Ob im Automobil, im Putz für die Hausfassade oder in Geldscheinen – die Produkte der Schwarzwälder Textil-Werke aus Schenkenzell finden unterschiedlichste Verwendung. Das Unternehmen aus dem Kinzigtal ist spezialisiert auf Fasern aller Art.
VON SUSANNE MAERZ
Grundsätzlich hat jeder tagtäglich mit unseren Produkten zu tun, aber keiner weiß es“, sagt Geschäftsführer Nico Kautzmann, beim Öffnen eines Musterkoffers und zeigt in Gläschen verpackte Fasern verschiedener Größen und Farben. Die einen sind pulverig, die anderen sehen aus wie Watte, wieder andere wie Schnipsel oder Fussel. Automobilzulieferer verwenden beispielsweise Acryloder andere synthetische Fasern der Schwarzwälder Textil-Werke (STW) für Bremsbeläge oder Autobatterien. Bei Letzteren helfen sie, Kurzschlüsse zu vermeiden. Auf dem Bau dienen Baumwoll- oder andere Fasern von STW unter anderem dazu, den Putz oder den Estrich anzudicken oder zu verstärken. Und die Kinzigtäler Fasern in Geldscheinen leuchten unter UV-Licht und belegen so deren Echtheit.
Der Name Schwarzwälder Textil-Werke oder STW taucht an keinem der Produkte auf. „Wir sind der Rohstofflieferant und stehen ganz am Anfang der Lieferkette“, sagt Nico Kautzmann. Rund 360 Standardprodukte hat das Unternehmen im Portfolio. „Unsere Besonderheit ist, dass wir so breit aufgestellt sind. Das hebt uns von unseren Mitbewerbern ab“, sagt Nico Kautzmann. Sein Hauptgeschäft macht das Unternehmen mit Kunden aus der Automobil-, Bau- und Papierindustrie. Deren Anteile am Umsatz variieren. „Das hängt immer von der Konjunktur innerhalb der einzelnen Branche ab“, erklärt Geschäftsführer Frank Kautzmann. „In den vergangenen Jahren lief die Bauindustrie besonders gut, davor war es die Automobilindustrie.“
In vierter Generation
Nicht nur die Branchen, aus denen die Kunden stammen, sind unterschiedlich sondern auch die Mengen, die sie bestellen. Sie reichen von wenigen Kilogramm im Jahr bis hin zu 32 Paletten à 270 Kilogramm pro Tag. Insgesamt verlassen etwa 10.000 Tonnen Fasern im Jahr das Unternehmen. Das sind 26.000 Paletten.
Die Cousins Nico und Frank Kautzmann führen das Familienunternehmen in der vierten Generation. Dass sie es einmal übernehmen werden, lag für beide auf der Hand. Sind sie doch beide in Schenkenzell groß geworden, einer kleinen Gemeinde zwischen Schiltach und Alpirsbach, und kennen sich sowie die Firma von klein auf. Die Väter berichteten abends häufig vom Betrieb, und sie selbst jobbten dort in ihrer Jugend und lernten ihn so kennen. Inzwischen verantwortet Nico Kautzmann, der Multimedia studierte, die Produktion von der Entwicklung über den Einkauf bis zum Vertrieb. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Frank Kautzmann ist für Finanzen, Personal und Controlling zuständig.
Von Acryl bis Kokos
In seiner Anfangszeit verarbeitete das Unternehmen vor allem Baumwolle für die Textilindustrie, riss und färbte sie. Davon zeugt heute nur noch der Firmenname. Die 1919 gegründete Firma war Teil der in der Region ehemals starken Branche. Ab den 1970er-Jahren entwickelte sich die STW zu einem Spezialisten für Kurzfasern.
“Wir stehen ganz am Anfang der Lieferkette.”
Nico Kautzmann, STW-Geschäftsführer
Mittlerweile macht das Unternehmen seinen Hauptumsatz mit mineralischen Fasern aus Glas oder Basalt sowie mit synthetischen, beispielsweise aus Acryl oder Aramid. An dritter Stelle rangieren Naturfasern aus Baumwolle, Hanf, Jute, Reet oder Kokos. „In den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach natürlichen Produkten zugenommen“, berichtet Nico Kautzmann. Inzwischen machen sie rund 20 Prozent aus. Ginge es nach den beiden Geschäftsführern, wäre es mehr. Mit den Umsätzen sind sie indes zufrieden. Die entwickeln sich seit Jahren positiv. 2021 waren es knapp 40 Millionen Euro. Rund 100 Mitarbeitende sind zurzeit beschäftigt, Tendenz steigend.
Steigen soll auch die Menge des selbst erzeugten Stroms. Die Produktion ist von jeher energieintensiv. Dass der Gründer Heinrich Kautzmann das Unternehmen in Schenkenzell aufbaute, lag daran, dass er dort eine Wasserkraftanlage übernehmen konnte. Sie produzierte genügend Energie für die gesamte Produktion. Das reicht längst nicht mehr. Heute betreibt STW drei Wasserkraftanlagen an der Kleinen und oberen Kinzig und investiert derzeit mehrere Millionen in regenerative Energien. „Unser Ziel ist es, bis Ende des Jahres genauso viel Strom zu erzeugen, wie wir brauchen“, sagt Frank Kautzmann.