Zusammen mit seinen Winzerdörfern Amoltern, Kiechlinsbergen und Königschaffhausen ist Endingen am Kaiserstuhl eine der größten Weinbaugemeinden in Baden.
Von Daniela Frahm
Auf 700 Hektar werden Reben gepflanzt, in der Kernstadt und in jedem der drei Ortsteile gibt es eine Winzergenossenschaft und dazu noch eigenständige Weingüter. Aber der 9200-Einwohner-Ort, in dem Hans-Joachim Schwarz bereits seit 1994 Bürgermeister ist, hat noch mehr zu bieten als Trauben.
Es haben sich einige große Betriebe angesiedelt und Endingen hat eine „lebendige Innenstadt“, wie Sebastian Wagner von der Gewerbe- und Handelsvereinigung (G&H) betont. Dafür spricht auch, dass der Handelsverband Südbaden Endingen im Jahr 2001 als erste Gemeinde mit dem „König Kunde“-Zertifikat ausgezeichnet hat. Dieses immer wieder zu erneuern, ist nicht der einzige Ansporn der Einzelhändler.
In der kopfsteingepflasterten historischen Innenstadt gibt es noch viele alteingesessene, inhabergeführte Läden, die den besonderen Charme ausmachen. Die 1856 gegründete Buchhandlung Vollherbst-Koch ist der älteste Einzelhändler. Das Modehaus Fuchs feierte im vergangenen Jahr sein 150-jähriges Bestehen, und Handelsverband-Präsident Philipp Frese lobte, dass sich Endingen „nicht zuletzt durch seine Leistung viel besser behauptet, als man es von einer Stadt in dieser Größenordnung erwarten darf“.
In fünfter Generation wird das Familienunternehmen inzwischen von Ingo Fuchs geführt, der auch Vorsitzender der G&H mit ihren über 130 Mitgliedern ist. Sein Stellvertreter Sebastian Wagner ist einer der Geschäftsführer des ebenfalls familiengeführten Optikers und Schmuckgeschäfts Febon, das demnächst 160-jähriges Jubiläum hat. Und Markus Dirr führt seit vielen Jahren die 1897 von seinem Urgroßvater eröffnete Metzgerei.
Aber so idyllisch sich das alles anhört, ist es dann auch wieder nicht. Die Endinger Einzelhändler haben – wie alle anderen auch – mit der Online-Konkurrenz zu kämpfen. Sie setzen deshalb auf eine Qualitätsoffensive mit persönlicher Beratung, wofür es über das „König Kunde“-Zertifikat regelmäßige Schulungen gibt, und auf große Veranstaltungen, die Besucher aus der gesamten Region in die Stadt holen. Immer am zweiten Freitag im September gibt es die „Endinger Lichternacht“, bei der bis 24 Uhr eingekauft werden kann, am 7. und 8. Oktober wird es wieder einen Alemannischen Brotmarkt mit verkaufsoffenem Sonntag geben.
Ende Mai war bereits Büchermarkt mit angeschlossener CD- und Schallplattenbörse, der immer am Sonntag nach Christi Himmelfahrt stattfindet und Marktbeschicker aus ganz Baden-Württemberg, der Pfalz, dem Elsass und der Schweiz anzieht.
Wenn es um diese Events geht, fällt immer wieder ein Name: Wolfgang Koch, der Inhaber der Buchhandlung Vollherbst-Koch, ist Ideengeber und Organisator vieler Veranstaltungen – und das inzwischen nicht nur in Endingen. Zusammen mit dem Steuerfachwirt Marco Meyer hat er eine Agentur für innovatives Stadtmarketing gegründet und war auch an dem Konzept für den ersten Schwarzwald-Heimat-Markt in Elzach im April beteiligt. Zudem berät die Agentur andere Gemeinden und Gewerbevereine. Meyer hat im vergangenen Jahr auch die Verwaltung der neu geschaffenen Geschäftsstelle des G&H übernommen. Außerdem wurde der Vorstand von acht auf 13 Personen vergrößert, um die ehrenamtliche Arbeit besser zu verteilen.
Koch war übrigens auch Initiator des Städtebündnis „Die Historischen Drei“, das Endingen im Januar 2016 mit Gengenbach und Staufen geschlossen hat. Alle drei Orte sehen ihre Gemeinsamkeiten „im lebendigem Einzelhandel, der Kultur, der Geschichte, dem touristischen Potenzial und dem hervorragenden Wein“.
Ziel soll ein lebendiges Netzwerk sein, in dem die Partner voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und eine gemeinsame Marke gestalten. „Alle drei Städte verfügen über eine gesunde Einzelhandelsstruktur, stehen aber gleichzeitig in hartem Wettbewerb“, erklärte Koch, „der Erfahrungsaustausch unter den Händlern birgt riesige Chancen.“ Auch bei der hochwertigen Kulturarbeit in allen drei Städten biete sich ein Austausch an.
Im Oktober 2018 heißt es dann wieder: „Endingen zeigt Flagge“. Die moderne Gewerbeschau mit Modenacht und verkaufsoffenem Sonntag wurde bislang zwei Mal veranstaltet, zuletzt im Jahr 2015. „Die Menschen aus der Umgebung sollen unsere vielfältige Produktpalette und Endingen als Einkaufsstadt kennenlernen“, erklärt Wagner. Besonders hohe Umsätze seien an solchen Tagen nämlich nicht zu erzielen. Und die beteiligten Industriebetriebe würden „Flagge zeigen“, weil sie darin auch die Chance sehen, Fachkräfte anzuwerben.
Obwohl sie im G&H noch nicht so zahlreich vertreten sind, wie sich das der Vorstand wünschen würde, sei beiden Seiten – Industrie und Handel – jedoch bewusst, dass sie einander brauchen würden, sagt Wagner. „Die großen Industriebetriebe sind im Ort verwurzelt.“
Rund 3000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gibt es mittlerweile in Endingen. Zu den größten Betrieben gehört unter anderem das Schweizer Elektrotechnikunternehmen Schurter GmbH, das in Endingen Schalter, Taster und Tastatursysteme für Industrie, Telekommunikation und Medizintechnik fertigt und vermarktet. Ein Tochterunternehmen einer Schweizer Firma ist auch die Oetiker GmbH, die mit rund 280 Mitarbeitern Schlauchklemmen produziert, die vor allem in der Automobilindustrie eingesetzt werden. Ein Autozulieferer ist auch Adval Tech, die frühere Fischer Gruppe verarbeitet Metall und Kunststoff.
Konferenz- und Loungemöbel für den Büro- und Objektbereich produziert Girsberger, Vollherbst Druck produziert Etiketten für Weine aus aller Welt, und die Südwestdeutsche Verkehrs AG betreibt ein Betriebszentrum für Schienenfahrzeuge und Busse. Der Mobiliarhersteller Girsberger ist in einem eigenen Beitrag in dieser Ausgabe vertreten.
In den vergangenen Jahren sind außerdem einige Betriebe aus Bahlingen nach Endingen umgesiedelt. Dazu zählt nach Braunform und Dinger Stone bald auch die Firma Krumm Tec, die in diesem Frühjahr den Grundstein für ein neues Produktions- und Entwicklungsgebäude für rund 3,7 Millionen Euro gelegt hat. Hergestellt werden sollen dort industrielle Reinigungsmaschinen und Luftfiltersysteme, unter anderem für den Werkzeugbau sowie Medizin- und Pharmaunternehmen. Das Unternehmen erhält dabei eine Förderung aus dem Landes- und EU-Programm „Spitze auf dem Land“, das auch die Erweiterung von Eltroplan unterstützt, einem Elektronikentwickler und -hersteller.
Um den eigenen Firmen Erweiterungsmöglichkeiten bieten zu können, war eigentlich ein weiteres kleines Gewerbegebiet nördlich der L113 vorgesehen, das jedoch durch einen Bürgerentscheid verhindert wurde. Die Erfa-Gruppe der Endinger Industrieunternehmen und die G&H hatten sich im Vorfeld für das zusätzliche Gewerbegebiet „Mannsmatten“ ausgesprochen, weil die Firmen für attraktive Arbeitsplätze und die notwendige Gewerbesteuer für städtische Aufgaben sorgen würden. Während die Gegner von explosionsartigem Wachstum sprachen und „Flächenfraß“ befürchteten, stand für Unternehmer Eberhard Fischer fest: „Wir freveln nicht mit Bauland.“
Eine knappe Mehrheit von 51,1 Prozent (Wahlbeteiligung 40,7 Prozent) stimmte beim Bürgerentscheid im September 2016 gegen „Mannsmatten“. Da das Quorum erreicht wurde, ist dieser Beschluss für drei Jahre bindend. Ein Mehrheitsbeschluss des Gemeinderates wurde damit gekippt. Grünen-Kreisrat und BUND-Geschäftsführer Axel Mayer freute sich darüber und lobte sowohl das „vorsichtige Umdenken und Nachdenken“ als auch die „positive, demokratische Streitkultur“. Sebastian Wagner von der G&H hielt es hingegen für „keine rationale Entscheidung“. Das Gebiet wäre „ein Gewinn für alle Ortsteile gewesen“: „Wir müssen uns weiter entwickeln. Ein gewisses Wachstum ist gut für die Innenstadt, die Industrie und die Einwohner.“
Obwohl der Bevölkerungszuwachs nach Angaben des Landratsamts in den vergangenen Jahren mit 2,3 Prozent unter dem Kreisschnitt liegt und die Zahlen in den Ortsteilen zurückgehen würden, werden auch in Endingen weiterhin Wohnungen gebaut. An den Ortseingängen sind einige Geschosswohnungsbauten entstanden und es kommen noch neue hinzu. Zum Beispiel das Projekt „Wohnen in der alten Gärtnerei“, das 2018 fertiggestellt sein soll. Die Wirth Grundstücksverwaltung investiert sechs Millionen Euro in eine Anlage mit 30 Mietwohnungen.
Die Stadt hat zudem von Herbst 2016 bis zum Frühjahr 2017 zusammen mit Bürgern und mit einem Planungsbüro ein Gemeindeentwicklungskonzept erarbeitet, bei dem es vor allem darum ging, Flächen durch Innenentwicklung zu gewinnen. Dabei haben sich zwei Sanierungsgebiete herausgebildet. In Kiechlinsbergen könnte das Gewerbeareal zwischen Ohnestalweg und Oberbergener Straße für Wohnbebauung genutzt werden, und in der Kernstadt könnte die Stadtsanierung im Südosten fortgesetzt werden.
Für beide Gebiete hat der Gemeinderat das Büro Kommunale Stadterneuerung beauftragt, Anträge auszuarbeiten. Da in städtebaulichen Förderprogrammen nicht zwei Anträge gleichzeitig bewilligt werden und die Stadtsanierung noch bis 2019 läuft, legt der Gemeinderat nach einem Vorschlag der Planer die Priorität auf Kiechlinsbergen. In Amoltern und in Königschaffhausen sehen die Planer eher Chancen, dass einzelne Objekte über das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) gefördert werden und bestehende Baugebiete nachverdichtet werden.
Endingen ist aber nicht nur als Wohn- und Arbeitsort attraktiv, sondern zieht auch viele Touristen an. Das liegt nicht nur an den vielen Weingütern. Rund um die Kaiserstuhl-Gemeinde gibt es Wander- und Fahrradwege und auch der Museumszug Rebenbummler hält hier. Der Ort ist eine Hochburg der alemannischen Fasnet, außerdem gibt es neben einem Käsereimuseum auch ein Kirschenmuseum und ein Heimatmuseum. Kulinarisches Aushängeschild ist Sternekoch Thomas Merkle, der inzwischen neben „Merkles Restaurant“ auch noch die „Pfarrwirtschaft“ eröffnet hat, in der es auch einfachere Speisen zu kleineren Preisen gibt. „Wir haben für unsere Ortsgröße eine attraktive gastronomische Auswahl“, findet Wagner.
Im vergangenen Jahr hat Endingen bei den Gästeankünften und den Übernachtungen zugelegt, auch die Bettenzahl hat sich erhöht. Von „hervorragenden Zahlen“ sprach Caroline Simon vom Kaiserstühler Verkehrsbüro bei einer Präsentation beim G&H. Die Gästeankünfte stiegen um 2060 auf 26.720, die Übernachtungen um 2983 auf 77.544, den Großteil machen dabei Gäste aus Deutschland (78 Prozent) aus. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer blieb hingegen gleich: Sie lag bei zwei Tagen im gewerblichen Bereich und fünfeinhalb Tagen in privaten Unterkünften.
Insgesamt gab es 519 Betten und damit 43 mehr als im Vorjahr. Ausgebaut werden könnte das Angebot zum Beispiel durch ein Wellnesshotel, vor allem für die Wintersaison. Das ist zumindest ein Ergebnis einer Umfrage der Fachhochschule Westküste (Heide/Schleswig-Holstein) unter Leistungsträgern der Tourismusbranche am Kaiserstuhl.
Als besondere Stärken der Region werden darin beispielsweise die gute Lage, das Preis-Leistungsverhältnis und die Freundlichkeit der Menschen genannt. Als Schwächen werden die Infrastruktur und der öffentliche Nahverkehr und fehlende Parkmöglichkeiten für Feriengäste aufgelistet. Auf der Wunschliste stehen mehr Angebote für Familien, Kinder und junge Leute. Simon warb beim G&H für einen Schulterschluss zwischen Handel und Gastgebergewerbe, weil davon alle Beteiligten profitieren könnten. Es sei auffällig, dass sich viele Gäste rund um die Veranstaltungen der G&H schon frühzeitig um Zimmer in Hotels und Pensionen bemühen würden.