Die Welt, wie wir sie kennen, löst sich mehr denn je auf und formiert sich neu. Routinen, Konzepte und Planungen stehen zur Disposition. Wir müssen uns dieser neuen Realität stellen. Die Auswirkungen für die Wirtschaft sind immens und die langfristigen Folgen können wir derzeit nur erahnen. Doch es gilt: In Krisenzeiten werden die Erfolgreichen von morgen geboren.
Manche können die aktuelle Krise daher nutzen, um aus ihr sogar gestärkt und erfolgreicher hervorzugehen. Das sind grundsätzlich erst mal ganz normale Menschen. Sie heben sich aber in diesen Bereichen von allen anderen ab:
Fokus
Klar. Nur: Worauf? Zunächst einmal darauf, dass Krisen eine wesentliche Sache aufdecken. Sie decken auf, was im Unternehmen nicht rund läuft und worauf man nicht vorbereitet ist. Vielleicht fehlt ein Business-Continuity-Plan, vielleicht gibt es zu wenige Kunden oder Absatzmärkte, vielleicht herrscht zu große Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Lieferanten oder Partnern.
So absurd das zunächst klingen mag: Eine Krise birgt die Gelegenheit, spätestens jetzt Prozesse, Ziele und Unstimmigkeiten zu hinterfragen. Um dann zu klären, was passieren muss, dass die unternehmerische Welt wieder stimmig wird. Menschen, die erfolgreich durch Krisen navigieren, besitzen die Fähigkeit, ihren Fokus glasklar auszurichten und die Flexibilität, nachzujustieren, wenn sich Hindernisse auftun.
Kommunikation
In Krisenzeiten ist eine souveräne Kommunikation entscheidend. Krisen brauchen ein Gesicht. Krisen brauchen eine klare Führung, eine Richtung und Leitplanken. Und Krisen brauchen Vertrauen und Verlässlichkeit. Dafür ist äußerst wichtig, dass eine Krisenkommunikation nicht „aus dem Bauch heraus“ erfolgt. Eine gute und zielführende Krisenkommunikation braucht ein klares Drehbuch, damit sie sich nicht zur Kommunikationskrise entwickelt.
Wer wird wann wie informiert? Wer braucht welche Informationen? Wie begründen wir unser Verhalten? Welche Erwartungen formulieren wir an das Team? Welche Versprechen geben wir? Nichts ist fataler als Führungskräfte, die mit unterschiedlichen Stimmen sprechen. Das führt zu Spekulation und Unsicherheit. Führung hat von jeher die Aufgabe, Komplexität zu reduzieren. Heute nimmt die Komplexität jedoch täglich zu und das Arbeiten im Homeoffice macht es nicht leichter. Wir suchen Mittel und Wege, den Überblick zu behalten. Digitale Meetings und Paperless-Office sind die Pfeiler, die wir in den Boden rammen, um unser Unternehmen zu stabilisieren. Wir führen agile Methoden ein und damit verbunden auch verschiedene Aufgaben und Rollenverteilungen für das Team. Dass sich damit auch die Rolle und Aufgaben der Führungskraft ändern, wird oft vergessen.
Gemeinsam agil bleiben
Die Führungskraft muss umdenken, denn agile Teams organisieren sich von innen heraus. Entscheidend ist: Werden Erwartungen nicht geklärt, hilft uns auch keine Software. Wir brauchen ein interdisziplinär aufgestelltes Team, das selbständig denkt und sich eigenverantwortlich um die richtigen Fragen kümmert. Wir brauchen motivierte Experten und Vorgesetzte, die damit umgehen können. Und wir brauchen Kommunikationsstrukturen, die das unterstützen. Wir verzichten dabei nicht auf Kontrolle – wir schaffen vielmehr Transparenz.
Erfolgreich in die digitale Transformation gehen insbesondere traditionelle, mittelständische Unternehmen dann, wenn sie sich auf ihre Stärken fokussieren. Wenn sie gemeinsam ein Konzept entwickeln und regelmäßig reflektieren, wo sie stehen. Eine offene Kommunikation im Team – nach oben wie nach unten und ein verändertes Verständnis von Führung sind die Grundvoraussetzungen dafür.
Wenn eine Führungskraft anfängt, ihrem Team nicht nur zu sagen, was es zu tun hat, sondern vor allem wozu, dann hat sie den vielleicht wichtigsten ersten Schritt in Richtung Agilität bereits getan. Kein Trennen mehr von ‚Ab-Teilungen‘, sondern Ausschöpfen von Potenzialen. Das ist agiles Arbeiten. Die Frage ist nicht, ob wir digital und agil arbeiten wollen. Die Frage ist, wie lange wir uns leisten können, es nicht zu tun?
Konzept und Rezept
Bis die meisten Unternehmen aus der Krise zurückkommen, wird sich der Verbrauchermarkt weiter verändert haben. Das gilt für Bedürfnisse genauso wie für Kaufverhalten. Und das unabhängig davon, ob ein Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen verkauft. Wer erfolgreich aus Krisen aufsteigt, fragt sich daher nicht nur „Was brauchen die Menschen jetzt?“ Er fragt sich auch: „Was brauchen und wollen die Menschen zukünftig?“
Vielleicht war die Zeit nie reifer für Reflexion und Innovation als heute. Und nie hat sich die Menschheit deutlicher in drei Gruppen aufgeteilt als heute: In Menschen, die beobachten, was passiert. Menschen, die sich wundern, was alles passiert. Und Menschen, die sicherstellen, dass etwas passiert, die die Fäden dabei gern in der eigenen Hand halten.
Entscheidend ist, schon jetzt den Neustart im Blick zu haben. Sich dafür gegebenenfalls neu zu erfinden. Es geht um neue Denk- und Handlungsmuster im Umgang mit Unsicherheit und Risiko. Es gilt, praktische Alternativen zu entwickeln, und die Weichen zu stellen für eine wirtschaftliche Zukunft. Das ist der Job, den Unternehmer und Führungskräfte in Krisenzeiten zu schultern haben. Das erfordert eine neue Qualität visionärer Unternehmensführung.
Es erfordert Mut und Pioniergeist, Flexibilität, Kreativität und Belastbarkeit. Wer Menschen in schwierigen Zeiten führen und motivieren will – und wer Leistung, Produktivität und Loyalität erreichen will, der braucht vor allem zwei Dinge: Rückgrat und Weitblick. Verstehen wir Krisen als Handlungsimpulse für Innovation und Erneuerung, und für das Entwickeln einer völlig neuen Führungskultur, dann haben wir gute Chancen, gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Wir werden uns an Krisen und Veränderung als Normalzustand gewöhnen und sie nutzen müssen, damit wir Systeme, die aus dem Gleichgewicht geraten sind, wieder in eine neue Balance bringen können.
Rebecca Paul ist Volkswirtin, arbeitete unter anderem in New York für die Lufthansa AG, betreute Kunden wie Sony Deutschland oder T-Mobile für Nortel Networks und machte Stationen bei Straumann, Hiestand & Suhr und der TIBS GmbH. Zuletzt war Paul Kurdirektorin in Bad Bellingen und Geschäftsführerin der örtlichen Therme, als erste Frau, mit damals 35 Jahren. Parallel bildete sie sich zum Business- Coach und -Trainer aus und ist seit 2015 als Speaker, Executive Coach und Unternehmerin selbstständig tätig. Mehr unter: www.rebecca-paul.de