Zwei 25 Jahre alte Jungunternehmer aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen übernehmen das Freiburger Traditionsunternehmen Zenith Umzüge. Was sie daran reizt und was der Gründer von den Nachfolgern hält.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Alex Dietrich
Wirklich gerne zieht wohl keiner um. Planen, packen, schleppen — viele geben am liebsten ab, was sie nicht unbedingt selbst machen müssen. Dafür standen Yanik Melber und Tobias Aberle bereits im Studium bereit. Die beiden Wirtschaftsingenieure jobbten erst als Umzugshelfer, 2017 kauften sie ihren ersten Kleintransporter und organisierten kleinere Aufträge selbst. 2021, als sie ihr Studium an der Hochschule Pforzheim abgeschlossen hatten, gründeten sie ihr Unternehmen: die Sieben Umzüge GmbH in Bietigheim-Bissingen. Heute haben die beiden erst 25 Jahre alten Jungunternehmer am dortigen Standort 10 Fahrzeuge und rund 20 Mitarbeitende – und legen gerade erst los.
Die Vision hinter der Geschäftsidee: „Wir haben Ideen, wie man es besser machen kann“, sagt Yanik Melber beim Gespräch im neuen Standort in Freiburg-Opfingen. Denn Aberle und Melber haben im Frühjahr 2024 das Freiburger Traditionsunternehmen Zenith Umzüge gekauft. Mitsamt Flotte, Hochregallager, Büros, Self-Storage-Anlage. Alle zwölf Angestellten haben sie übernommen.
Gründer Harry Schottstedt zeigt sich mehr als erleichtert. Jahrelang habe er einen geeigneten Käufer für sein 1991 gegründetes Unternehmen gesucht. „Seit fünf Jahren habe ich versucht zu verkaufen, es war nicht einfach“, sagt der 65-Jährige, der sich endlich zur Ruhe setzen wollte. Es habe Interessenten gegeben, aber „es passte einfach nicht. Ich wollte mir sicher sein, dass die Firma in meinem Sinne weitergeführt wird und dass die Käufer dazu auch in der Lage sind.“ Mit Yanik Melber und Tobias Aberle habe er dann zwei Menschen gefunden, die trotz ihres jungen Alters über Erfahrungen als selbstständige Umzugsunternehmer verfügen. „Sie haben mit der Gründung von Sieben Umzüge bereits unter Beweis gestellt, was möglich ist, wenn es um Umzüge und Einlagerungen geht“, betont der scheidende Inhaber.
“Ich wollte sicher sein, dass die Firma in meinem Sinne weitergeführt wird und dass die Käufer dazu auch in der Lage sind.”
harry schottstedt
Mehr als 2500 Umzüge hat Yanik Melber mit seinem Geschäftspartner realisiert. Daher sei die Einarbeitung bei Zenith ruckzuck erledigt gewesen, berichtet Schottstedt: „Ich bin mir sicher, dass sie auch durch schwierige wirtschaftliche Lagen kommen werden.“ Damit spielt er auf die jüngste Vergangenheit seines Unternehmens an: In den vergangenen Jahren hatte Zenith ordentlich zu knabbern, nicht zuletzt, weil der Geschäftsführer „kaum noch motiviert gewesen“ sei, und sich daher „operativ zurückgezogen“ hatte, wie er selbst zugibt: „Wir haben Geld verdient, aber wir haben abgebaut: weniger Autos, weniger Aufträge, weniger Personal.“ Die Besetzung schrumpfte von 30 Angestellten auf 12.
Eine Branche im Wandel
Umso wichtiger, dass alle Verbliebenen in die neue Gesellschaft übergehen, denn Melber und Aberle haben viel vor. Die Übernahme von Zenith soll erst der Anfang sein. Hier finden sie gute Grundvoraussetzungen. „Wir können auf jahrelanges Wissen zurückgreifen und auf unser bestehendes Unternehmen übertragen“, sagt Yanik Melber, der in die Region gezogen ist, um die Geschäfte zu führen, während sein Partner Tobias Aberle in Bietigheim-Bissingen bleibt.
Die beiden haben es mit einer Branche im Wandel zu tun, die verschiedene Besonderheiten hat. Zum einen ist die Marktkonzentration sehr gering. In Deutschland hatten die vier größten Unternehmen 2023 einen kumulierten Marktanteil von deutlich unter zehn Prozent, heißt es bei den Analysespezialisten von Ibis World. Das bedeutet, dass es fast ausschließlich kleine und mittelgroße Akteure gibt. Pro Unternehmen wurden im Jahr 2023 im Schnitt 600.000 Euro Umsatz erzielt. Das hat auch etwas mit der Standortwahl zu tun: Weil es in Ballungszentren viele Konkurrenten und damit einen starken Preiswettbewerb gibt, lohnt sich eine lange Anfahrt zum Kunden nur, wenn die Umzugsstrecke selbst lukrativ genug ist.
“Wir können auf jahrelanges Wissen zurückgreifen und auf unser bestehendes Unternehmen übertragen.”
Yanik Melber
Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss Mehrwert bieten. Das merken auch Yanik Melber und Tobias Aberle. Schritt für Schritt wollen die schwäbischen Gründer das traditionsreiche Umzugsunternehmen Zenith digitalisieren, die Disposition von Notizblock und Whiteboard auf Onlinetools umstellen. Aufgaben wie zum Beispiel die Wohnungsbesichtigung, Kalkulation, Angebotserstellung und Abrechnung können auch automatisiert laufen. „Das erleichtert uns die Arbeit und den Kunden die Planung“, sagt Yanik Melber, der unter anderem mit KI-gestützten Onlinetools arbeitet, um zu erfassen, wie groß das Volumen eines Auftrags ist. Das funktioniert recht einfach: Anstelle eines Mitarbeitenden der Firma, der nach Hause kommt und notiert, was alles mitmuss, kann die Kundin oder der Kunde selbst Fotos machen. Das Tool berechnet binnen Sekunden, wie viele Kartons, Lkws, Personen für den Umzug benötigt werden.
Kostenkalkulation per Mausklick, Umzugsplanung mit Onlinetool, davon profitieren auch die Auftraggeber. Das hört beim Kartonbestellen nicht auf: „Wir sind ein Full-Service-Umzugsunternehmen“, sagt Yanik Melber. Das Team erledige vom Erstkontakt bis zur Endreinigung alles. „Die effiziente Planung macht uns wettbewerbsfähig. Ohne die neuen Technologien geht es nicht. Dafür brauchst du entweder junge, motivierte Führungskräfte oder externe Profis.“ Auch im Sinne der Nachhaltigkeit lässt Zenith nun rechnen, was möglich ist. Kürzlich habe das Unternehmen einen Umzug nach Hamburg für fünf Kunden auf einmal realisiert. „Das funktioniert, wenn wir Wege, Routen und Transport automatisieren, so dass wir effizient be- und entladen können“, sagt Yanik Melber. Dann sei es eine Win-win-Situation: umweltfreundlicher und kostengünstiger.
Hands-on-Mentalität
Der junge Yanik Melber mit seinen vielen Ideen ist so etwas wie der Gegenentwurf des nach vielen Arbeitsjahren demotivierten Unternehmers kurz vorm Ruhestand. Probleme mit dem Team vor Ort gebe es nicht, auch wenn manche der Angestellten schon im Unternehmen arbeiteten, bevor er überhaupt auf der Welt war. „Es kommt nicht aufs Alter an“, davon ist Melber überzeugt. „Die Menschen wollen eine Führungskraft, die authentisch ist. Die meisten sehen, dass ich hinter der Firma stehe, dass ich hart dafür arbeite.“ Es geht um Respekt – auf beiden Seiten. Melber und Aberle profitieren von der Erfahrung der langjährigen Mitarbeitenden und die wiederum davon, dass Büroabläufe und Prozesse durch die Digitalisierung vereinfacht werden können. Ihnen ist vor allem eine gute Unternehmenskultur wichtig: Feedbackrunden, freundschaftlicher Umgang, flache Hierarchien, Hands-on-Mentalität. „Wir versuchen, Leute reinzuholen, die diese Mentalität leben, damit wirklich alle an einem Strang ziehen“, sagt Yanik Melber. Natürlich geht nicht alles von heute auf morgen. Zwei Jahre haben sich die beiden Jungunternehmer mittelfristig gegeben, um den Standort Freiburg-Opfingen für die nächsten zehn Jahre fit zu machen. Das langfristige Ziel ist klar: weiterwachsen.