Gestiegene Marktpreise und eine Politik, die täglich mit neuen Ideen kommt, halten die regionalen Energieversorger in Atem.
VON BERNWARD JANZING
Die Energiebranche hat es nicht leicht in diesen Tagen. Die Unternehmen sind nicht nur durch die volatilen Märkte gefordert, sondern auch durch die nicht minder volatilen Launen der Berliner Politik. Zum Beispiel die Gasumlage. Die Bundesregierung wollte eine solche einführen, blies sie dann aber wieder ab als viele Unternehmen ihre Kunden schon angeschrieben hatten. Es blieben nur: die Kosten.
Als Nächstes wurden im Verlauf des Jahres vorübergehend Umsatzsteuersätze geändert – dabei hatte man nach dem Chaos mit der halbjährigen Umsatzsteuersenkung im Coronajahr 2020 geglaubt, die Politik lasse von solchen Kapriolen künftig die Finger. Und dann greift die Bundesregierung plötzlich auch noch in die Preisgestaltung im eigentlich liberalisierten Energiemarkt ein mit Maximalpreisen, die – was besonders bizarr ist – auf Basis früherer Verbräuche individuell für jeden Kunden kalkuliert werden müssen. Von Bürokratieabbau spricht in der Bundesregierung gerade niemand mehr.
Frust über die Preisbremsen
Entsprechend frustriert sind die Unternehmen in der Region. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern sich fast täglich“, heißt es bei Energiedienst. Die EnBW erklärt: „Wir befinden uns in einer in der Form ungekannt schwierigen Energiemarktsituation.“ Die Eingriffe der Politik in den Markt brächten „einen erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich, insbesondere für die Abstimmung mit den Kunden, aber auch in den Abrechnungsprozessen“.
Das alles in einer Zeit, in der schon ohne die Politik allein die Energiemärkte die Branche herausfordern. Von einem südbadischen Versorger wird berichtet, dass hausinterne Energiehändler, die bislang besonnen ihre Arbeit verrichteten, den Druck durch die turbulenten Märkte nicht mehr verkraften. Nun hätten Kollegen den Job übernommen, die einst in der hektischen Welt der Börsengeschäfte gestählt wurden.
Zu allem Überfluss drängt die Bundesregierung mit ihren Ideen auch noch auf ein Tempo, das die Branche nicht zu leisten vermag. So gilt die schnelle Einführung einer „Strompreisbremse“ als weltfremd. Diese sei „bis zum 1. Januar 2023 in der vorliegenden Form nicht zu schaffen“ warnt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Standardisierte Programme müssten bei hunderten Unternehmen komplett umgeschrieben werden; dafür brauche es entsprechende Experten, deren Kapazitäten aber auch limitiert seien. Für die „Gaspreisbremse“ gilt das gleichermaßen.
„Wenn die Preisbremsen aus vorher bekannten technischen Gründen scheitern, schädigt das die Glaubwürdigkeit staatlichen Krisenmanagements“.
Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verband kommunaler Unternehmen
Die Gesetze aus Berlin seien „ein Vertrag zulasten Dritter, nämlich der Stadtwerke“, beklagt auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), weil die Versorger die Ideen der Politik organisatorisch umsetzen müssen. „Wir haben immer vor überzogenen Erwartungen und vor zu komplexen Lösungen gewarnt“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Dass die Politik das überhöre, sei gefährlich. Denn wenn die Preisbremsen „aus vorher bekannten technischen Gründen“ scheitern, schädige das „die Glaubwürdigkeit staatlichen Krisenmanagements“. Alternativ schlägt der BDEW eine Lösung vor, die der Politik offenbar zu pragmatisch ist: Wenn der Staat die Haushalte kurzfristig entlasten wolle, sei eine weitere Auszahlung eines Energiegeldes im Januar eine unkomplizierte Lösung.
Hinzu kommt, dass staatlich gedeckelte Energiepreise ohnehin wenig zielführend sind in einer Zeit, in der Energieverbräuche sinken sollen. Die deutschen Gasspeicher sind zwar inzwischen voll – immerhin das ein Erfolg der Bundesregierung –, doch wie lange die Reserven reichen werden, hängt nicht nur von den Temperaturen im Winter ab, sondern auch davon, in welche Länder das Gas fließen wird. Deutschland hat zwar die größten Speicherkapazitäten Europas, doch im liberalisierten EU-Markt ist unklar, wer am Ende auf die Mengen zugreifen wird.
Erneuerbare sind plötzlich wirtschaftlich
Sparen ist also unabdingbar, ob beim Gas oder beim Strom. Wie sehr die Menschen in Südbaden das bereits beherzigen, können die regionalen Anbieter bisher allerdings nur bedingt abschätzen. „Bei den Endkunden ist zwar eine leichte Reduzierung erkennbar“, heißt es bei Energiedienst, doch es sei einstweilen unklar, ob dies an den Sparbemühungen der Kunden oder am außergewöhnlich warmen Oktober liegt. Ähnliches teilt die EnBW mit. Badenova spricht von einem „mittleren bis hohen einstelligen Prozentsatz“ an Gaseinsparung im Privatkundensektor – bereits korrigiert um die Auswirkung der warmen Witterung.
Mit ihren Preiskalkulationen sind die großen Anbieter in Südbaden aufgrund ihres langfristigen Einkaufs von Strom und Gas bislang recht gut über die Runden gekommen. „Wir haben durch unsere langfristige Beschaffungsstrategie die Preise 2022 stabil halten können“, hebt zum Beispiel Energiedienst hervor. Gleichwohl könne man die „anhaltenden Turbulenzen am Energiemarkt“ nicht weiter auffangen und werde 2023 die Strompreise für Haushaltskunden erhöhen. EnBW gab unterdessen bekannt, Strom für Elektroheizungen und Wärmepumpen zum 1. Januar 2023 drastisch zu verteuern. Es dürften in den kommenden Monaten alle Versorger folgen, die jüngst noch nicht erhöht haben.
Unterdessen hat der Preisanstieg bei den fossilen Energien die erneuerbaren Energien dorthin katapultiert, wo sie immer hin sollten: Sie sind plötzlich ohne Förderung wirtschaftlich. Derart wirtschaftlich sogar, dass die Bundesregierung nun von den Erzeugern auch noch ergänzend zu den normalen Ertragssteuern Zusatzgewinne abschöpfen will. Solche Eingriffe der Politik könnten jedoch lange nachwirken; die Branche warnt, dass rabiate Interventionen in das Marktgeschehen das Vertrauen der Investoren erschüttern würden – zu Lasten des Ausbaus der erneuerbaren Energien.
Die Situation sei derzeit „komplex und hochvolatil“, heißt es bei Energiedienst. So profitiert das Unternehmen mit seinen Wasserkraftwerken zwar einerseits von den hohen Strommarktpreisen. Dem stehe aber ein höheres Risiko durch Zahlungsausfälle gegenüber: „Wenn Unternehmen und Privatpersonen ihre Abschläge nicht mehr bedienen können, fehlt uns dieses Geld.“
Zudem berge das Wetter bei den hohen Preisen am Strommarkt ein entsprechend höheres Risiko, das sich in diesem Jahr durch eine niedrige Wasserführung im Rhein bewahrheite. Durch die Trockenheit könne Energiedienst rund 20 Prozent weniger Strom erzeugen als im zehnjährigen Mittel. Wenn Energiedienst Lieferversprechen wegen des Niedrigwassers nicht aus eigener Produktion erfüllen kann, muss das Unternehmen diese Mindermengen teuer zukaufen.
Stadtwerke stellen Vertrieb ein
Noch ein Punkt treibt die Energiewirtschaft um, wie der Branchenverband BDEW betont: „Aufgrund des extremen Preisniveaus an den Energiebörsen müssen Energieversorger sehr hohe Summen aufbringen, um Energieeinkäufe zwischenzufinanzieren und die entsprechenden Sicherheiten zu hinterlegen.“
Wie es Firmen ergehen kann, deren Einkaufsstrategie nicht aufgeht, erlebte man in der Region jüngst bei den Stadtwerken Bad Säckingen. Diese haben im Jahr 2021, als die Großhandelspreise bereits vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine deutlich anzogen, einen Verlust von rund neun Millionen Euro eingefahren.
Andere Unternehmen ziehen sich angesichts der Marktentwicklungen ganz aus dem Stromvertrieb zurück: Die Kunden der Stadtwerke Laufenburg werden ab Januar von Energiedienst versorgt, jene der Stadtwerke Elzach von der EnBW und die Kunden der Gemeindewerke Schutterwald wechseln zum neuen örtlichen Grundversorger Vattenfall. Auch das Energiewerk Ortenau in Achern wird „aufgrund der dramatischen Entwicklung auf den Energiemärkten“ zum Jahresende den eigenständigen Strom- und Erdgasvertrieb einstellen.
Sofern die Energiepreise hoch bleiben, dürften das nicht die letzten Umwälzungen in der südbadischen Strom- und Gaswirtschaft gewesen sein.