Es ist dunkler geworden in der Region. Viele öffentliche Gebäude werden seit September nachts nicht mehr angestrahlt. Über die Folgen für Energiekosten, Sicherheit – und die Natur.
VON SUSANNE MAERZ
In Lörrach liegt die Burg Rötteln nachts im Dunkeln, am Bodenseeufer in Konstanz wird die Imperia nicht mehr angestrahlt, in Villingen-Schwenningen die Stadtmauer und in Freiburg der Bertoldsbrunnen. Die Liste dunkler Gebäude in diesen und weiteren Städten und Gemeinden der Region ließe sich lange weiterführen. Seit September folgen die Kommunen der Aufforderung der Bundesregierung, die öffentliche Beleuchtung zu reduzieren, um Energie zu sparen. Während die einen dies kaum bemerken, fühlen sich andere nun weniger wohl in der Stadt oder meiden bestimmte Straßen.
In Freiburg „haben sich die Laufwege speziell bei jungen Frauen auf die besser beleuchteten Bereiche, zum Beispiel die Kaiser-Joseph-Straße, verlagert“, sagt Pressesprecher Toni Klein und verweist auf Aussagen des Vollzugsdienstes. Hier werden beispielsweise Martins- und Schwabentor oder die Bäume im Stadtgarten nicht mehr beleuchtet. Das Münster dagegen strahlt nachts weiter wie zuvor – „aus Sicherheitsgründen“, wie es von der Stadt heißt. Sonst läge der gesamte Münsterplatz im Dunkel.
Die 119 Strahler sind allerdings vor fünf Jahren auf stromsparende LED-Technik umgerüstet worden. Damit spart die Stadt für die Beleuchtung ihres Wahrzeichens seitdem rund 2.200 Euro im Jahr (allerdings kosteten die neuen Leuchten 330.000 Euro). Nun sinkt der Energieverbrauch fürs Beleuchten der öffentlichen Gebäude und Plätze in Freiburg von 81.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr auf gut die Hälfte. Mehr geht nicht. Toni Klein sagt: „Die verbliebene Beleuchtung begründet sich durch Verkehrssicherungspflichten. Eine weitere Reduktion ist nicht geplant.“ Vorgesehen sei aber, noch mehr auf LED umzurüsten.
„Es darf nicht auf Kosten des subjektiven Sicherheitsgefühls von Frauen gehen.“
Pia Kuchenmüller, Beratungsstelle Frauenhorizonte
Die Stadt Konstanz spart durchs Reduzieren der öffentlichen Beleuchtung hochgerechnet auf sechs Monate 67.200 Euro. Die Straßenbeleuchtung wurde nicht reduziert. Laut Pressesprecher Walter Rügert ist sie bereits auf ein Minimum gedimmt. Dagegen wird in Offenburg die Straßenbeleuchtung seit September zehn Minuten später an und früher ausgeschaltet. Zudem liegen nachts alle öffentlichen Gebäude in der Innenstadt im Dunkeln. So spart die Stadt laut Pressesprecher Florian Würth rund 30.000 kWh im Jahr. Nach seinen Worten gab es dadurch bislang weder Folgen für die Verkehrssicherheit noch Beschwerden. „Weitere Schritte wie zum Beispiel das Absenken der Lichtniveaus in verkehrsarmen Zeiten werden derzeit geprüft.“
In Villingen-Schwenningen sind die 14.000 Straßenlaternen bis 2019 bereits auf LED umgerüstet worden. Die Stadt spart seitdem „einen richtig großen Batzen an Energie und Kosten“, heißt es von der Pressestelle. Zum 1. September schaltete die Stadt daher nur die Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten – neben der Stadtmauer beispielsweise Riettor und Romäusturm – ab.
Gut fürs Ökosystem
Dass die Kommunen an der Beleuchtung sparen müssen, kann Pia Kuchenmüller von Frauenhorizonte, einer Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt mit Sitz in Freiburg und weiteren Beratungsstellen in Waldkirch und Titisee-Neustadt, nachvollziehen. Gleichwohl betont sie: „Es darf nicht auf Kosten des subjektiven Sicherheitsgefühls von Frauen gehen und wird fragwürdig, wenn Frauen deshalb abends zuhause bleiben. Deshalb sollten die Heimwege weiterhin beleuchtet werden.“ So, wie es in Lörrach passiert, wo an der Burg Rötteln und anderen öffentlichen Gebäuden die Fassaden-, nicht aber die Straßenbeleuchtungen ausgeschaltet wurden.
Über dunkle Wege vor allem entlang von Naturschutzgebieten freut sich dagegen die Tier- und Pflanzenwelt. „Je weniger beleuchtet wird, umso besser ist es für das Ökosystem, das wechselnde Hell- und Dunkelperioden benötigt“, sagt der Biologe Manuel Dietenberger, Gastwissenschaftler an der Universität Freiburg.
Weltweit nimmt die sogenannte Lichtverschmutzung zu. Dies ist auf Satellitenbildern der Erde zu erkennen, auf denen vor allem Ballungsräume nachts hell leuchten. Die ländlichen Räume seien dagegen weniger stark betroffen. Auch in Städten wie Freiburg, Lörrach oder Konstanz ist es nachts heller als es für die Natur gut ist. Durchgehend beleuchtete Radwege entlang von Naturschutzgebieten zählen für Dietenberger zur lokalen Lichtverschmutzung, da sie den Tag-Nacht-Rhythmus vieler Arten stören.
Ein Beispiel: Viele nachtaktive Insekten werden von Licht angezogen – das nennt man Staubsaugereffekt. Sie sammeln sich nachts unter hellen Straßenlaternen, anstatt Nahrung aufzunehmen oder auf Partnersuche zu gehen. Das bedroht ihre Art. Auch, weil sie Gefahr laufen, an den Laternen vor Erschöpfung zu sterben oder gefressen zu werden. Unter anderem von Fledermäusen. „Einige Räuber haben ihre Jagdstrategien angepasst und jagen vermehrt um Straßenlaternen herum, weil dort die Insekten sind“, sagt Dietenberger. Beispiele wie diese gibt es viele. Wie gravierend sie sind, hängt von Dauer, Richtung oder Intensität der Beleuchtung ab. Vieles kann man nicht beeinflussen, da vor allem die Straßenbeleuchtung vielen Regeln unterliegt. Gleichwohl steht für Dietenberger fest: „Es wird viel unnötig beleuchtet.“
Fürs Fernsehen oder die Weihnachtsstimmung
Wirklich nötig ist Beleuchtung auch auf Weihnachtsmärkten oder Rummelplätzen nicht. Aber sie gehört dazu. Beispiel Herbstmesse, die in Freiburg im Oktober stattfand – natürlich mit bunten, meist blinkenden Lichtern an Fahrgeschäften und Essensbuden. Laut Victoria Vehse vom Veranstalter FWTM ist der Stromverbrauch in den vergangenen Jahren durch Investitionen von über 200.000 kWh auf rund 130.000 kWh reduziert worden. „Technisch ist hier nicht mehr viel einzusparen“, sagt sie. Die Schausteller und Marktaufleute hätten dieses Jahr aber Lichter gedimmt oder reduziert und so rund 10.000 kWh eingespart.
Auch beim Freiburger Weihnachtsmarkt, der Mitte November beginnt, geht die FWTM einen Mittelweg – es wird beleuchtet, aber vier Stunden kürzer als sonst. Ähnlich agieren andere Kommunen in der Region.
Ein anderer, viel prominenterer Großverbraucher ist der Sport-Club Freiburg. SC-Sprecher Holger Rehm-Engel zählt auf, was der Verein seit Jahren in Sachen Energieeffizienz unternimmt: Fernwärme zum Heizen, LED zum Beleuchten – und die beachtliche Photovoltaikanlage auf dem Stadiondach. Sie könne „circa 2,3 Millionen kWh Strom pro Jahr erzeugen und somit den derzeit prognostizierten Jahresstrombedarf des Europa-Park Stadions CO2-frei decken“, sagt er. Zum Vergleich: Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht laut dem Portal „check24“ etwa 4.250 kWh im Jahr.
Die Deutsche Fußball Liga hat angesichts der Energiekrise alle Proficlubs zum Energiesparen aufgefordert. Auch der SC Freiburg sei dran, berichtet Rehm-Engel. Manche Absurditäten werden aber bleiben: Nicht nur bei Abend-, sondern auch bei sonnigen Nachmittagsspielen beleuchten die Flutlichtanlagen künftig weiterhin das Spielgeschehen. Weil es wegen der Fernsehübertragungen vorgeschrieben ist.