Malin Lüth bewirtschaftet im Markgräflerland das Schnittblumenfeld Wildling nach den Grundsätzen der Slowflower-Bewegung. Der Onlinehandel läuft gut. Bei der Direktvermarktung gibt es noch Luft nach oben. Die regionalen Verbraucher will sie ebenfalls von nachhaltigen Bioblumen überzeugen.
VON CHRISTINE WEIS
„Die Blumen haben heute hitzefrei“ steht auf dem Holzschild am Stand vor dem Feld Wildling von Malin Lüth zwischen Müllheim und Zunzingen. Das Thermometer klettert an diesem Nachmittag im Ende Juni auf 36 Grad. Bei diesen Temperaturen muss kein Löwenmäulchen im Wassereimer auf Kundschaft warten.
Die Gärtnerinnen haben nicht hitzefrei. Sie fangen schon früh mit der Arbeit an, bevor die Sonne sticht. Um 7 Uhr ernten sie Bischofskraut, Bartnelken, Cosmea oder Silbertaler und bringen sie in den Kühlraum nach Müllheim. Diesen hat Malin Lüth von der ehemaligen Metzgerei Brenneisen übernommen. Wo einst Rinderhüften hingen, breiten sich jetzt Ranunkeln aus. Ab 13 Uhr beginnt der Versand der Onlineaufträge. Die Bestellungen werden in einem kompostierbaren Stoffsack mit Wasserschwämmchen, Pappkarton und Papier verpackt. Das Timing muss stimmen, denn spätestens 24 Stunden später sollen die Feldblumen an der Zieladresse eintreffen und ihre Stiele im Wasser stehen.
„Blumen gehören zum Menschsein.“
Malin Lüth hat eine Leidenschaft für Schönes.
Die Kunden von Wildling sind Bioläden, Floristen, Restaurants und Privatleute. Sie alle legen Wert auf Nachhaltigkeit bei den Schnittblumen. Konkret heißt das: Die Blumen wachsen unter freien Himmel und nicht im Glashaus. Es werden keine chemisch-synthetischen Spritzmittel eingesetzt. Gedüngt wird ausschließlich organisch etwa mit Schafwollpellets. Zur Auswahl gibt es das, was die Jahreszeit gerade hergibt – Narzissen im Frühling, Cosmeen im Sommer und Dahlien im Herbst. Insgesamt sind das von März bis Oktober rund 300 Sorten von Anemonen bis Zinnien. Die schönen Sträuße kosten ab 45 Euro.
Nachfrage nach Nachhaltigkeit
Die Geschäfte laufen gut. Mittlerweile beschäftigt Malin Lüth vier Mitarbeiterinnen in Teilzeit. In den zwei Jahren seit Gründung hat sie es mit dem Ertrag einer Fläche von nur 6000 Quadratmetern auf einen Jahresumsatz von 100.000 Euro geschafft. Neben dem Verkauf bietet sie auf ihrer Flowerfarm Veranstaltungen an. Freitags findet die Blumenbar statt. Dabei können die Teilnehmer ihren eigenen Strauß pflücken und in einem hübschen Glashaus gibt es Erfrischungen, Kaffee und Kuchen. Zusammen mit der Floral Designerin Anne Oberwalleney leitet sie zudem Workshops zum eigenen Blumenanbau.
In der Region will sie noch bekannter werden. Denn eigentlich wolle sie mehr direkt vermarkten und die Lieferwege minimieren. Augenzwinkernd erzählt sie, dass manchmal Nachbarn über den Zaun schauen und dabei vermutlich denken: Ach, die gibt’s immer noch. Im Vergleich mit den umliegenden land-wirtschaftlichen Flächen wirkt ihr Blumenfeld tatsächlich bescheiden.
„Die Pioniere erreiche ich hauptsächlich online“, sagt Lüth. Mit Pionieren meint sie jene, die ihre Art und Weise des nachhaltigen Anbaus unterstützten. Bioblumen werden eher von den Städtern mit grünem Lifestyle als von den Menschen in den umliegenden Gemeinden nachgefragt. Doch daran will Lüth etwas ändern und mehr hiesiges öffentliches Interesse für ihre Anbauweise wecken.
Bei Lebensmitteln oder Kleidung seien die Verbraucher stärker für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert. Das wünsche sie sich auch für den Schnittblumenmarkt und weist auf einige Probleme hin. Rosen oder Tulpen etwa hätten eine lange Reise hinter sich. Sie kommen aus Ecuador, Kenia oder den Niederlanden. Damit sie frisch bleiben, würden sie mit Chemikalien besprüht, die gesundheitsschädlich seien. In Kliniken werden die Sträuße oft nachts aus den Zimmern gebracht, damit sie die Patienten nicht belasteten. Das sei so widersinnig, Blumen sollen doch Freude schenken.
Bewusstsein für Blumen
Malin Lüth hat sich der Slowflower-Bewegung angeschlossen, die die Verbraucher von regionalen, saisonalen und ökologisch angebauten Blumen über-zeugt. Slowflower hat seine Wurzeln in den USA, wo sich die Community 2014 gründete. Mittlerweile hat das Netz-werk weltweit Mitglieder. Lüth gehört zu den Gründerinnen der deutschen Sektion. Zu Beginn 2019 waren es gerade mal neun Mitglieder, aktuell sind es fast 200, darunter sind allerdings bis dato nur wenige, die wie Lüth das Blumengeschäft im Haupterwerb betreiben.
Die Stärkung der regionalen Vermarktung hat auch einen wirtschaftlichen Aspekt. Sie selbst wolle nicht im großen Stil expandieren. Sie spüre schon jetzt die Start-up-Wehen. Mit dem Firmen-wachstum wachsen auch die Aufgaben und Anforderungen. „Ich will gärtnern und nicht verwalten“, sagt die 30-Jährige, „im Notfall bleibt Wildling eben klein.“ Ihre Vision bestehe darin, dass sich viele kleine Flowerfarmen gründen und diese nicht nur für Vielfalt auf dem Feld, sondern auch für Vielfalt von Gärtnereien sorgen.
Die Landwirtschaftsmeisterin hat ihr Handwerk auf verschiedenen Bio-Höfen in Südbaden gelernt. Zuletzt war sie fünf Jahre in der Demeter Gärtnerei Piluweri in Müllheim beschäftigt. Ökolandbau war der Kielerin nicht in die Wiege gelegt. Ihre Mutter ist Apothekerin, der Vater Postbeamter. Sie gab ihren Berufswunsch Biobauer in die Google-Suche ein. Ein Suchergebnis war der Lehrplan des Demeter Verbands, der habe sie damals überzeugt, erzählt Lüth.
Die Frage, ob sie manchmal Heimweh nach dem Norden habe, verneint sie. Doch dann fällt ihr ein, dass sie heute Morgen mit ihren Eltern telefonierte und diese von frischen 16 Grad berichteten. Die angenehme Vorstellung von nördlichen Temperaturen vertreibt sie rasch mit der Schilderung, dass sie bald vermehrt hitzebeständige Blumen anbauen müsse. Fetthenne und Mazedonische Witwenblume wären etwa solche, aber auch viele andere, die es noch zu entdecken gibt und auf die sie sich schon jetzt freue.