Patriarch, Ideengeber – und Freund klarer Worte, der Geschäftsführer der Freiburger Wirtschaft Touristik und Messe GmbH verlässt nach 33 Jahren sein Amt als Chef, denn ganz abtreten wird er definitiv nicht.
Von Rudi Raschke
Feiburgs oberster Werber Bernd Dallmann war in den letzten Tagen im Amt noch einmal auf beachtlicher Abschiedstournee – Finale im Freiburger Konzerthaus und im Kesselhaus der Brauerei Ganter, viele Termine auf Einweihungen oder – wo es nichts mehr rechtzeitig einzuweihen gab – auf eigens anberaumten Richtfesten, Previews und anderen Einblicken in das, was er hinterlässt.
Umso erstaunlicher, dass sich in diesen Tagen auch ein anderer Bernd Dallmann zeigt – im Dezember wird er mit seiner Frau für drei Wochen in Urlaub fahren, eine Bootstour ab Singapur ist das Ziel. Dallmann sagt, dass er dort jederzeit aussteigen kann, wenn es ihm nicht gefällt. Steht er dann mit Rucksack im Urwald?
„Nein, auch wenn ich früher als Wohnmobilist unterwegs war oder mit dem Motorrad vom Nordkap bis zur Sahara gefahren bin.“ Man kann es sich nur schwer vorstellen. Das Wohnmobilreisen hat er irgendwann aufgegeben, die technologische Hochrüstung im Camper habe ihn abgeschreckt. Vom Improvisierten zur Spitzentechnologie führte dagegen sein Weg bei der heutigen FWTM (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe), der er seit der Gründung 1987 vorstand. Zuvor war der Wirtschaftswissenschaftler für die Freiburger Landesgartenschau und die Stadthallen GmbH tätig, davor war er ab 1978 aktiv im Bundesfinanzministerium. Dallmann begann bei der städtischen Gesellschaft mit schlanken, privatisierten Strukturen für das, was zuvor vier Amtsleiter zusammengetragen hatten. „Wirtschaftsförderung“ fiel als Aufgabenbegriff erstmals 1989, wenngleich es nicht viel zu fördern gab: „Es gab ja hier wenig Industrie, aber dafür auch keinen Rückgang, wie er manche Regionen in der Nachkriegszeit ereilt hat“, sagt Dallmann. Er habe auf Dienstleistungen setzen müssen, aber auch zeitig erkannt, dass Wissen ganz wichtig werde, wofür die Universität das Fundament bot. Heute kann er stolz darauf verweisen, dass 25 Prozent der Freiburger Berufstätigen im Gesundheitssektor tätig sind und mit Ihren Arbeitgebern einen stattlichen Anteil an den Steuereinnahmen stellen.
An diesem Wachstumstreiber hat er gearbeitet, die Gegend als Gesundheitsregion etabliert und die landschaftlich-klimatischen Bedingungen genutzt – „so ein Thema ist in Wanne-Eickel schwer möglich“, sagt der gebürtige Niedersachse. Dennoch sei es nicht immer einfach zu bewältigen, dass gerade die Nachhaltigkeit der Stadt Freiburg ihr größtes Wachstum beschert habe.
Als Tourismus- und Standortwerber hat er viele Ideen vorangetrieben, manche haben sich im Nachhinein als Goldgrube, manche als schrullig heraus gestellt: Er hat die Tour de France nach Freiburg geholt und die öffentlich-rechtlichen Sender genervt, dass Freiburg einen Platz auf der Karte im Wetterbericht bekommt.
Er hat ein „Konfuzius-Insititut“ in Freiburg begründet und die Stadt auf der Expo 2010 in Shanghai ausstellen lassen. Er kurbelte die Vermarktung Freiburgs als „Green City“ an, begründete einen Stadtmarathon, die inzwischen weltweit verbreitete Messe „Intersolar“ und stellte bis zuletzt den einzigen Stadtmarketing-Stand auf der Frankfurter Buchmesse.
Selbst mit einer Kandidatur zur OB-Wahl liebäugelte er 2002, als sein Mentor Rolf Böhme in Rente ging. Das Liebäugeln endete mit seinem Austritt aus der SPD. Als emotionalstes Erlebnis seiner 33 Freiburg-Jahre habe ihn aber die Tour de France-Etappe in Freiburg im Juli 2000 berührt, „dagegen war ja beim Papst- Besuch später beinahe nichts los“. Und er erinnert gern an die Kämpfe rund um das Konzerthaus, das einen Bürgerentscheid und den ein oder anderen Farbbeutel überstehen musste für einen „Entwicklungsschub, den Freiburg gebraucht hat“.
Heute finden dort ganzjährig Kongresse und Kulturelles statt, die einstigen Gegner sind unter dem Stammgästen. Zum Ende der Amtszeit präsentiert sich Dallmanns FWTM insgesamt als Ausbügler für zahllose Funktionen, denen städtische Ämter nicht nachkommen können oder wollen:
Das Unternehmen stellt die Beauftragten für Themen wie Popkultur, Startups, Marktstände und Kulturbörsen.
Für Dallmann kein Problem, weil er sich als Verfechter des privaten Sektors unter städtischem Dach sieht: „Da bin ich Sozialdemokrat.“ In Sachen Wirtschaftsförderung zog sich Dallmann auch schon mal ein Cowboy- Kostüm über und schleppte eine texanische Delegation zwecks Standort-Werbung auf die Rathaus-Fasnet.
Obwohl er das Ansiedeln von Unternehmen eher als häufiges Missverständnis seiner Stellenbeschreibung betrachtete: Es seien ohnehin 90 Prozent der Unternehmen durch Bestand und Wachstum hier vor Ort ansässig, rund drei Prozent durch Gründung und nur etwa fünf Prozent tatsächliche Neuansiedlungen, wie die Fasnet-Texaner, die dann tatsächlich im Hauptbahnhof eingezogen sind. Das Problem knapper Flächen löste er mit regionalem Denken, 1994 gründete er die Wirtschaftsregion Freiburg, zu der Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald gehören.
Ums „Quadratmeter- Häufen“ (Dallmann) klassischer Standort- Politik sei es ihm nicht gegangen. Mit seiner forschen Art hat Dallmann Erfolge eingefahren und sich auch hin und wieder Prügel abgeholt. Zuletzt fühlten sich OB und Gemeinderat vom Tourismus- Konzept übergangen. Der FWTMChef hat auf seine Weise aber auch immer wieder Entwicklungsfelder an sich gezogen, die andere nicht bespielen konnten: Beispielsweise die Freiburger Lokhalle am alten Güterbahnhof. Seit Ende der 90er Jahre war sie immer auch Gegenstand von Zugriffsversuchen der lokalen Kulturszene.
Dallmann hat sie unter das FWTM-Dach gebracht, im April 2018 wird sie nach 20 Jahren Schlummern für die örtliche Startup- Szene wiedererweckt. A propos Gründerszene: Die Errungenschaften moderner Unternehmensführung sind an dem 66-Jährigen durchaus vorbei gegangen.
Dallmann leitet die FWTM im Stile eines Familienbosses von der ersten Reihe aus, seiner nicht immer einfachen Eitelkeit hatte sich der 120-Leute-Laden unterzuordnen.
Langjährige Angestellte mussten sich damit abfinden, dass die besten Ideen eben immer der Chef selbst hatte. Man kriegt in der Außenbetrachtung nicht unbedingt das Gefühl, dass das überaus erfolgreiche Geschäft mit Tourismus, Kongressen und Messen sehr wohl auf mehreren Schultern ruht. Dallmann hat es sich auch nicht nehmen lassen, bis in den letzten Monat vor dem Urlaub Entscheidungen zu treffen, die andere souverän der Nachfolgerin überlassen hätten. Hannah Böhme, die statt des geplanten Dienstantritts im Januar 2017 in Elternzeit ging und damit Bernd Dallmann eine „Ehrenrunde“ vor der Pensionierung ermöglichte, wird unter anderem Projekte erben, bei denen ihr Vorgänger noch kurz vor Toresschluss Nägel mit Köpfen machte.
Das mag legitim sein, aber auch nicht allzu kooperativ. Wer den sendungsbewussten FWTM-Gründer nach seinen größten Fehlern fragt, kriegt ein selbstironisches Sammelsurium an Irrwegen, die der FWTM-Apparat eben auch mal bestritten hatte – ohne deshalb von der Strecke zu rutschen: Da war der Versuch, das Imbisskartell auf dem Münsterplatz mit einer Ausschreibung aufzuknacken. Dallmann sagt lachend, dass er einen missglückten Versuch unternommen hätte, „das Essensangebot von der Wurst wegzuvariieren“.
Ebenfalls auf der nichtmehr- to-do-Liste: Die Idee, eine Dreisamschifffahrt zum Rhein nach Breisach zu etablieren (!) oder einen Duty-Free-Shop auf dem Freiburger Flugplatz (!!) – wohlgemerkt nicht dem in Basel-Mulhouse, der den Breisgau ebenfalls im Namen trägt, sondern an der Piste hinter Ikea. Beim Flugplatz-Thema findet Dallmann rasch wieder ins Vorausschauende, er sieht die Einrichtung „nicht mehr zu rechtfertigen“, sie blockiere zuviele Flächen, da es sich bei den meisten Nutzern um „Hobbyflieger“ handle.
Ebenfalls ein Ärgernis für ihn: Die Baracke des Kaffeeladens, der im Süden an den Münsterplatz angrenzt. Mit Retro-Liebenswürdigkeit im Stil der 60er Jahre mag Dallmann sich angesichts des verlotterten Zustands nicht aufhalten. Nervt es ihn, dass gerade im Schlussmonat wieder die eine oder andere FWTM-Panne bei Glühweinständen und Gedenktag-Kollissionen für Tratsch sorgte? „Nein, überhaupt nicht“, man habe angesichts von 8000 vergebenen Marktlizenzen gerade einmal zwei Klagen in 20 Jahren erhalten, gegen die man erfolgreich war.
Was bringt Bernd Dallmanns Zukunft? Fest steht, dass er von einer sechs- auf eine vier- Tage-Woche gehen werde. Mit einer eigenen Unternehmung wird er weiter die Kontakte der deutschen Wirtschaft nach China festigen, bei der FWTM-Beteiligung fwi will er sich um Wirtschaftsimmobilien für die Region hier kümmern. Für seine Nachfolgerin Hannah Böhme die nicht ganz einfache Situation, dass ihr Vorgänger künftig weiter auf den Fluren der FWTM angesiedelt sein wird. Aber es hat ja keiner gesagt, dass die Nachfolge von Bernd Dallmann leicht wird.
Am vorläufigen Ende einer „Ehrenrunde“: Bernd Dallmann. Foto: Alexander Dietrich