Im Laufe der Jahre hat sich Flight 13 zu einem kleinen mittelständischen Unternehmen mit zehn Mitarbeitern entwickelt. Und das mit dem Verkauf und der Herstellung von Schallplatten. Der Webshop zählt zu den zehn größten in Deutschland, der Laden im Freiburger Stühlinger ist ein beliebter Treffpunkt.
Text: Joachim Schneider • Fotos: Alex Dietrich
Es soll Menschen geben, die beurteilen den kulturellen Wert einer Stadt nach der Anzahl der dort existierenden Plattenläden, so gesehen ist Freiburg für seine Größe ein sehr gutes Pflaster. Vier Plattenläden mit täglichen Öffnungszeiten gibt es, drei davon in guter Innenstadtlage. Der größte und älteste befindet sich aber jenseits der Bahn im Stadtteil Stühlinger. Doch Flight 13 ist mehr als nur ein Laden, er zählt zu den zehn größten Webshops für Schallplatten und CDs in Deutschland, jeden Monat werden ungefähr 1500 Pakete versendet. Die Kunden kommen hauptsächlich aus Deutschland, doch auch Musikfans aus dem Ausland werden beschickt.
Über 30.000 Titel stehen in der Datenbank, 10.000 sind vorrätig, also auch im Laden zu erwerben, darunter ein stetig wachsender Anteil an Secondhand-Platten. Außer Klassik (ein paar Ausnahmen unter der Rubrik Neo-Klassik) und Schlager gibt es quasi alles, was sich unter dem Schlagwort populäre Musik – in der Regel jenseits des Mainstreams – subsumieren lässt: von Punk, New Wave, Indie- und Alternative-Rock, über Postrock, Electronic, Folk, Beat bis zu Soul, Reggae, Hiphop und Jazz. Das war nicht immer so.
„ Wir haben hier wirklich ein tolles Team und ergänzen uns einfach prima. Ich glaube es ist ein wenig wie beim SC Freiburg.“
Tom Haller
„Am Anfang wollte ich einfach nur die Musik meiner Band Scarecrow selber herausbringen“, sagt Inhaber Tom Haller (Jahrgang 1970). Das war 1988 und der Do-It-Yourself-Gedanke, jenseits etablierter Strukturen selbst etwas auf die Beine zu stellen, gehörte in Punk- und Hardcore-Kreisen zum guten Ton. Dann wurde es mehr: Das Tauschen mit anderen Labels und Verkaufen entwickelte sich stetig von der WG in Freiburg in ein Loft in Emmendingen. Mit Lager und Laden in der Freiburger Nordstraße unter einer Kleintierhandlung folgte dann der nächste Schritt – ein Meilenstein in die Professionalität, bis schließlich vor ungefähr 15 Jahren der Umzug in die Stühlingerstraße anstand – etwas näher am Zentrum und am Bahnhof.
Hier ist Platz genug für zehn Mitarbeiter in Teil- und Vollzeit, für Büros, Computer-/Telefonplätze, das Lager im Untergeschoss und für den Laden, der nach all den Jahren öfter umgeräumt und optimiert nun aus allen Nähten platzt. Das Geschäft mit Vinyl lebt nicht nur länger, sondern auch richtig gut, nachdem es totgesagt worden war. Das Secondhandsortiment wird immer größer, und selbst CDs haben wieder ein bisschen mehr Raum bekommen, allen Unkenrufen zum Trotz: „Bei uns macht Vinyl 97 Prozent des Umsatzes aus, doch die CD ist wieder mehr im Kommen, weil eine Platte fast das Doppelte kostet“, sagt Tom Haller.
Ökologischen Fußabdruck minimieren
Was heute selbstverständlich ist im Plattenladen sind Anhörstationen, die aktuellen Werke müssen da sein, die besonderen ausgestellt. Historisches, Kurioses und Rares in Form von Plakaten und Plattencovern hängt an den Wänden, (künstlerische) Motiv-T-Shirts, -Hoodies und -Taschen, Magazine und Bücher vervollständigen das Angebot, letzteres gruppiert um eine Sitzecke. Heutzutage firmiert so ein Entwurf unter Concept-Store: Er muss genauso ein Treffpunkt sein wie ein Verkaufsraum – und noch ein bisschen mehr. Unter der Veranstaltungsreihe „Flight 13 Live-Series“ treten regelmäßig Bands im Plattenladen auf, Lesungen finden statt oder ein lang erwartetes Album gibt es schon mal vorab zu hören bei den „Listening Sessions“ – ganz offiziell mit Ankündigung und immer mit freiem Eintritt. Service und Kundenbindung heißt das im Kaufmannsjargon – wie aber sieht das beim Webshop aus?
„Ich möchte ein gutes Gefühl haben, wenn ich mein Geld ausgebe, und das sollen die Leute auch bei Flight 13 haben“. Hier meint Tom Haller den ökologischen Aspekt des Ganzen, als Versandhändler lässt sich da einiges tun. „Wir waren einer der Ersten, der klimaneutral versendete. Die Kartonagen werden mit hohem Recyclinganteil eigens für Flight 13 produziert, regionaler Ökostrom ist genauso selbstverständlich wie Bäume im Schwarzwald zu pflanzen, um den CO2-Fußabdruck beim Katalogdruck zu neutralisieren. Tatsächlich erscheint zweimal im Jahr noch ein schicker Katalog in Papierform, für die Fans des Haptischen. Bestellungen werden auch telefonisch angenommen: Es ist möglich, komplett analog an Schallplatten zu kommen, ohne das Haus verlassen zu müssen.
Ungefähr 100 E-Mails trudeln pro Tag ein, sie werden an Werktagen innerhalb von ein bis zwei Stunden beantwortet, auch hier ist persönlicher Kontakt wichtig. Wann kommt das neue Album von der Lieblingsband? Taugen die Live-Aufnahmen was? Gibt es auch eine grüne Version? Kann ich der Bestellung noch eine Platte hinzufügen? Und, und, und. Müßig zu sagen, dass die Mitarbeiter allesamt Experten sind, die schon viele Jahre beim „Flight“ arbeiten und auch mal schriftlich ihre Kommentare zu den Alben abgeben, sei es im Katalog oder im Webshop. „Wir haben hier wirklich ein tolles Team und ergänzen uns einfach prima. Ich glaube es ist ein wenig wie beim SC Freiburg“, sagt der Chef und lacht.
Der Versand folgt je nach Lieferbarkeit meistens in ein bis drei Tagen, Importware aus den USA dauert länger. Lieferanten sind Konzerne wie Universal, Warner und Sony, der größte deutsche Vertrieb heißt 375 Media, dazu kommen kleinere Labels, die direkt liefern.
Flight 13 ist zudem ein solches Plattenlabel: Wenn man so will, der dritte Baustein der Firma mit mittlerweile über 170 Veröffentlichungen und „der Ursprung des Ganzen“. „Früher haben wir nur Freunde rausgebracht, nun haben wir es auf ein anderes Level gehoben.“
Flight 13 als kleines Label
Das eigene Label bedeutet weltweiter Digitalvertrieb, Promotion und Vinyl-Pressungen. Wenn es gut läuft, sind 1000 und mehr möglich. Nur drauf sitzen bleiben, kann den Ruin bedeuten bei mindestens zehn Euro Herstellungskosten pro Stück. Ein Urgestein bei Flight 13 ist die Surfpunk-Band Lombego Surfers: Die Basler veröffentlichen schon seit 30 Jahren beim Freiburger Label, neueste Errungenschaft die Stuttgarter Post-Punkband Berlin 2.0, die bei einschlägigen Magazinen für Furore sorgt. Die Werke von Laika, der zweiten Band von Tom Haller aus den Neunzigern, erschienen erst kürzlich gesammelt auf Vinyl. Jener Indie-Folk-Punk der Freiburger zeigte schon damals, wie sich die Bandbreite vergrößerte.
Das gilt natürlich auch für die Kundschaft und ihre Geschmäcker. Zwar sei diese vorwiegend männlich, zwischen 30 und 50 sowie kaufkräftig. Und auch ein Punk-Background ist nicht zu verleugnen. Doch es komme immer auch jüngeres Klientel nach, das etwas in der Hand haben und nicht nur streamen will. Und dann gibt es noch die Sammler, die sich unterschiedliche Ausgaben ins Regal stellen, nach speziellen Aufmachungen gieren, buntes, geschecktes oder durchsichtiges Vinyl jagen, um die Alben dann wie Schätze zu hüten. Manche Sondereditionen gibt es ausschließlich bei Flight 13, so ein Album kostet dann immer ein wenig mehr als die normale Ausgabe.
„Für mich ist das nichts, ich muss ein Album gleich auspacken und hören“, sagt Tom Haller und vielleicht entstand daraus die Idee der so genannten Listening Sessions. Am 22. August um 17 Uhr ist wieder eine mit „Romance“ dem neuen Album der Fountains D.C., einer der angesagtesten Rockbands zur Zeit. Und: 2025 wird es übrigens erstmalig einen Flight 13 Wein geben, natürlich 100 Prozent biologisch erzeugt, Handlese, vegan und limitiert auf 300 Flaschen.