Das mittelständische Unternehmen Owis aus Staufen steht für Mikro-Präzision bei Lasern. Vor allem aber dafür, wie eine Übergabe auch punktgenau gelingt, wenn die Firma nicht in der Familie bleibt.
VON RUDI RASCHKE
Rüdiger Ruh hat es nicht nur bei den Produkten seiner Arbeit mit der Genauigkeit. Der Inhaber des Unternehmens Owis war zuvor am selben Ort Geschäftsführer – und hat mit einem sehr exakten Plan die Übergabe gestaltet. Kennen gelernt hatte der gebürtige Münstertäler seine heutige Firma bereits als Jugendlicher.
Mit 16 Jahren plante Ruh nach der mittleren Reife dort eine Ausbildung zum Feinmechaniker zu machen, entschied sich dann aber für eine Lehre in der Nachbarschaft, bei IKA. Das Gespräch mit Owis fand damals in einem Rahmen statt, den Ruh als vier-Zimmer-Wohnung beschreibt. Heute steht er einem Unternehmen vor, das mit 50 Mitarbeitern sieben Millionen Euro Umsatz tätigt, Tendenz ordentlich steigend, zuletzt mit einem Wachstum um 16 Prozent im ersten Quartal.
Owis-Produkte kann man sich vorstellen als variable, auf Millionstel- Millimeter genau bewegliche Positioniersysteme für Laser. Sie sind im Teilchenbeschleuniger ebenso verbaut wie in der Produktion edler Kamera-Linsen. Auch Krebszellen fahren mit Präzisionsschienen von Owis unter das Labor-Mikroskop. Mehrachsig und weltweit. Wie es dazu kam, dass Rüdiger Ruh das Unternehmen von Diana Breiner, Tochter des Gründers Herbert Breiner, übernehmen konnte?
Ruh wandte sich zunächst über einen Anwalt und per Brief an Breiner, ein Jahr verhandelte er, bis der drei-Stufen-Plan zur Übernahme nach zwei weiteren Jahren bis Anfang 2020 feststand. Zunächst stieg er als Geschäftsführer 2018 in das Unternehmen ein, 2019 übernahm er eine Minderheit der Anteile, um dann die Option auf einen vorher festgelegten Preis zur kompletten Übernahme zu ziehen.
“Wir sind offener geworden, entspannter, flexibler – so etwas spürt der Markt”
Was nach einem schnurgeraden, wie vom Laser gezeichneten Weg eines Ingenieurs zum eigenen Unternehmen ausschaut, war durchaus mit Wendungen und auch viel Einsatz verbunden: Der Feinmechaniker-Ausbildung folgte ein nachgeholtes Abitur, ein Studium der Feinwerktechnik mit Schwerpunkt Mikrosystem- und Lasertechnik in Furtwangen schloss sich an.
Er war in der Geschäftsführung von Konzernen, aber auch Familienunternehmen wie Z-Laser in Freiburg tätig, ehe es ihn wieder dorthin trieb, wo er einst für eine Ausbildung vorgesprochen hatte. Ruh sagt, dass er das Unternehmen in einer gewissen Stagnation erlebt habe damals, „der technologische Drive hat gefehlt“.
An der Marke habe er allerdings keine Zweifel gehabt: In der Welt der Photonik, so ist der Teilbereich der Physik bezeichnet, der sich um optische Verfahren dreht, habe praktisch jeder Student in seinem Labor schon einmal das rautenförmige Owis-Logo gesehen, sagt Ruh. Das Unternehmen sei heute eines von zweien weltweit, das so ein Produkt-Portfolio mit dieser Präzision bei optischen Strahlführungs- und Positioniersystemen anbieten könne. Bei Vakuum-Produkten sogar das einzige auf der Welt.
Den Fortbestand des Unternehmens im Blick
Ruh sagt unaufgeregt, dass er als Ingenieur dennoch nur vage Vorstellungen gehabt habe, „was es heißt, ein Unternehmen zu kaufen.“ Der Preis im siebenstelligen Bereich sei nicht ganz niedrig gewesen, aber fair. Das Unternehmen hat eine satte Eigenkapitalquote, es war viel Liquidität im Unternehmen – auch wenn er eigentlich „kein Geld kaufen“ wollte, habe er ruhig schlafen können. Wichtig sei dabei gewesen, dass er die richtigen Berater ins Boot geholt habe.
Und dass für ihn früh klar war, dass die Familie als Verkäufer hier keineswegs den maximal-Preis herausholen will, sondern den Fortbestand des Unternehmens im Blick hat. Der Enkel des Owis- Gründers ist weiterhin bei Ruh tätig. Ebenfalls wichtig für die Übernahme: Eine Bank, die mitgeht. Rüdiger Ruh hat sie direkt am Ort gefunden, es war die Sparkasse Staufen-Breisach. Sie unterstützte ihn auch darin, dass er den Deal allein und ohne Investoren oder andere Anteilseigner stemmt. „Ich war zu 100 Prozent sicher“, sagt Ruh, Stimmrecht sei auch der Bank vor Kapital gegangen.
In der alleinigen Verantwortung hat er zunächst die Personalkosten reduziert – aus einer dreiköpfi gen Geschäftsführung blieb er allein übrig. Eine Lean Managerin zur Optimierung brachte er vom früheren Arbeitgeber mit. Was insofern interessant ist, als er es nicht bei extern einschwebender Kurzzeit-Beratung belassen wollte, sondern einem „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“. Auf diese Weise könne er sich um Vertrieb, Forschung und Entwicklung von Zukunftsthemen kümmern, beispielsweise den Weg über das Labor hinaus in Richtung Industrie zu gehen.
Augenmerk aufs Image
Aber auch darum, gemeinsam eine Wachstumsplanung vorzunehmen, bei der Abteilungen (aktuell sind es elf) zusammen geführt werden, um mit gestrafften Aufgaben die wichtigen Positionen doppelt besetzen zu können. Und, nicht zuletzt, sein Augenmerk aufs Image der Marke zu richten: „Wir sind off ener geworden, entspannter, flexibler“, sagt er, „so etwas spürt der Markt“.
„Laser lieben Owis“ lautet der hierzu angepasste Werbe- Claim in der neuen Tonalität. Als jugendlicher Leistungs-Skifahrer habe er gelernt, sich auch mal ein schwer zu erreichendes Ziel zu stecken, damit es erreicht werden kann, erzählt er. Mit den Mitarbeitern hat er zum Jahresauftakt in insgesamt fünf verschiedenen Gesprächsrunden die Perspektive erklärt.
Er sagt, dass er sich im Vergleich mit anderen Firmenchefs nicht als die Spitze einer Pyramide (oder wie mancherorts als Juwel obendrauf) sehe, sondern mittendrin. Denn beim Wechsel vom obersten Mitarbeiter zum Inhaber und der Neustrukturierung von Produkten und Produktion fallen hin und wieder auch Aufgaben an, die bei einem Mittelständler nur Chefsache sein können: Wenn am Wochenende der Roboter in der Produktion mit Aluminium-Nachschub bestückt werden muss, schwingt sich Rüdiger Ruh aufs Fahrrad und erledigt das schnell selbst.