Gerade der Mittelstand musste sich an vielen Stellen ordentlich strecken während der Pandemie. An einer Unternehmensgruppe aus Teningen lässt sich gut erkennen, was dieses Jahr ausgelöst hat.
PROTOKOLL: DANIEL RUDA
Die Funke Mittelstands GmbH trägt den eigenen Wirkungskreis direkt im Namen: Unter ihrem Dach finden sich acht Unternehmen, die Hälfte davon in der Region, die andere Hälfte am Bodensee, in Niedersachen, Sachsen-Anhalt und der Slowakei. Vom vierköpfigen Start-up bis zum 40-Mann-Betrieb, bis auf einen sind alle im produzierenden Bereich tätig. Insgesamt 150 Mitarbeiter arbeiten für die Gruppe, die vor zehn Jahren gegründet wurde und seither kleine mittelständische Betriebe übernimmt und weiterentwickelt, wenn es an Nachfolgerperspektive oder Weitblick im Management fehlt.
Marlene Körschges ist in der Gruppe für die organisatorische Struktur, das Personalwesen und die Zukunftsfähigkeit der kleinen Unternehmensgruppe verantwortlich, die im Großen denkt. Die 29-Jährige ist Geschäftsführerin von Funke Future, der einzigen nicht produzierenden Adresse im Portfolio, die Projekte für eine neue Arbeitswelt entwickelt, die auch anderen Mittelständlern zugutekommen sollen. Wie sie auf dieses Jahr aus der Sicht des Mittelstands zurückblickt.
Marlene Körschges über die Probleme, die Corona ausgelöst hat
Unsere Unternehmensgruppe splittet sich in zwei Bereiche auf. Auf der einen Seite die Energietechnik, auf der anderen Seite der Automotive-Bereich. Während die Nachfrage in ersterem unverändert bleibt und wir diesen Bereich eher gestärkt und ausgeweitet haben, war das im Automotive-Bereich ganz anders. Die Automobilbranche macht ja ohnehin eine schwere Zeit durch, das hat sich durch die Pandemie noch verstärkt. Wir als Zulieferer haben das wie viele andere dann auch abbekommen und mussten nach neuen Lösungen suchen.
… über alternative Wege im Umgang mit der Krise
Wir wollten die Krisenzeit nutzen, um uns in Produktentwicklung und Branchendiversität breiter aufzustellen, das haben wir früh beschlossen und einen internen Ideenaufruf gestartet für Produkte, die wir mit unseren Fähigkeiten entwickeln könnten. Die sollten auch einen Bezug zur Corona-Krise haben, so wie es viele andere Firmen etwa mit dem Nähen von Masken oder dem Bauen von Plexiglasvorrichtungen gemacht haben.
Aus den anfangs über 100 Ideen sind dann zwei fertige Produkte herausgekommen. Eine Hygienetürklinke, die etwa in Kliniken oder Pflegeheimen zum Einsatz kommen kann und ein anderes Produkt für diesen Bereich, für das wir gerade Vertriebswege suchen. In der Unternehmensgruppe haben wir zwei Kunststoffs-Spritzguss-Standorte, mit Funke Plastics steht einer davon in Teningen, den bauen wir jetzt für die Sparte der Medizintechnik aus, die wir nun für uns erobern wollen. Eigentlich produzieren wir hier Baugruppen und Kunststoffteile für Fahrzeuge.
… über den Draht zu den Mitarbeitern
Im März und April waren es schwierige Zeiten. Die Büros waren und einige Produktionsarbeiter mussten an verschiedenen Standorten in Kurzarbeit gehen. In der Phase der Ungewissheit haben wir dann das Online-Programm „Funke stays connected“ ins Leben gerufen, wo sich die Kollegen standortübergreifend digital treffen konnten. Da hat der Kollege, der am Bodensee Blockheizkraftwerke wartet, zum Beispiel den Produktionsmitarbeiter aus Teningen kennengelernt. Das hat uns als Gruppe zusammengebracht. Man muss aber auch sagen, dass nach diesen Monaten der Pandemie jetzt auch Ermüdung zu spüren ist. Corona im Frühling war dahingehend einfacher zu handeln als im Winter.
… über das Lernen digitaler Kommunikation
Gerade für Führungskräfte war das herausfordernd. Im Mittelstand sind sie ja sonst oft direkt vor Ort mit ihren Mitarbeitern in engem Kontakt sind. Da war ein Lernprozess gefordert, auch für die Mitarbeiter: Man muss klarer kommunizieren und aufpassen, denn digitale Kommunikation ist offener für Missverständnisse, die passieren können.
… über das Selbstverständnis als Ideengeber für den Mittelstand
Zu unserer Philosophie gehört es, den Blick auch nach außen auf den gesamten Mittelstand zu richten. Einerseits bieten wir direkte Dienstleistungen wie etwa das Personalmanagement aus unserer Gruppe heraus für Kunden an. Andererseits entwickeln wir bei Funke Future Projekte, von denen nicht nur wir profitieren sollen. „Adulty“ zum Beispiel, mit dem wir in diesem Sommer an den Start gegangen sind. Ein Karriereprogramm, das hochqualifizierte Mütter und Väter während der Elternzeit mit mittelständischen Firmen zusammenbringt, wo sie Projekte übernehmen, die sie mit einem Arbeitspensum von einer bis zehn Stunden in der Woche bearbeiten können. So können wir Eltern von kleinen Kindern aus einem Stigma herausholen und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Angehängt ist auch ein Weiterbildungsprogramm, die Eltern sollen dadurch mit einem Boost wieder voll in die Arbeitswelt einsteigen können.
… über die wichtigste Erkenntnis aus diesem Jahr
Es war einfach beeindruckend zu sehen, wie sich ganz viele Mittelständler quasi mit einem Fingerschnipp in dieser Krise verwandelt haben. Wie groß der Mut war, Dinge neu zu denken, neue Produkte und Märkte anzugehen und das Ganze auch noch in einer ganz neuen Form der Arbeit. Wenn man zum Beispiel an das Homeoffice denkt, aus dem jetzt so viele tätig sind, vor der Pandemie wäre das undenkbar gewesen. So schwierig dieses Jahr war und so schwierig die Situation auch erstmal bleiben wird, dass wir uns mit solch einer Dynamik und Geschwindigkeit verändern und auf neue Gegebenheiten einstellen können, das macht Mut für die Zukunft.