Wer in die Selbstständigkeit startet, kann gute Ratschläge und den Austausch mit anderen brauchen. Doch das ist nicht so einfach. Ökosysteme und Netzwerke für junge Gründungen entstehen gerade erst. Manch einer hat sich als Einzelkämpfer durchgeschlagen.
Text: Kathrin Ermert
Als sich Benedikt Böckenförde vor mehr als zehn Jahren auf den Weg in die Selbstständigkeit machte, fehlten ihm in Freiburg die Vorbilder und Orte, an denen er Gleichgesinnte treffen konnte. „Es gibt keine Gründerszene in Freiburg“, sagt der Unternehmer daher. Böckenförde ist ein Pionier in den sozialen Medien. Er hat während des Studiums als Werkstudent bei Burda gearbeitet und dort seine „Leidenschaft für Content entdeckt“. 2011 startete er eine Facebook-Seite, postete Bilder samt Sprüchen, die bald tausende Fans fanden, und merkte schnell, dass diese Reichweite Potenzial hat. 2014 gründete Böckenförde seine Firma Visual Statements. Anfangs verdiente er Geld vor allem mit Postkarten, T-Shirts und Tassen, auf die er die beliebtesten Sprüche drucken ließ. Später kamen Dienstleistungen für andere hinzu. Heute betreut Visual Statements mit rund 50 Mitarbeitenden die Social-Media-Kanäle von Kunden wie Adidas, Netflix oder Deutsche Post. Und seit wenigen Monaten bietet das Unternehmen dieses Know-how mit dem neuesten Standbein, der Academy, auch anderen an.

„Es gibt keine Gründerszene in Freiburg.“
Benedikt Böckenförde, Visual Statemetns
Man kann die Gründung von Visual Statements, die dieses Jahr ihr Zehnjähriges feiern, also gelungen nennen. Doch auf seinem Weg hätte sich der Gründer mehr Unterstützung oder zumindest Austausch gewünscht. Ein Netzwerk eben, in dem man zum Beispiel über wichtige Themen wie Finanzierung und Wachstum reden kann. Das hat Böckenförde meist im Alleingang – und mit Unterstützung außerhalb Freiburgs – gewuppt. Er hatte 50.000 Euro Startkapital aus eigenen Mitteln und bekam kaum Fördermittel, nur Coronahilfen und Innovationsgutscheine. „Das war keineswegs existenzsichernd“, sagt der Unternehmer. „Ich konnte mir nie einen Mitarbeiter vorab leisten. Ich habe sie eingestellt und dann geschaut, dass das Geschäft dazu kommt.“ Investitionen haben Böckenförde und die beiden Gesellschafter, die später hinzukamen, immer selbst gestemmt, das Wachstum aus dem Cashflow finanziert. Das funktionierte, weil das Unternehmen schnell erfolgreich war. Schon im ersten Geschäftsjahr setzte Visual Statements 300.000 Euro um und erwirtschaftete eine Rendite.
Co-Gründer vom Schwarzen Brett
Von solchen Werten ist Julius Wiener ein Stück entfernt. Sein Unternehmen schreibt noch rote Zahlen und ist auf Investoren angewiesen. Der Molekularbiologe hat sich mit einer Entwicklung zur Automatisierung von Arbeitsschritten selbstständig gemacht. Wer im Labor arbeitet, kennt das Problem: Man muss immer wieder Flüssigkeiten mit einer Pipette von einem Röhrchen in ein anderes tröpfeln. Hunderte Male und mehr. „Das ist mir auf die Nerven gegangen“, erzählt Wiener. Er hat deshalb einen Roboter gebaut, der ihm diese Arbeit abnimmt. „Good Bot“, also „guter Roboter“, nannte Wiener seinen maschinellen Assistenten und sein Unternehmen. Er sah Potenzial dafür angesichts eines „erheblichen Bedarfs an Automatisierungslösungen für Forschungslabore“ und entschloss sich deshalb zur Gründung. Zumal ihm das Tüfteln an Good Bot mehr gefallen hatte als die Forschung selbst.

„Kontakte zu Leute mit ähnlichen Problemen zu knüpfen, ist unheimlich wichtig.“
Julius Wiener, Good Bot
Wieners Weg in die Selbstständigkeit begann einige Jahre nach Böckenfördes, und er hat andere Erfahrungen gemacht. Er fühlte sich vom Gründungsbüro der Uni gut betreut, vor allem in finanziellen Fragen. Es informierte ihn zum Beispiel über Stipendien von Bund und Land, die ein Einkommen zahlen, solange die jungen Firmen selbst noch kein Geld verdienen. Das ist bei Good Bot auch nach zwei Jahren der Fall. 90 Prozent der Kosten fließen ins Personal. Organisches Wachstum ist im Moment noch nicht möglich: Wenn ein großer Auftrag kommt, müssen sie liefern.
Sein Team hat Wiener sukzessive aufgebaut und damit auch Wissen ins Unternehmen geholt. „Jetzt weiß ich: Die Mitarbeitenden sind das Wichtigste. Aber es hat lang gedauert, bis ich die richtigen Leute hatte“, erzählt er. Entscheidend waren vor allem die Co-Gründer Tobias Zundel und Oliver Brunner. Die hat er über eine virtuelles Schwarzes Brett des studentischen Founders Club der Uni gefunden. Und die Innovationsplattform Baden Campus habe ihm geholfen, Kontakte zu Leuten zu knüpfen, die ähnliche Probleme hatten, wie er. „Das ist unglaublich wichtig“, betont Wiener. Denn anfangs tauchten bei jedem Schritt Fragen auf, die er selbst nicht beantworten konnte und bei denen er Unterstützung brauchte.
In der Höhle der Löwen
Der Baden Campus, ein Tochterunternehmen des Energieversorgers Badenova, hilft jungen, hauptsächlich technologieorientierten Firmen, indem er sie zum Beispiel mit etablierten Unternehmen zusammenbringt, die von frischen Impulsen profitieren können. „Netzwerken ist unser USP“, sagt Nicole Lipphardt, die sich beim Baden Campus ums Marketing kümmert. „Mit unseren Kontakten können wir fast jedem helfen. Wir bieten viele Veranstaltungen an, um dafür zu sorgen, dass die jungen Unternehmen zusammenkommen“, ergänzt Günther Kornacker, der für Arise, die Start-up-Marke des Baden Campus‘, zuständig ist. 40 bis 50 Teams von Gründungswilligen oder bereits gegründeten Firmen durchlaufen jährlich die Angebote von Baden Campus. Die Formate orientieren sich an den Themen, die ihnen auf dem Weg in die Selbstständigkeit begegnen, vom „Lab“, in dem die Geschäftsidee entwickelt wird, über den „Accelerator“, der sie in den Markt bringt, bis zu „Growth“ und „Pre-Seed“, bei denen es um Wachstum und Finanzierung geht. „Netzwerken wird bei jedem Programm mit einem Mix aus internen und externen Mentoren eingebaut“, erklärt Kornacker.

„Nicht alle sind geborene Netzwerker, aber die Rolle als Gründerin oder Gründer bringt es mit sich, dass sie es schnell lernen.“
Günther Kornacker, Baden Campus
Wie genau funktioniert das? Es gebe häufig Pitches, bei denen die Gründungswilligen sich und ihre Geschäftsidee vorstellen. Daraus entstünden in der Regel rasch Gespräche. „Nicht alle sind geborene Netzwerker, aber die Rolle als Gründerin oder Gründer bringt es mit sich, dass sie es schnell lernen“, sagt Kornacker. „Wir schaffen dafür ein Ambiente ohne Ängste und Vorurteile“, betont Lipphardt. Kontakte ergeben sich auch räumlich, denn Baden Campus, dessen Betriebsstätte in Breisach ist, betreibt seit Sommer 2023 einen Standort im Freiburger Innovationszentrum Friz nahe der technischen Fakultät am Flugplatz. Dort haben einige der Gründungen, die Baden Campus begleitet hat, ebenso ihren Sitz wie zwei Tochterunternehmen des Messtechnikspezialisten Endress + Hauser, die Uni und weitere Forschungsinstitute.
Berührungspunkte und Überschneidungen mit anderen Akteuren, die sich in Stadt und Region um Gründungen kümmern wie die Co-Working- und Start-up-Profis vom Grünhof oder Gründerbüro, sind ausdrücklich gewollt. Eine wichtige Rolle spielen laut Kornacker auch die Black Forest Business Angels. In dem Verein haben sich Menschen mit unternehmerischer Erfahrung und Geld zusammengetan, die in Start-ups investieren und sie mit ihrer Erfahrung unterstützen. So etwas wie die lokale Höhle der Löwen, vor Ort und ohne Fernsehkameras.
Zu fünft im Stuhlkreis
Kürzlich saßen Wiener und Böckenförde in einer sehr überschaubaren Runde in der Alten Uni in Freiburg und berichteten über ihren Weg in die Selbstständigkeit sowie die Förderprogramme, die ihnen dabei geholfen haben. Das Gründungsbüro der Uni hatte zu dem sogenannten Start-up Talk mit den beiden Gründern eingeladen. Doch kaum eine Handvoll Interessierte folgte der Einladung an diesem frühen Dienstagabend. „Zu fünft im Stuhlkreis – so funktioniert es nicht“, sagte Böckenförde etwas enttäuscht beim Gespräch wenige Tage später. Er hatte sich mehr erhofft – nicht aus Eitelkeit, sondern weil er aus eigener Erfahrung das Umfeld für Start-ups in Freiburg und der Region verbessern möchte. Er denkt darüber nach, selbst aktiv zu werden. Seine Academy könnte eine Plattform für den Austausch von Gründern untereinander aufbauen und so den Ort schaffen, der bislang fehlt. Böckenförde sagt, er habe „total Bock“, Wissen weiterzugeben, weil er selbst auch viel von anderen Leuten gelernt habe. Und er weiß: „Wir können das.“