seele Karstädter.“ 27 Jahre seines Berufslebens arbeitete der heute 64-Jährige bei dem Handelsunternehmen, das seine Wurzeln wie er selbst in Essen hat. Er startete 1987 in der Zentrale, wo er sich um strategische Themen kümmerte, und übernahm 1996 sein erstes Haus in Viernheim. Es folgten Leitungsstellen in Dresden, München, Nürnberg und schließlich 2007 in Freiburg. Hier wollte er bleiben und baute mit seiner Frau ein Haus in Kenzingen. Doch die Karstadt-Leitung begrenzte 2013 die Zeit der Geschäftsführer am Standort. Deshalb wechselte Kather 2013 zu Karstadt Offenburg und verließ 2014 den Konzern. Bis 2018 war er Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, arbeitete dann als selbstständiger Berater und ist jetzt im Ruhestand.
Weniger Autonomie der Häuser
Während seiner fast drei Karstadt-Jahrzehnte hat Kather viele wesentliche Entwicklungen des Warenhauskonzerns miterlebt: die Fusionen mit Hertie (1994) sowie Quelle (1999) und die anschließend vom damaligen Konzernchef Middelhof vorangetriebene Diversifikation, auch in Richtung Touristik (Thomas Cook). Die Fusion von Karstadt mit Kaufhof zur Galeria Karstadt Kaufhof vor zwei Jahren verfolgte Kather nur noch als Beobachter. „Das Tätigkeitsprofil der Standortleiter hat sich verändert“, sagt Kather. Anfangs konnte er noch sehr eigenständig agieren, selbst Führungspersonal einstellen, über ein eigenes Werbebudget verfügen, den Standort lokal repräsentieren.
Die Autonomie der einzelnen Häuser sei dann immer stärker beschnitten worden. Jetzt dürfen sich lokale Führungskräfte – siehe oben – nicht äußern. Sie treten kaum mehr in Erscheinung und haben wenig Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Das hat die Agilität, mit Herausforderungen umzugehen, sicherlich nicht verbessert. Seit Jahrzehnten kämpfen die innerstädtischen Warenhäuser gegen wechselnde Gegner: erst Discounter und Fachmärkte auf der grünen Wiese, dann Sortimentsanbieter wie Drogerien und Parfümerien, schließlich der Onlinehandel und zuletzt Pandemie sowie Inflation.
„Die Autonomie der einzelnen Häuser ist immer stärker beschnitten worden.“
Olaf Kather, 2007-2013 Standortgeschäftsführer Karstadt Freiburg
Für den stationären Handel gilt: Er muss mit Shoppingerlebnissen und mit Beratung punkten. Hier hilft laut Kather eine strategische Vorgabe der Essener Zentrale bei der Kundenorientierung nicht wirklich weiter. „Funktionstrennung“ heißt sie und sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden den Bereichen Verkauf, Kassieren sowie Logisitik fest zugeordnet sind und nicht hin- und her wechseln. Die Folge: Weniger Mitarbeitende sind für mehr Fläche zuständig, und die Kunden sehen weniger Verkäuferinnen. „Die Standortleitung hat da wenig Einfluss“, sagt Kather.
Häuser am Oberrhein sind profitabel
Gravierend waren Kathers Darstellung nach auch die finanziellen Folgen der Fusionen. Bei Quelle und Hertie habe es hohen Investitionsstau gegeben, Karstadt habe viel Geld investieren müssen, das dann den Warenhäusern fehlte. „Der stationäre Handel war die Cashcow“, sagt Kather. Aus dessen Cashflow seien bis dahin alle Investitionen finanziert worden. „Mit Quelle begann die Konkurrenz um Mittel.“ Um liquider zu sein, verkaufte Karstadt in den Nullerjahren viele Immobilien und mietete sie wieder an („sale and lease back“). Kurzfristig mag das geholfen haben.
Jetzt sind die Belastungen ein Problem. Der jüngste im Handelsregister veröffentlichte Geschäftsbericht der Galeria Karstadt-Kaufhof GmbH für das Geschäftsjahr 2020/21 weist Miet-, Pacht- und Leasingkosten in Höhe von 324 Millionen Euro auf. Deshalb sind nun die Standorte, die Miete zahlen, besonders von der Schließung bedroht. In der Region sind dies das Freiburger Haus am Europaplatz, Offenburg, Lörrach und Singen. Laut Immobilienzeitung ist die Fortführung dieser Filialen unwahrscheinlich. Die besten Aussichten hat demnach der Freiburger Standort am Bertoldsbrunnen, der dem österreichischen Galeria-Gesellschafter Signa gehört.
Dabei waren die Häuser entlang des Oberrheins laut Kather äußerst profitabel. 2009, als Karstadt schon einmal insolvent war, sei seine Freiburger Filiale „hochprofitabel“ gewesen und habe ein Drittel des gesamten Unternehmensgewinns erwirtschaftet. Dazu hätten auch die Vermietungen – damals vor allem an den Schweizer Lebensmittelhändler Migros – beigetragen. Etwa ein Drittel der 20.000 Quadratmeter von Galeria am Europaplatz sind vermietet.
Migros wurde 2013 vom Supermarkt Rewe abgelöst, der zusammen mit den anderen Mietern wie der Burgerkette Five Guys und dem Dessouslabel Intimissimi nach wie vor zu den schwarzen Zahlen beiträgt. Ebenso senken die zahlreichen sogenannten Shop-in-Shop-Konzessionäre wie Betty Barclay oder Boss Kosten und Risiken des Kaufhauses, weil die Ware da im Besitz des Herstellers bleibt, der teilweise auch die Mitarbeitenden bezahlt. Deshalb findet Kather den Trend zu mehr Konzessionen unproblematisch.
Die Zukunft der beiden Standorte in der Kaiser-Joseph-Straße sieht der ehemalige Freiburger Karstadt-Chef indes kritisch: „Zwei Warenhäuser sind sicher eines zu viel.“ Er kann sich aber vorstellen, dass beide mit unterschiedlichen Ausrichtungen weiter betrieben werden. Es brauche „Sortimentsanreize“, die stark genug dafür sind. Dass sein ehemaliger Karstadt, in dem ihn noch viele Mitarbeitende erkennen und freundlich grüßen, geschlossen werden könnte, das mag Olaf Kather sich nicht vorstellen.
1 Kommentar
Ich lese nur Profit immer wieder ! Eins durften Die GF entscheiden das man noch Eine Grillparty veranstaltet! Bei der Bezahlung hat man allerdings die Zentrale entscheiden lassen ! Natürlich wenn man insolvent ist bleibt einiges auf der Strecke aber man braucht keine Party mehr zu veranstalten und den Caterer am Seil herunterlassen !
Und dann wird noch beim Staat Gebettelt was auch noch im Caterer sein Geld wäre !